Hilfe bei Stress, Ernährungstipps, Service – das bieten Apps der gesetzlichen Krankenkassen. Die meisten kann jeder kostenlos nutzen.
Handys sind nicht mehr nur zum Telefonieren da. Mit mobilen Anwendungen, sogenannten Apps, entwickeln sie sich zum alltäglichen Berater. Sie zeigen den Weg, bestellen Essen, erinnern an Termine und halten auf dem neusten Stand.
Auch wenn es um die eigene Gesundheit geht, können Apps weiterhelfen. Dieser Markt ist riesig und unüberschaubar. Für den Gesundheitsbereich gibt es mehr als 100 000 dieser kleinen Programme für Smartphone und Tablet mit ganz unterschiedlichen Zielen. Anerkannte Qualitätskriterien gibt es kaum.
Anbieter sind zum Beispiel IT-Unternehmen, Pharmafirmen und Krankenhäuser. Auch gesetzliche und private Krankenversicherungen mischen mit.
Kaum Programme für Kranke
Finanztest hat sich das App-Angebot der gesetzlichen Krankenkassen mit über einer Million Versicherten näher angeschaut. Wir wollten wissen, welche Themen die meisten Apps abdecken und ob es hier spezielle Angebote für Patienten gibt, aber auch, ob sie kostenlos sind und wer sie nutzen kann. Überraschendes Ergebnis: Diagnostik oder Therapie von Krankheiten spielen so gut wie keine Rolle. Dafür reicht die Palette von Apps rund um Ernährung über Bewegung bis hin zu solchen zur Stressbewältigung. Auch Impfungen und Schwangerschaft sind häufig Thema. Viele Apps sollen den Austausch zwischen Kasse und Versicherten erleichtern (Beispiele für kostenlose Apps der gesetzliche Krankenkassen).
Erkrankte als Zielgruppe sind bisher eher selten. Dies bestätigte im April die Studie Charismha, die das Bundesministerium für Gesundheit gefördert hat. Dort fiel keine der 60 direkt von den Krankenversicherungen angebotenen Apps in die Kategorie Medizinprodukt. Urs-Vito Albrecht, Studienleiter am Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI), sagt: „Apps für diagnostische und therapeutische Zwecke finden sich bislang eher im Rahmen von Pilotprojekten oder begrenzten Versorgungsprogrammen.“
Beispiel: Ein regional begrenztes Programm der Techniker Krankenkasse (TK) ist die Tinnitracks-App. Versicherte geben ihre vom Arzt gemessene Tinnitus-Frequenz ein. Die App filtert sie aus der Musik des Nutzers heraus, was die Intensität des Tinnitus mildern soll. Teilnehmende Ärzte gibt es bislang aber nur in Hamburg. TK-Mitglieder erhalten eine Jahreslizenz.
Medizinprodukte sind aufwendig
Letztlich entscheidet der Hersteller mit dem Zweck seiner App, ob er sie als Medizinprodukt klassifiziert. Doch eine App als Medizinprodukt auf den Markt zu bringen, ist sehr viel aufwendiger, weil sie dann unter das Medizinproduktegesetz fällt. Medizinprodukte werden zum Beispiel bestimmten Risikoklassen zugeordnet, die sich nach dem potenziellen Schaden richten, den ein Ausfall des Produkts verursachen kann. Gesundheits-Apps, die nicht in diese Kategorie fallen, sind hingegen fast keinen Anforderungen unterworfen.
Ziel am wichtigsten
Lifestyle, Prävention, Service – diese Themen decken die Apps der Krankenkassen bisher vor allem ab. Sie sind in der Regel kostenlos und jeder – längst nicht nur die eigenen Mitglieder – kann sie nutzen. Je nach Thema und Zielgruppe ist ihr Zweck ganz unterschiedlich: Apps sollen zum Beispiel gesunde Ernährung fördern (AOK genießen), Beschwerden von Allergikern lindern (Husteblume, TK), zur Bewegung motivieren oder die Kommunikation mit der Kasse vereinfachen (Dokument direkt, SBK).
Ganz unterschiedliche Funktionen
Doch was können die Apps? Manche liefern allgemeine oder auf den Nutzer zugeschnittene Informationen (zum Beispiel BKK Pflegefinder). Andere erinnern an Vorsorgetermine (TaschenDoc, Knappschaft) oder halten Gesundheitsdaten in einem digitalen Tagebuch fest (TK-Diabetes-Tagebuch). Einige Programme messen Daten oder lassen sich mit externen Messgeräten verbinden (Fit2go von der Barmer GEK). Das kann ein Blutdruckmessgerät sein oder das Fitnessarmband. Oft kann sich ein Nutzer auch mit anderen austauschen. Hat er zum Beispiel ein bestimmtes Ziel erreicht, kann er anderen davon berichten – etwa in der Stress-Community der App BKK Stresslabor. Wieder andere Apps sollen vor allem motivieren oder Tipps liefern. Oft bieten sie auch mehrere Funktionen.
Grenzen der App beachten
Wer eine App sucht, sollte sich zunächst fragen, wofür er sie genau nutzen möchte. Welches Ziel will er erreichen? Welche Funktionen sind hierfür notwendig? Dies steht meist in der Beschreibung der App. Sie gibt auch Aufschluss darüber, wo die Grenzen liegen und wie viel der Nutzer ihr zutrauen kann. Ist vor dem Herunterladen nicht klar, was ein Nutzer erwarten kann, sollte er besser die Finger von der App lassen.
Was gesetzliche Kassen dürfen
Gesetzliche Krankenkassen dürfen gesammelte Daten für Studien nutzen oder auch mithilfe einer App Boni vergeben. So bietet zum Beispiel die AOK NordOst mit der App FitMit AOK eine Art digitales Bonusheft an. Versicherte können hier durch gesundheitsbewusstes Verhalten Punkte sammeln und Prämien erhalten.
Nicht erlaubt ist es dagegen, die Höhe der Beiträge vom Verhalten der Versicherten abhängig zu machen, etwa von einem Sportler, der per App seine Daten übermittelt, weniger zu verlangen als von einem Nichtsportler. Unabhängig von Verhalten oder Gesundheitszustand zahlen also alle Kunden weiterhin den gleichen Beitrag.
Personalisierte Tarife
Anders ist das bei privaten Versicherungen. Die Unternehmen dürfen mithilfe von Gesundheitsdaten ihrer Versicherten neue Tarife entwickeln und auf die Person zugeschnittene Preise verlangen.
Wie dies aussehen könnte, zeigt der zweitgrößte Privatversicherer in Deutschland Generali. Im Juli will er hierzulande sein Vitality-Programm auf den Markt bringen. Durch gesundes Verhalten wie den Gang ins Fitnessstudio können Versicherte Punkte sammeln. Erhoben werden diese Daten unter anderem über Apps oder Fitnessarmbänder. Der Kunde erhält entsprechend seines Status finanzielle Vorteile. Zwar soll dieses Programm zunächst für Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen gelten, der Anbieter will es aber auch auf Tarife der privaten Krankenversicherung ausdehnen.
Qualitätskriterien notwendig
Viele Menschen nutzen bereits Gesundheits-Apps. Doch es gibt sehr wenige wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, welche Chancen und Risiken sie mit sich bringen. Kritisch ist oft der Datenschutz. Laut der Charismha-Studie findet er bei den Gesundheits-Apps bislang nicht ausreichend Beachtung. Welche Daten genau erhoben werden, wer auf sie zugreift und wie sie geschützt werden, war oft nicht klar. So forderte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nach der Veröffentlichung: „Nötig sind klare Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Patienten, medizinisches Personal und App-Hersteller.“
An dieser Stelle ist am 4. Mai 2016 eine Meldung über Gesundheits-Apps erschienen. Wir haben sie am 19. Juli 2016 durch einen weitergehenden Bericht über Gesundheit-Apps ersetzt. Ältere Kommentare beziehen sich auf die ersetzte Meldung.
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- Seit 2020 können Patienten Gesundheitsanwendungen etwa per App verordnet bekommen, kurz Diga. Bringen die was? Nutzern zufolge ja. Auch im Test zeigen sie Potenzial.
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- Wie viel ein Mensch im Ruhestand für die Krankenversicherung zahlt, hängt auch davon ab, wie er oder sie im Berufsleben versichert war. Das heißt: Wer sich im...
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- Gesetzlich Krankenversicherte ab 35 Jahren haben Anspruch auf eine regelmäßige Gesundheitsuntersuchung, oft auch Check-Up genannt. test.de erklärt die Regelung.
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"Eine Life-App wacht über mein Leben.
In Sicherheit soll ich mich wiegen.
Macht mich gläsern fürs Gewinnstreben.
Versicherungsprämien sind bald gestiegen...."
Der Song "nur virtuell" bringt es auf den Punkt:
http://youtu.be/WzvpF6JR1cE
Viel Spaß beim Zuhören und: lasst Euch die Realität nicht vermiesen!