Die Glaukom-Früherkennung soll die Augenerkrankung „Grüner Star“ früh entdecken und das Sehvermögen länger bewahren. Doch nur sehr wenige der Untersuchten profitieren. Fehlalarm gibt es dagegen öfter. Hier lesen Sie, worum es beim Grünen Star genau geht und wem die Früherkennungsuntersuchungen tatsächlich nützen.
Manchen wird die Untersuchung aufgedrängt
Der Grüne Star kommt schleichend. Betroffene bemerken ihn lange nicht. Nehmen sie verschwommene oder dunkle Stellen wie im Bild oben wahr, ist der Sehnerv bereits deutlich geschädigt. Mediziner nennen die Erkrankung Glaukom und machen Hoffnung, dass sich ihr Verlauf verlangsamen lässt, wenn sie nur früh genug entdeckt wird.
Der Berufsverband der Augenärzte empfiehlt Menschen ab 40 Jahren eine Glaukom-Früherkennung alle zwei Jahre und ab 60 Jahren alle ein bis zwei Jahre. Sie kostet 15 bis 40 Euro, die Patienten in der Regel selbst zahlen müssen. Die Untersuchung gehört zu den häufigsten von Ärzten angebotenen individuellen Gesundheitsleistungen, kurz Igel genannt. Manche bekommen sie regelrecht aufgedrängt und ärgern sich darüber. Die Frage ist: Nutzt die Früherkennung tatsächlich?
Unser Rat
- Risikopatienten.
- Für Patienten mit bestimmten Risikofaktoren ist die Glaukom-Früherkennung sinnvoll (Glaukom und Zahlen zur Früherkennung). Für gesunde 40-Jährige und 60-Jährige hat sie nur einen geringen Nutzen.
- Entscheiden Sie selbst.
- Für den Einzelnen besteht die Chance, ein Glaukom rechtzeitig zu entdecken und den Verlust des Sehvermögens durch eine Behandlung zu verlangsamen. Doch nicht jedes Glaukom wird entdeckt. Möglich ist auch, dass es fälschlicherweise festgestellt wird, obwohl Ihre Augen gesund sind.
Studien zur Früherkennung und Behandlung ausgewertet
Ein Augenarzt und eine zu Bevölkerungsmedizin forschende Ärztin haben im Auftrag der Stiftung Warentest Studien ausgewertet – wissenschaftlich hochwertige Übersichtsarbeiten zur Früherkennung und aktuelle Studien zur Behandlung des Glaukoms. Ihr Fazit: Für Menschen mit Risikofaktoren ist die Glaukom-Früherkennung sinnvoll. Als Reihenuntersuchung für alle Gesunden hätte sie aber sowohl für 40- als auch 60-Jährige nur einen geringen Nutzen.
Bei 40-Jährigen profitiert lediglich 1 von 1 000 untersuchten Personen, in der Altersgruppe der 60-Jährigen sind es auch nur 4 von 1 000 (Grafiken Früherkennung – mehr Fehlalarme als entdeckte Glaukome). Der Nutzen der Früherkennung steigt also geringfügig. Denn mit dem Alter erhöht sich das Risiko, am Grünen Star zu erkranken. Die meisten Glaukome treten erst nach dem 75. Lebensjahr auf und schreiten dann oft schneller voran als bei Jüngeren. Deshalb könnte sich im hohen Alter eine Früherkennung eher lohnen.
Was „profitieren“ heißt
Nach der Definition unserer Experten profitiert der Einzelne dann von der Früherkennung, wenn ein entdecktes Glaukom sich nach zehn Jahren Behandlung nicht um einen Schweregrad verschlechtert hat. Die Schweregrade bezeichnen, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist: Milde Glaukome führen zu Ausfällen im Gesichtsfeld, Betroffene bemerken sie allerdings meist noch nicht. Moderate und erst recht fortgeschrittene Glaukome schränken die Lebensqualität ein und erhöhen zum Beispiel das Sturzrisiko.
Risiko von Fehlalarmen

Augeninnendruck messen. Nicht alle, aber viele Menschen mit Glaukom haben einen erhöhten Augeninnendruck. Augenärzte sollten ihn bei der Früherkennung messen und ebenso den Augenhintergrund spiegeln. © imago / Xinhua
Neben dem Nutzen zählen auch die Risiken der Früherkennung. Die Untersuchungen selbst wie Messen des Augeninnendrucks (siehe Foto) schaden den Augen nicht, sie können höchstens unangenehm sein. Doch die Chance zu verhindern, dass sich das Sehvermögen in zehn Jahren bedeutend verschlechtert, ist gering. Demgegenüber steht das höhere Risiko von Fehlalarmen. Das sind auffällige Befunde, die Sorge auslösen, sich in abklärenden Untersuchungen aber nicht bestätigen. In der Gruppe der 40-Jährigen müssen 48 von 1 000 Untersuchten mit einem solch falsch-positiven Befund rechnen. Bei den 60-Jährigen sind es noch 40. Außerdem bleiben Glaukome auch unentdeckt.
Tipp: Lassen Sie sich nicht zur Untersuchung drängen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, es gibt kein Richtig oder Falsch.
Was andere zur Früherkennung sagen
Ein Nutzen der Früherkennung für die gesamte Bevölkerung ab 40 Jahre ist bisher nicht ausreichend nachgewiesen worden. Deshalb übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten meist nicht. Das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen kommt in einer 2016 aktualisierten Veröffentlichung zu dem Schluss: „Ob eine bevölkerungsweite Früherkennung sinnvoll ist, ist bisher nicht gut untersucht.“ Die Vor- und Nachteile so einer Reihenuntersuchung ließen sich nicht sicher beurteilen.
Als „tendenziell negativ“ bewertete der Igel-Monitor Augenspiegelung und Messen des Augeninnendrucks zur Glaukom-Früherkennung. Auftraggeber ist der Medizinische Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen. Die Autoren begründen ihr Fazit mit der schwachen Datenlage.
Grüner Star – Heilung ist nicht möglich
Bei den meisten Menschen schreitet der Grüne Star so langsam voran, dass Jahrzehnte vergehen, bis sie vollständig erblinden. Eine Heilung ist nicht möglich – auch nicht durch eine Operation oder Lasertherapie. Eine Behandlung kann den Krankheitsverlauf aber verzögern. Meist verschreiben Ärzte Augentropfen, die den Augeninnendruck senken sollen.
Die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest bewerten verschiedene Wirkstoffe als „geeignet“, zum Beispiel aus der Gruppe der Betablocker oder Prostaglandine. Details lesen Sie in unserer großen Datenbank Medikamente im Test. „Welche Mittel der Arzt verschreibt, hängt von anderen Erkrankungen des Patienten ab“, sagt Professor Albert Augustin, Direktor der Augenklinik des Städtischen Klinikums Karlsruhe. So sei etwa Vorsicht geboten, wenn Menschen, die Betablocker nehmen, diese zusätzlich als Augentropfen verwenden.
Doch warum profitieren nicht alle von der Früherkennung, bei denen ein Glaukom entdeckt wurde? Verschlechtert sich die Erkrankung trotz Behandlung um einen Schweregrad, kann das unterschiedliche Gründe haben: Es kann etwa zum Zeitpunkt der Diagnose weiter fortgeschritten gewesen sein als bei anderen Erkrankten, es entwickelt sich insgesamt schneller oder der Patient wendet die Augentropfen nicht so an, wie vom Arzt empfohlen. „Die Therapietreue ist oft ein Problem bei früh entdeckten Glaukomen, weil der Patient meist keine Beschwerden hat“, so Augustin.
Augeninnendruck messen reicht nicht
Um ein Glaukom ausschließen oder feststellen zu können, führen Ärzte verschiedene Untersuchungen durch. In jedem Fall sollten sie den Augeninnendruck messen und den Augenhintergrund spiegeln, um Sehnerv und Netzhaut zu begutachten. Besteht ein Verdacht, sollten sie das Gesichtsfeld ausmessen, um festzustellen, ob schon Sehbereiche eingeschränkt sind. Es können weitere Untersuchungen notwendig sein, etwa Messen der Hornhautdicke des Auges.
Wann die Krankenkassen zahlen
Wer sich für die Früherkennung entscheidet, sollte die Frage klären, wer die Kosten übernimmt. Bei Privatversicherten kommt es auf den Vertrag an. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen nur in bestimmten Fällen, etwa bei Patienten mit glaukomtypischen Symptomen, Kortisontherapie oder Augenschäden durch Diabetes. Claudia Widmaier vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen sagt: „Ärzte verschweigen gern, dass man sich bei Patienten mit Risikofaktoren nicht mehr bei der Früherkennung, sondern bereits in der Behandlung befindet, wenn es darum geht, eine Krankheit auszuschließen.“ Bei einem konkreten Verdacht zahle die gesetzliche Versicherung, ebenso bei Kontrollen eines bereits diagnostizierten Glaukoms.
Tipp: Besprechen Sie mit dem Arzt, ob bei Ihnen Risikofaktoren vorliegen. Bejaht er und bietet die Früherkennung doch privat an, fragen Sie Ihre Kasse, ob sie zahlt.
Nutzerkommentare, die vor dem 21. März 2018 gepostet wurden, beziehen sich auf eine ältere Fassung dieses Themas.
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Hallo Holdibiggi,
leider wird immer wieder nicht beachtet, dass der Augeninnendruck nicht in der Definition des Glaukoms enthalten ist. Ein großer Teil der Patienten mit einem Glaukom haben keinen (!) erhöhten Augeninnendruck (=Normaldruckglaukom). Deswegen ist auch die Schlussfolgerung "der Augeninnendruck war nicht erhöht, also habe ich kein Glaukom und habe deswegen jahrelang umsonst getropft " falsch. Richtig ist natürlich, dass die Messung der Hornhautdicke die Gesamtschau auf die Situation verbessert, deswegen ist sie sehr sinnvoll.
Wer den Artikel genau liest, erkennt, dass genau die Risikogruppen eine Glaukomvorsorge angeboten bekommen: Patienten über 40 Jahre!
Man darf aber auch schon 20 Jährigen die Vorsorge anbieten, da das Glaukom auch schon in diesem Alter anfangen kann und dann mit 40 Jahren "durchschlägt"; d.h. der Patient bemerkt die Erblindung.
Es wird von Politik und Medien eine Hetzjagd auf Ärzte im Allgemeinen gemacht, da man von den eigentlichen Problemen des Gesundheitswesen ablenken will. Und dafür eigenen sich die Ärzte am besten, da diese leider keine Lobby haben.
Liebes Test-Team, ich gehöre leider auch zu den Glaukom-Patienten mit
schlechten Erfahrungen. Zu spät erkannt und immer schön die Igel-Gebühren bezahlt!!!!!!!
Leider!!!!
Vielen Dank
Deine treue Leserin
In meiner Familie liegt eine genetische Disposition für Glaukomerkrankungen vor. Bei den Augenärzten, denen ich diesen Sachverhalt geschildert hatte, war es kein Problem, ohne iGeL den Augeninnendruck gemessen zu bekommen. Die Messungen hatten einen erhöhten Druck ergeben, worauf ich mehrere Jahre Augentropfen verschrieben bekam. Erst der dritte Augenarzt hatte es dann für notwendig befunden, die Hornhautdicke zu messen, und diese Messung hat ergeben, dass durch die extreme Dicke meiner Hornhaut der Augeninnendruck gar nicht erhöht war. Auf gut deutsch: ich habe jahrelang für nix getropft. Fazit: Wenn der Augenarzt die Messung des Augeninnendrucks vorschlägt, sollte man auch darauf bestehen, die Hornhautdickenmessung durchzuführen.