Gesund­heits-Apps Ich weiß, wie viel du wiegst

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Gesund­heits-Apps - Ich weiß, wie viel du wiegst

Öffent­liche Sünde. Die App FatSecret sendet unver­schlüsselt, auch das Gewicht ihres Nutzers. © Fotolia, Thinkstock (M)

Ob Abnehm-Coach oder Medikamenten-Manager – kleine Programme auf dem Handy können Nutzern helfen. Sensible Daten sind aber nicht bei allen 24 Apps im Test sicher.

Gesund­heits-Apps freischalten

  • Testergebnisse für 6 Kalorien zählen - Apps 11/2013 Anzeigen
  • Testergebnisse für 6 Blutzucker-Tagebuch - Apps 11/2013 Anzeigen
  • Testergebnisse für 6 Rauchen aufgeben - Apps11/2013 Anzeigen
  • Testergebnisse für 6 Erinnerung an Medikamente - Apps 11/2013 Anzeigen

Biskuit und Sahne, der süße Duft frischer Erdbeeren – wer kann da widerstehen? So gesellt sich der Kuchen zum Kaffee, auch wenn ein Blick auf das Handy verrät: Der empfohlene Tages­bedarf (ETB) an Kalorien ist längst über­schritten. Die installierte Abnehm-App FatSecret zeigt fett­gedruckt „141 % ETB“. Sie weiß genau: Die schwach gewordene Kuchenfreundin wiegt 100 Kilogramm, hat heute noch keine Sport­übung gemacht und ist von ihrem Traumgewicht weit entfernt. Da sie ihre Abnehm-App in einem WLan-Café mit ungeschütztem Netz­werk nutzt, könnte es wenig später auch ein Tisch­nach­bar mitlesen – wenn er über das tech­nische Know-how verfügt. Daten­schutz: Fehl­anzeige.

Rund 97 000 Apps mit Gesund­heits­bezug wurden im März 2013 auf den führenden Downloadportalen angeboten. Etwa 1 000 kommen jeden Monat hinzu. Jeder fünfte Bundes­bürger nutzt sie bereits. Die hilf­reichen unter den Handy-Programmen zählen Kalorien, erinnern an fällige Medikamente oder helfen den Blut­zuckerspiegel zu über­wachen. Wir haben 24 Apps auf Herz und Nieren geprüft – jeweils 12 für die Betriebs­systeme Android und iOS. Dabei geht es um Gewichts­kontrolle, Diabetes, Rauchen-Aufgeben und Medikamenten­verwaltung. Kein Programm schneidet sehr gut ab. Sechs sind gut, sie über­zeugen mit Benutzerfreundlich­keit und vielen Funk­tionen. Von den Apps zum Thema „Rauchen aufgeben“ kommt keine über ein Befriedigend hinaus. Als Defizit fast aller getesteten Handy-Helferlein erwies sich die Trans­parenz – oft fehlte etwa ein Impressum.

Fremde lesen mit

Schon beim Arzt ist es vielen unangenehm, genau Auskunft zu geben über Gewicht, Alkohol- und Nikotin­konsum. Der Mediziner runzelt vielleicht die Stirn. Womöglich sieht er mit hoch­gezogenen Brauen über seine randlose Brille und sagt etwas wie: „Das Glas Rotwein sollten wir nur noch an Sams­tagen trinken.“ Immerhin: Der Ratsuchende geht das Projekt Gesundheit gemein­sam mit dem Arzt an.

Mit wem aber kommunizieren Nutzer einer Handy-App, wenn sie ihr all diese Daten anver­trauen? Im Extremfall auch mit Dritten, wie der Test zeigt. Vier Apps sind beim Daten­schutz sehr kritisch, zwei kritisch. „QuitNow Pro – Rauchen aufgeben“ beispiels­weise verschlüsselt das Nutzerpass­wort unzu­reichend und den Nutzer­namen gar nicht. Fremde könnten sich so selbst mit den abge­fangenen Daten einloggen und das Nutzer­konto über­nehmen.

Pharma­konzern oder IT-Firma?

Auch bei den 18 unkritischen Apps weiß der Nutzer oft nicht wirk­lich, wem er seine sensiblen persönlichen Daten anver­traut. Hinter einer Gesund­heits-App können beispiels­weise Pharma­konzerne, IT-Firmen oder Krankenkassen stehen. Jeder Anbieter verfolgt andere Interessen. Pharmaunternehmen verantworten oder unterstützen die von uns geprüften Medikamenten-Manager sowie „Der Nicht­raucher Coach“ in der Android-Version, „Rauch­frei durch­starten“ und „DiabetesPlus Typ 2“. Glucolog Lite stammt von einem Hersteller für medizi­nische Geräte. Die Kalorienzähler im Test sind mit Abnehm-Websites verbunden und haben keinen erkenn­baren medizi­nischen Hintergrund. Auch bei „QuitNow Pro – Rauchen aufgeben“ bleibt unklar, wer das Fachwissen geliefert hat.

Neben den Apps vertreiben einige Anbieter auch medizi­nisches Zubehör wie zum Beispiel Blut­zucker­mess­geräte oder Körperwaagen. Diese können an das Smartphone gesteckt oder per drahtlosem Funk etwa über Bluetooth verbunden werden. Praktisch: Der Anwender muss die gemessenen Werte nicht manuell eintragen. Die Apps über­nehmen sie auto­matisch. Ein Grund mehr, warum der Nutzer wissen sollte, mit wem er seine Daten austauscht.

Nur 4 der 24 haben ein Impressum

„Es mag sicher auch Fälle geben, in denen ein Unternehmen die anver­trauten Daten auswertet und zum Beispiel Nutzer­profile daraus erstellt“, sagt Dr. Urs-Vito Albrecht. Er ist Leiter einer App-Forschergruppe an der Medizi­nischen Hoch­schule Hannover. Details zum Umgang mit Kunden­daten sollten in der Beschreibung der App, am besten vor dem Download im App-Store, zu finden sein. Fehlen diese Angaben, ist der Download entsprechend riskant. „Je offener ein Anbieter schon vor dem Download informiert, desto eher weiß der Nutzer auch, ob die eigenen oder nicht doch die Interessen des Anbieters im Vordergrund stehen“, warnt Albrecht.

Klare Hinweise sind jedoch Mangelware. Nur 4 der 24 geprüften Apps enthalten ein Impressum, 2 weitere verlinken auf die Anbieter-Home­page, auf der ein Impressum zu finden ist. Die Übrigen verstecken vereinzelte Angaben im Klein­gedruckten oder geben gar keine Auskunft.

Ebenso gravierend: Nur 4 Apps informieren über genutzte Quellen oder die Qualifikation des Autors. Der Nutzer kann nicht nach­voll­ziehen, auf welchem Fachwissen beispiels­weise die Ernährungs­tipps beruhen, für ihre Richtig­keit gibt es keine Garantie. „Intrans­parenz ist aktuell das größte Problem“, bestätigt Beatrix Reiß vom Zentrum für Telematik und Telemedizin.

Bei Männern effektiver

Bringen Gesund­heits-Apps über­haupt etwas? „Die Perspektiven und Chancen sind da“, ist Beatrix Reiß über­zeugt. Jeder fünfte Deutsche nutzt Gesund­heits-Apps. 42 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen verhalten sich dank solcher Apps nach eigenen Angaben gesund­heits­bewusster, ergab eine Forsa-Umfrage.

Weiterer Vorteil: Rund 75 Prozent der deutschen Handy­besitzer haben ihr Smartphone immer dabei. Die Kalorien des Snacks unterwegs können sie so schneller eintragen als in eine auf Papier geführte Tabelle, die womöglich zuhause auf dem Nacht­tisch liegt. Der Download einer App zeigt zudem: Der Nutzer beschäftigt sich mit seiner Gesundheit. Auch das ist bereits ein positiver Effekt.

App auf Rezept bei den Briten

In den kleinen Hilfs­programmen stecken auch politisch große Hoff­nungen. Sie sollen lang­fristig den Kosten­anstieg im Gesund­heits­sektor senken, die Kommunikation zwischen Arzt und Patient erleichtern. Britische Haus­ärzte können Apps seit 2012 sogar als Gesund­heits­maßnahme verschreiben. Weil eine Stan­dardisierung fehlt, ist es für deutsche Ärzte bislang kaum möglich, von einer App erzeugte Daten, beispiels­weise Blut­zucker­tabellen, im eigenen Praxis­system auszuwerten. „Aber immer mehr Ärzte gehen damit um“, sagt Reiß. Problem: „Es gibt noch nicht viele hoch­wertige Gesund­heits-Apps.“

USA will Prüf­verfahren einführen

Wenn Anbieter ihren Gesund­heits-Apps eine therapeutische oder diagnostische Bestimmung zuweisen, müssen sie diese als Medizin­produkt lizenzieren lassen. Diese Verantwortung gehen viele aber nicht ein. Dabei können fehler­hafte Apps zur Blut­zucker- oder Medikamenten-Über­wachung für Patienten gefähr­lich sein. Die US-Zulassungs­behörde für Arznei­mittel und Medizin­produkte (FDA) hat jetzt beschlossen, medizi­nische Apps aus dieser Risikogruppe grund­sätzlich prüfen zu lassen. In der EU gibt es solch ein Prüf­verfahren bislang nicht. Bis es so weit ist, rät Reiß: „Stets kritisch bleiben und Angaben prüfen.“

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Sabinchen07 am 08.06.2015 um 13:03 Uhr
    Kritisch

    Finde es auch immer ärgerlich, wenn die kostenpflichtigen Apps keine Testversionen anbieten, die Katze im Sack zu kaufen geht auch mit online Bewertungen öfter schief. Und dass sich Laien zu sehr auf die Tipps dort verlassen ist auch sehr bedenklich.

  • Vertico90 am 19.12.2013 um 13:02 Uhr
    Hilfreich

    Also ich finde es sehr Hilfreich!

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 30.10.2013 um 12:42 Uhr
    Bewertung Datenschutz

    @jgoetze: Im "So haben wir getestet" schreiben wir „Identifizierten wir im Datenstrom für den Betrieb der App unnötige Daten, lautete das Urteil kritisch.“. Entsprechend bewertete Apps senden also Daten über den Nutzer an den Anbieter oder an Dritte. Diese Daten bilden i. d. R. das Nutzungsverhalten ab, über das langfristig sehen Profile gebildet werden können, d. h. der Nutzer wird identifizierbar.
    Bei den sehr kritischen Apps FatSecret und QuitNow Pro sind wir im Artikel detailliert auf die Probleme eingegangen, bspw. wegen einer unverschlüsselten Kommunikation. Wir hoffen unsere Bewertung hiermit besser verständlich gemacht zu haben. (BP)

  • jgoetze am 30.10.2013 um 11:21 Uhr
    Ist der Test ernst gemeint?

    Sinn und Unsinn solcher Apps muss jeder für sich selbst bewerten. Aber ein Test, der mir verrät, dass beispielsweise eine App aus Datenschutzsicht unter Android kritisch zu sehen ist, bei iOS aber nicht, ohne zu verraten wieso und was man dabei festgestellt hat, ist schon traurig. Was genau sind denn die Bedenken und was hat man da festgestellt? War die Kommunikation unverschlüsselt oder hat die App alle verfügbaren Daten aus dem Smartphone abgesaugt? Test-Transparenz wäre schon wünschenswert. So habe ich für Null Erkenntnisgewinn 2 Euro bezahlt... die meisten getesteten Apps sind wenigstens kostenlos.

  • DrKramer am 24.10.2013 um 13:08 Uhr
    Gute oder schlechte App? Was heißt das?

    Gute oder schlechte App? Was heißt das?
    Ob man eine App als nützlich einschätzt, hängt i. d. R. davon ab, ob sie das leistet, was der Nutzer von ihr erwartet, das gilt auch für HealthApps. Und davon kann sich jeder - nach dem Download - relativ einfach selbst überzeugen. Bei kostenpflichtigen Gesundheits-Apps ist das allerdings ein Problem, man muss sich auf die Beschreibung verlassen! Aber selbst wenn eine App dann das tut, was sie soll, weiß man häufig immer noch nicht, ob die Gesundheitstipps und Angaben vertrauensvoll, aktuell und unabhängig sind. Initiative Präventionspartern, Dr. Ursula Kramer