
Die jüngste Rentenreform liegt kaum ein Jahr zurück: Anfang 2012 wurde die Rente mit 67 eingeführt. Gewerkschaften und Sozialverbände halten sie für eine Rentenkürzung. Sicher ist: Die Rentenreformen der vergangenen Jahre haben das Rentenniveau massiv gesenkt. Jetzt will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen die gesetzliche Rentenversicherung erneut reformieren und Altersarmut vorbeugen – mit der Zuschussrente. Finanztest beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer kann die Zuschussrente bekommen?
Bis jetzt noch niemand. Sie ist bisher nur ein Plan. Die Bundesarbeitsministerin will Minirenten auf 850 Euro aufstocken, wenn der Rentner eine bestimmte Zeit lang gesetzlich versichert war und wenn er zusätzlich mit einer Riester-Rente fürs Alter vorgesorgt hat. Ob und wie genau dies umgesetzt wird, war bei Redaktionsschluss noch offen.
Warum sinkt die durchschnittliche Rente für Neurentner drastisch?
Die Bundesregierung hat sich entschieden, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2030 nicht über 22 Prozent des Bruttolohns steigen zu lassen, obwohl es künftig mehr Rentner und weniger Beitragszahler gibt. Im Gegenzug wird in Kauf genommen, dass die gesetzliche Rente im Vergleich zu den Einkommen der Beschäftigten sinkt.
Die gesetzliche Rente allein wird den Lebensstandard nicht mehr sichern. Die Versicherten sollen deshalb zusätzlich eine staatlich geförderte private Altersvorsorge abschließen: eine Riester-Rente oder eine betriebliche Altersvorsorge oder beides.
Derzeit beträgt das gesetzliche Rentenniveau rund 51 Prozent. Im Jahr 2030 sollen es laut Alterssicherungsbericht der Bundesregierung nur noch 43 Prozent sein. Das Rentenniveau gibt an, wie viel ein Standardrentner nach 45 Versicherungsjahren im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der Beschäftigten erhält. Heute bekommt der Standardrentner noch 51 Prozent vom aktuellen Durchschnittseinkommen, künftig sind es nur 43 Prozent. In dieser Rechnung bleiben Steuern außen vor, Sozialabgaben sind dagegen abgezogen.
Der Standardrentner hat 45 Jahre lang durchschnittlich verdient und dafür Rentenbeiträge gezahlt. Er bekommt zurzeit rund 1 263 Euro Monatsrente, im Jahr 2030 wären es – ohne Berücksichtigung von Rentensteigerungen – nur etwa 1 086 Euro.
Meine Rente beträgt 744 Euro. Abzüglich der Kosten für Miete, Strom und Gas bleiben mir 303 Euro zum Leben. Habe ich Anspruch auf Grundsicherung?
Das kann gut sein. Die Grundsicherung beträgt im Bundesdurchschnitt 688 Euro. Doch auch wenn Ihre Rente höher liegt, können Sie Anspruch auf etwas Geld haben. Schon der angerechnete Bedarf für die Miete ist regional unterschiedlich. Auch wenn Sie beispielsweise gehbehindert sind und einen „Mehrbedarf“ für Transportkosten haben, dürfte Ihr Einkommen höher sein.
Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt Rentnern, die nicht mehr als 756 Euro Rente im Monat bekommen, einen Antrag auf Grundsicherung zu stellen. Sie macht diese Rentner schriftlich darauf aufmerksam, dass sie beim Sozialamt Grundsicherung beantragen können.
Nur 2,5 Prozent der Rentner beziehen Grundsicherung. Mein Eindruck: In der Öffentlichkeit wird ein Miniproblem aufgebauscht, oder?
Viele Rentner, die eigentlich Anspruch auf Grundsicherung haben, beantragen sie gar nicht. Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung verzichten 68 Prozent der Berechtigten auf Grundsicherung im Alter – aus Scham oder weil sie nichts von ihrem Anspruch wissen.
Richtig ist aber auch: Die große Mehrheit der Rentner ist derzeit gut versorgt. Die gesetzliche Altersrente liegt beispielsweise für Männer zwar nur bei durchschnittlich 941 Euro. Doch viele haben weitere Einkünfte.
Nach Angaben der Bundesregierung verfügt ein Rentnerehepaar in Westdeutschland im Durchschnitt über ein Gesamteinkommen von rund 2 340 Euro im Monat, in Ostdeutschland sind es 1 833 Euro. Betriebsrenten, private Renten, Einnahmen aus Vermietung und Zinseinkünfte zählen dabei mit.
Arm dran sind künftig diejenigen, die außer ihrer gesetzlichen Rente keine weiteren Einkünfte haben. Neurentner, die 2011 in den Ruhestand gegangen sind, erhalten im Durchschnitt eine Altersrente von monatlich 680 Euro ausgezahlt. Das ist weniger als die Grundsicherung und viel weniger als der Durchschnitt aller Rentner zurzeit bekommt.
Warum sollen Geringverdiener überhaupt fürs Alter vorsorgen? Sogar die Riester-Rente wird auf die Grundsicherung angerechnet. Dann waren die Riester-Beiträge doch für die Katz.
Ja, derzeit wird die Riester-Rente auf die Grundsicherung angerechnet. Für ältere Menschen, die nur noch wenige Jahre bis zur Rente haben und jetzt schon wissen, dass sie nur die Grundsicherung bekommen, lohnt sich deshalb eine Riester-Rente nach derzeitigem Stand nicht.
Bundesarbeitsministerin von der Leyen überlegt im Zusammenhang mit der Zuschussrente, dass die Riester-Rente zumindest in den Zuschussfällen die Grundsicherung erhöhen soll.
Junge Leute, die so wenig verdienen, dass sie nach derzeitigem Stand im Alter nur die Grundsicherung bekommen, sollten aber schon jetzt einen Riester-Vertrag abschließen. Denn sie müssen selbst nur 60 Euro im Jahr einzahlen, um die staatliche Zulage von mindestens 154 Euro im Jahr zu bekommen. Wenn sie später doch noch einen gut bezahlten Job finden, erwerben sie einen Rentenanspruch über der Grundsicherung. Die Riester-Rente kommt dazu.
Ich bin 57 Jahre alt, wohne in Stuttgart und verdiene rund 50 000 Euro im Jahr. Was habe ich von der gesetzlichen Rentenversicherung?
Das kommt darauf an, wie lange Sie schon so viel verdienen und ob Sie weiterhin dieses Einkommen haben.
Derzeit erwerben Sie pro Jahr einen Rentenanspruch von 43,26 Euro im Monat. Wenn Sie bis zur Rente insgesamt 35 Jahre lang gearbeitet und jedes Jahr so überdurchschnittlich verdient haben wie jetzt, kommen Sie nach derzeitigem Stand auf eine Rente von 1 514 Euro. Aufgrund der Rentensteigerungen wird Ihr Anspruch bei Rentenbeginn jedoch höher sein.
Ich bin 53 Jahre alt, selbstständiger Handwerksmeister und zahle seit vielen Jahren in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Lohnt sich für mich der Ausstieg?
Wahrscheinlich nicht. Als pflichtversicherter Handwerker können Sie sich zwar aus der gesetzlichen Rentenversicherung verabschieden, wenn Sie 18 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. Doch es ist riskant, sich allein auf private Vorsorge und den Kapitalmarkt zu verlassen.
Ein weiterer Grund zu bleiben: Wenn Sie keine Beiträge mehr zahlen, fällt der Invaliditätsschutz der gesetzlichen Rentenversicherung zu gering aus. Mit 53 Jahren bekommen Sie wahrscheinlich keinen bezahlbaren privaten Schutz bei Berufsunfähigkeit mehr.
Auch die Reha-Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sollten Sie sich erhalten – etwa für den Fall, dass Sie sich bei einem Arbeitsunfall schwer verletzen und eine Rehabilitation brauchen.