
Das zweite Gesicht der Windpocken. Wer Windepocken hatte, trägt das Virus Varizella Zoster für immer im Körper. Es kann Jahrzehnte im Nervensystem schlummern. Alter, Stress und Krankheiten können den Erreger reaktivieren. Er löst dann Gürtelrose aus, sichtbar am Hautausschlag.
Etwa jeder Fünfte erkrankt in seinem Leben an Gürtelrose (Herpes Zoster), besonders oft trifft es ältere Menschen. Stress oder schwere Krankheiten begünstigen sie auch bei Jüngeren. Normalerweise verheilt eine Gürtelrose in vier bis sechs Wochen. Jeder Zehnte leidet danach aber unter chronischen Nervenschmerzen. In Deutschland sind mittlerweile zwei Impfstoffe gegen Gürtelrose zugelassen. test.de sagt, wie Impfexperten sie einschätzen.
Jeder zehnte leidet auf Dauer unter Nervenschmerzen
Ein plötzlich brennender Schmerz – meist zwischen Taille und Brust, manchmal auch im Gesicht, am Ohr oder Auge: So kündigt sich eine Gürtelrose typischerweise an. Wenige Tage später überzieht ein meist bandförmiger Ausschlag die immer heftiger schmerzende Körperstelle. Etwa jeder Fünfte erkrankt in seinem Leben daran, besonders oft trifft es ältere Menschen. Stress, seelische Belastungen oder schwere Krankheiten begünstigen den Ausbruch auch bei jüngeren Leuten. Normalerweise verheilen die äußeren Anzeichen einer Gürtelrose in vier bis sechs Wochen. Bis zu 10 Prozent der Patienten leiden aber auch danach unter chronischen Nervenschmerzen, Mediziner sprechen von postherpetischer Neuralgie. Die Schmerzen können Monate, Jahre oder ein Leben lang quälen.
Wie gefährlich ist Gürtelrose?
In der Regel nicht übertragbar. Gürtelrose ist normalerweise nicht ansteckend. Sie bricht aus, wenn das Immunsystem des Einzelnen schwächelt. Den Erreger tragen Betroffene längst im Körper. Verantwortlich ist das Windpocken-Virus, Varizella Zoster, das sich nach überstandener Krankheit in den Nerven von Rückenmark und Gehirn festsetzt. In vielfacher Kopie schlummert es dort oft Jahrzehnte. Wenn die Abwehr nachlässt, kann es wieder aktiv werden. Dann zeigt es sich in seinem zweiten Erscheinungsbild – als Gürtelrose.
Wer sich infizieren kann. Ansteckend ist Herpes Zoster nur für jene, die noch keine Windpocken durchgemacht haben: etwa 5 Prozent der Deutschen. Sie können sich am Sekret infizieren, das die Bläschen der Gürtelrose freisetzen – aber nur bei direktem Kontakt. Die Ansteckung führt dann nicht zum Herpes Zoster, sondern zu Windpocken. Wer die Kinderkrankheit einmal hatte, muss sich vor Windpockenpatienten nicht fürchten. Im Gegenteil: Studien zeigen, dass Kontakte mit ihnen das Immunsystem trainieren und vor Gürtelrose schützen können.
Was im Krankheitsfall hilft. Bei Verdacht auf Gürtelrose sollten Betroffene sofort zum Arzt. Er kann antivirale Medikamente wie Aciclovir oder Brivudin verordnen. Direkt nach Krankheitsausbruch wirken sie am besten. Auch Schmerzmittel helfen, sorgfältige Hautpflege schützt vor bakteriellen Zusatzinfektionen.
Tipp: Ausführliche Informationen zur Behandlung von Gürtelrose finden Sie in unserer Datenbank Medikamente im Test.
Zwei Impfstoffe auf dem Markt
Die Pharmaindustrie hat Impfstoffe gegen Gürtelrose, auch Herpes Zoster genannt, entwickelt. In Deutschland sind Shingrix und Zostavax für Menschen ab 50 Jahre verfügbar.
Shingrix. Ist erst seit 2018 zugelassen und gehört zu den sogenannten Totimpfstoffen. Er enthält bestimmte Proteine des Varicella-Zoster-Virus, die nicht mehr aktiv sind. Für den neuen Impfstoff liegt noch keine Bewertung der Stiftung Warentest vor, aber eine Einschätzung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Sie empfiehlt allen Menschen ab 60 Jahren, sich mit dem neueren Präparat impfen zu lassen (siehe Bewertungstabelle). Wenn jemand an schweren chronischen Krankheiten leidet, kann die Impfung schon ab 50 Jahren sinnvoll sein.
Zostavax. Ist bereits seit 2013 im Umlauf und basiert auf abgeschwächten Lebendviren des Varicella-Zoster-Virus. Zostavax zählt deshalb zu den Lebendimpfstoffen. Im Jahr 2016 haben ihn die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest bewertet – er war damals noch der einzige auf dem Markt.
Ständige Impfkommission empfiehlt neuen Impfstoff
Die Stiko empfiehlt im Epidemiologischen Bulletin vom Dezember 2018 ausschließlich das neue Shingrix – allerdings abhängig von Alter und Vorerkrankungen:
- Menschen ab 60 Jahre: Aus dieser Altersgruppe sollte sich laut Stiko jeder mit Shingrix gegen Gürtelrose immunisieren lassen
- Menschen zwischen 50 und 59 Jahre: Sie sollten sich nach Empfehlung der Stiko-Experten mit Shingrix impfen lassen, falls sie an einer schweren Grunderkrankung oder angeborener oder erworbener Immunschwäche leiden. Dazu gehören etwa Patienten mit HIV-Infektion, rheumatoider Arthritis, systemischem Lupus erythematodes, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, chronischer Niereninsuffizienz, chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen oder Asthma bronchiale sowie Diabetes mellitus.
Die Ständige Impfkommission attestiert Shingrix insgesamt eine gute Wirksamkeit. Sie liege für den Schutz gegen Gürtelrose bei Menschen ab 50 Jahre bei 92 Prozent und für den Schutz vor chronischen Nervenschmerzen bei 82 Prozent. Der Schutz nehme mit zunehmendem Alter leicht ab. Die Stiko stuft ihn für über 70-Jährige noch auf etwa 90 Prozent ein.
Älterer Impfstoff nicht sinnvoll
Eine Impfung mit dem älteren Impfstoff Zostavax empfiehlt die Stiko im Epidemiologischen Bulletin vom September 2017 nicht als Standardimpfung – aufgrund „eingeschränkter Wirksamkeit“ und „begrenzter Wirkdauer“. Auch sei der alte Impfstoff nicht für Personen mit geschwächtem Immunsystem geeignet. Die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest sind von Zostavax ebenfalls nicht überzeugt. „Die generelle Impfung aller gesunden Über-50-Jährigen ist wenig sinnvoll“, lautete ihre Einschätzung 2016. Zwar stellten die Experten fest, dass Zostavax gut zwei Drittel der Gürtelrose-Erkrankungen bei 50- bis 59-Jährigen verhindern könne und auch das Risiko für schwere Verläufe senke, aber bei älteren Menschen wirke er schlechter. Deren Immunsystem schlage weniger gut auf die Impfung an (siehe Bewertungstabelle). Das ist ernüchternd, weil Gürtelrose im hohen Alter öfter und häufig mit Komplikationen auftritt.
Vereinzelte schwere Nebenwirkungen nur durch Zostavax
Nach einer Impfung mit dem Totimpfstoff Shingrix treten seltener und weniger schlimme Nebenwirkungen auf als nach der Impfung mit Zostavax. Die Stiko versichert, dass die Zulassungsstudien für Shingrix keine Hinweise auf schwere Nebenwirkungen ergeben hätten. Leichtere Nebenwirkungen seien möglich, die etwa ein bis zwei Tage anhalten könnten: Bei etwa jedem zehnten Patienten könne es zu Rötungen, Schmerzen oder Schwellungen an der Einstichstelle kommen oder auch zu Fieber, Müdigkeit, Muskel- und Kopfschmerzen. Dagegen treten nach einer Impfung mit Zostavax diese leichte Nebenwirkungen schon bei etwa jedem Zweiten auf und bei 10 bis 100 von 1000 Geimpften auch leichtere allergische Reaktionen. In Einzelfällen sind schwere allergische Reaktionen mit Herzrasen, Atemnot und Schwindel beobachtet worden.
Gürtelrose-Impfung mit Shingrix wohl bald Kassenleistung

Impfausweis. Darin dokumentiert der Arzt jede Impfung.
Es sieht alles danach aus, dass die Gesetzlichen Krankenkassen die Impfung gegen Gürtelrose in naher Zukunft zahlen werden – allerdings nur mit dem Impfstoff Shingrix. Der Gemeinsame Bundesausschuss folgte der Empfehlung der Stiko und hat im März 2018 den Beschluss gefasst, dass die Impfung mit Shingrix Kassenleistung wird. Diesen muss nun das Bundesministerium für Gesundheit prüfen und im Falle einer positiven Einschätzung die Schutzimpfungs-Richtlinie ändern. Sobald die Änderungen im Bundesanzeiger veröffentlicht sind, übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Für eine Impfung mit Zostavax werden sie nicht aufkommen – darauf hatten Krankenversicherte aber auch bislang keinen Anspruch.
Dieses Special ist erstmals am 23. März 2016 auf test.de erschienen. Es wurde am 27. März 2019 aktualisiert.