Ist Pokern ein Glücksspiel oder hängen die Gewinnchancen von der Geschicklichkeit und des Könnens des Spielers ab? Wie planbar sind Gewinne am Pokertisch? Und müssen sie deshalb versteuert werden? Zum ersten Mal hat sich jetzt der Bundesfinanzhof mit der Frage befasst, ob Gewinne aus Pokerturnieren als gewerbliche Einnahmen der Einkommenssteuer unterliegen. Eine Gerichtsreportage über ein Urteil mit weitreichenden Folgen.
Glücksspiele sind steuerfrei...
Die Rollen seines schwarzen Trolleys klackern übers Parkett, als Eduard Scharf Mitte September Saal II des Bundesfinanzhofs in München betritt. In dem Koffer zieht er die prall gefüllten Akten seines Falls hinter sich her. Der frühere Lufthansa-Pilot ist ein großer Mann mit dunklem Haar und festem Blick. Er pokert seit mehr als zwanzig Jahren in Casinos und auf Turnieren in der ganzen Welt. Und das mit Erfolg. Glück oder Geschicklichkeit? Das war die Frage in der ersten Instanz vor dem Kölner Finanzgericht. „Poker ist ein Glücksspiel und Glücksspiele sind steuerfrei“, meint Eduard Scharf, genannt Eddy.
...gewerbliche Einkünfte hingegen nicht
Es komme auch aufs Können an, sagt dagegen das Finanzamt Köln-Mitte. Bei Profispielern überwiege die Geschicklichkeit. Das Amt sieht daher in den Pokergewinnen gewerbliche Einkünfte und will von Scharf Steuern kassieren. Es geht um mehrere hunderttausend Euro Steuerschulden. Die genaue Summe muss noch geklärt werden.
Poker kein reines Glücksspiel
Gegen die Steuerforderung hat der Expilot vor zwei Jahren vor dem Finanzgericht geklagt. Doch dort bekam das Amt recht. Zum ersten Mal hat damit ein Gericht entschieden, dass Gewinne aus Turnierpoker zu versteuern sind, weil Poker kein reines Glücksspiel ist (Az. 12 K 1136/11). Das Gericht ließ eine Revision gegen das Urteil zu.
Fall von grundsätzlicher Bedeutung
Die Rechtssache Eddy Scharf hat grundsätzliche Bedeutung. Jetzt soll die höchste Instanz für Finanzfragen entscheiden, wer recht hat. An diesem Mittwochmorgen treffen sich die Streitparteien im Bundesfinanzhof (BFH) in München. Mittwoch ist Verhandlungstag. Jede Woche überprüfen die obersten Finanzrichter Urteile der Finanzgerichte. Die Entscheidung ist für die dortigen Kollegen bindend. Ob die Rechtsauffassung des Kölner Finanzgerichts Bestand hat, ist von großem Interesse. Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf Sportwetten und Onlinepoker haben.
Letzte Chance für Eddy Scharf
Für Eddy Scharf ist heute die letzte Chance, die Steuerforderung seines Finanzamtes abzuwenden. Punkt 10 Uhr betritt das fünfköpfige Richterkollegium des X. Senats in roten Samtroben den Gerichtssaal. Die Anwesenden erheben sich, bis die Vorsitzende Silvia Schuster die Verhandlung eröffnet.
Turnierpokergewinne steuerpflichtig?
Der Berichterstatter, ein Richter des Senats, fasst zu Beginn den Fall zusammen: Scharf habe neben seinen Einkünften als Pilot über Jahre an internationalen Pokerturnieren, zum Beispiel in Las Vegas, teilgenommen und obere Plätze erreicht. Für das Streitjahr 2008 ergab die Gewinnermittlung Einnahmen in Höhe von rund 122 000 Euro. Die Preisgelder habe das Amt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zur Steuer angesetzt. Dem stünden abzugsfähige Aufwendungen wie Antrittsgelder gegenüber.
Der Fiskus pokert nicht
Scharfs Anwälte argumentieren: Es gebe keinen Pokerspieler, der zehn Spiele am Stück gewinne. Das Ergebnis hänge davon ab, welche Karten man bekomme. Ein Glücksspiel, kein Gewerbe. Die Vorsitzende Richterin weist darauf hin, dass die Vorinstanz durch zahlreiche Quellen belegt habe, dass die vom Kläger gespielten Pokervarianten kein reines Glücksspiel seien. Diese Würdigung sei für den BFH bindend.
Sind Gewinne gewerbliche Einkünfte?
Die juristischen Unterstützer des Expiloten setzen nach: Die Teilnahme am Pokerspiel sei keine unternehmerische Tätigkeit. Folglich seien die Preisgelder auch keine Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb. Schließlich speisten sich Preisgelder aus den Einsätzen der Spieler, es fehle also an einem Leistungsentgelt.
Einheitlichkeit der Rechtsordnung
Scharfs Anwalt Robert Kazemi verweist auf die Einheit der Rechtsordnung. „Der Glücksspielbegriff ist im Straf- und Verwaltungsrecht klar definiert.“ Poker werde als Glücksspiel in Casinos verbannt. Daran müsse das Steuerrecht anknüpfen. Die Richterbank weist dagegen darauf hin, dass der Staat sogar illegal erworbenes Kapital besteuere: Diebe, Hehler und Zuhälter seien steuerpflichtig.
Gewinne auf Dauer beabsichtigt?
„Scharf ist ein weit überdurchschnittlicher Spieler. Er gehört zu den Weltstars der Pokerszene. Seine Fähigkeiten und sein Spielverständnis können das Ergebnis beeinflussen“, sagt der Vertreter des Kölner Finanzamts. Scharf ziele darauf ab, dauerhaft Gewinn zu machen. Scharf hört aufmerksam zu, da platzt es aus ihm raus: „Die Wertung, die das Finanzamt vornimmt, ist rein ergebnisorientiert. Es geht nur um Kohle.“ Die Vorsitzende unterbricht: „Auch wenn es hier um Ihre Person geht, dürfen Sie nichts sagen.“ Das ist keine Unfreundlichkeit, sondern Prozessrecht. Nur Anwälte dürfen am Bundesfinanzhof in einer Revision reden. Einen Satz darf Scharf am Ende doch sagen: „Immer wieder gewinnen Anfänger.“ Die Vorsitzende Schuster kontert: „Sie wollen doch nicht sagen, dass ich gegen Sie gewinnen könnte.“
Es kommt auf den Einzelfall an
Um 15 Uhr bestätigen die Richter das Kölner Urteil (Az. X R 43/12). Begründung: Scharf sei ein Profi, Pokern ein Gewerbe, das er nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht betreibe. Die Richter betonen: „Es kommt auf den Einzelfall an. Nicht jeder Pokerspieler wird automatisch besteuert.“ Wer als Hobby pokert, ist nicht im Einkommensteuerbereich.
Nicht jeder Spieler wird besteuert
Auch über Gewinne aus Pokerspielen in Casinos und Onlinezocken wurde nicht geurteilt. Reine Glücksspielgewinne, wie beim Lotto, sind weiter steuerfrei. Das gilt bislang auch für Sportwetten. Für Gewinne aus Skat, Rommé und Backgammon ist dagegen schon länger entschieden, dass Profis steuerpflichtig sein können. Im Fall Eddy Scharf geht der Jackpot an den Fiskus. Obwohl über die endgültige Höhe seiner Steuerschulden noch nicht entschieden wurde, sagt der 61-Jährige: „Das ist mein finanzieller Ruin.“
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