Der „wohlverdiente Ruhestand“ – im Januar 2018 würde Sozialpädagoge Klaus Kiwi ihn erreichen. Doch Kiwi hat keine Lust auf Ruhe: „Ich arbeite in einem Beruf, den ich mir ohne Zwänge ausgesucht habe und den ich gerne mache. Das ist ja eigentlich ein Geschenk. Ich wüsste nicht, warum ich ihn zu einem bestimmten Datum aufgeben sollte.“
Kiwi gehört zu den Menschen, die sich vorstellen können, trotz Rentenalter weiter zu arbeiten. Das neue Flexirenten-Gesetz gibt ihnen dazu neue Möglichkeiten.
Klar ist: Einige arbeiten aus finanziellen Gründen weiter. Doch zeigen Umfragen, dass dies für die meisten Menschen keineswegs der Hauptgrund ist. Im Vordergrund stehen der Wunsch, durch die Arbeit fitter zu bleiben, und der Spaß am Job.
Auch bei Klaus Kiwi aus Kassel ist das so: „Ich bin ein Mensch, der gerne etwas bewirkt“, sagt der 64-Jährige, „ich bin Sozialpädagoge geworden, obwohl ich wusste, dass man da keine Karriere macht und nicht viel verdient.“ Auch wenn Kiwi trotz 40 Jahren im Berufsleben nur etwas mehr als 1 000 Euro Rente bekommt, ist der finanzielle Aspekt nicht die Hauptmotivation: „Ich habe Wohneigentum und lebe zufrieden auf einem bescheidenen Niveau. Meine Arbeit ist mir wichtig und bedeutungsvoll: Sie ist für mich sinnstiftend.“
Drei Möglichkeiten für längere Arbeit
Kiwi muss sich nun überlegen, welches Modell er für seinen Job nach dem Rentenalter wählt. Er hat drei Wahlmöglichkeiten:
- Kiwi beantragt regulär seine Rente und arbeitet zusätzlich zu seiner vollen Rente weiter.
- Kiwi kann dann entscheiden, ob er trotz Rente weiterhin in die Rentenkasse einzahlt oder nicht.
- Kiwi beantragt die Rente vorerst nicht und lebt vor allem von seinem Gehalt.
Bei der Option Rente plus Gehalt hat der Sozialpädagoge sofort höhere Einnahmen. Er bekäme seine Rente von 1 061 Euro und hätte zusätzlich sein Einkommen. Kiwi zahlt dann keine Rentenbeiträge mehr, wenn er sich nicht aktiv dazu entscheidet. Seine Rente steigt durch die Arbeit nicht mehr. Von den jährlichen Rentenerhöhungen abgesehen, würde sie auf diesem Niveau bleiben.
Wenn er die Rente erst später beantragt, steigt sie. Kiwi möchte nur noch Teilzeit arbeiten. Er würde ungefähr 1 750 Euro Bruttoeinkommen bekommen. Für jeden Monat, den er später in Rente geht, erhöht sich seine Rente um 0,5 Prozentpunkte. Beantragt er seine Rente also erst zwölf Monate nach seinem regulären Renteneintritt, würde sich seine Rente um 6 Prozent erhöhen. Statt 1 061 Euro bekäme er 1 125 Euro. Davon unabhängig würde er noch einmal rund 20 Euro mehr Rente bekommen, weil er ein weiteres Jahr in die Rentenkasse einzahlt.
Kiwi würde bei diesem Modell auf eine Jahresrente von 12 732 Euro verzichten, um nach einem Jahr lebenslang monatlich 64 Euro brutto mehr Rente zu bekommen. Das lohnt sich – wenn man es mit privaten Angeboten für eine Rentenzahlung vergleicht. Überlegen sollte er diesen Schritt trotzdem. Er müsste nach Rentenbeginn noch gut 17 Jahre leben, damit sich die „Investition“ gelohnt hat. Danach macht er mit jeder Rentenzahlung Plus.
Steuern steigen
Dabei ist eingerechnet, dass die höhere Rente etwas dadurch geschmälert wird, dass der steuerpflichtige Anteil der Rente für jeden neuen Rentnerjahrgang steigt. Wenn er 2018 in Rente ginge, müsste er 76 Prozent seiner Rente versteuern. Geht er erst 2019 in Rente, ist schon ein Anteil von 78 Prozent steuerpflichtig. Bis 2040 steigt er auf 100 Prozent.
„Da meine Rente bisher eher gering ist, finde ich die Möglichkeit attraktiv, sie so zu erhöhen“, sagt Kiwi, „aber mir ist bewusst, dass ich damit einen langen Vertrag mit mir selbst eingehe.“
Für Frauen ist diese Möglichkeit tendenziell attraktiver als für Männer, da ihre statistische Lebenserwartung höher ist. Ein Mann, der in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag feiert, hat laut statistischem Bundesamt dann noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von mehr als 17 Jahren, eine gleich alte Frau hat eine Erwartung von 21 Jahren.
Neue Option durch Flexirente
Seit Anfang 2017 gibt es durch die Flexirente die Möglichkeit, auch nach Bewilligung der vollen Regelaltersrente in die Rentenkasse einzuzahlen. Bisher musste der Arbeitgeber zwar auch Rentenbeiträge zahlen, doch erhöhten diese Beiträge die Rente des Arbeitnehmers nicht mehr.
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer, wenn sie eine volle Altersrente beziehen, weiterhin versicherungsfrei und zahlen keine Beiträge mehr zur Rentenversicherung. Neuerdings kann der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber allerdings mitteilen, dass er auf die Versicherungsfreiheit verzichten und damit Rentenbeiträge zahlen möchte. Dadurch erhöhen seine Beiträge und die seines Arbeitgebers die Rente. Einmal im Jahr zum 1. Juli steigt sie dann.
Von seinem Gehalt von 1 750 Euro könnte Kiwi in diesem Fall monatlich rund 164 Euro Rentenbeiträge einzahlen. Nach einem Jahr würde sich seine Rente dadurch um weitere 20 Euro steigern.
Wichtig: Die Rentenzahlungen aus den zusätzlichen Beiträgen werden mit Zuschlägen ausgezahlt. Die erste Auszahlung wird also mit 0,5 Prozentpunkten für jeden Monat nach Erreichen der Regelaltersgrenze erhöht.
Die Möglichkeit, weiter eigene Beiträge in Höhe des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen, hat Kiwi in beiden Modellen. Egal, ob er die Rente beantragt oder nicht, kann er in die Rentenversicherung einzahlen, wenn er weiter arbeitet.
Anspruch besteht nicht
Kiwi hat den Wunsch, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten, frühzeitig bei seinem Arbeitgeber angesprochen. „Er konnte mir aber leider noch nicht zusagen, ob er mich weiter beschäftigen kann, wenn ich 2018 das Rentenalter erreicht habe“, sagt Kiwi . Damit spricht er einen Punkt an, der vielen Arbeitnehmern im Weg steht, wenn sie länger arbeiten wollen: In den meisten Arbeits- und Tarifverträgen steht, dass das Arbeitsverhältnis endet, wenn das Rentenalter erreicht ist. Einen Anspruch darauf, länger zu arbeiten, haben Arbeitnehmer dann nicht. In den wenigsten Fällen ist in den Arbeitsverträgen kein Ende des Arbeitsverhältnisses festgelegt.
Wenn der Arbeitsvertrag endet und der Arbeitnehmer weiter bei seinem Arbeitgeber tätig sein möchte, muss er mit ihm einen neuen Arbeitsvertrag aushandeln. „Das ist etwas lästig“, meint Kiwi, „aber wenn es bei meinem Arbeitgeber nicht klappt, gehe ich auch gerne zu einem anderen Unternehmen.“
Gleiche Rechte als Arbeitnehmer
Mit einem neuen Vertrag sind Arbeitnehmer im Rentenalter anderen Arbeitnehmern weiterhin gleichgestellt. Sie haben den gleichen Anspruch auf Urlaub und Bildungsurlaub und sie bekommen weiter ihr Gehalt, wenn sie krank sind. Es fallen für sie jedoch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung weg. Sollten sie nach Erreichen des Rentenalters arbeitslos werden, bekämen sie daher auch kein Arbeitslosengeld, sondern müssten die Rente beantragen. Mit dem Flexirenten-Gesetz entfällt der Beitrag auch für den Arbeitgeber.
Der neue Vertrag ist auch eine gute Möglichkeit, um über den Umfang der neuen Stelle zu sprechen. Sozialpädagoge Kiwi möchte nicht mehr Vollzeit arbeiten und auch seinen Job etwas umstrukturieren: „Momentan betreue ich fünf Jugendliche mit ihren Familien. Das geht häufig bis in die Abendstunden und die Familien rufen auch mal nachts und am Wochenende an.“ Daher plant er künftig nur noch einen Jugendlichen zu betreuen und mehr an festen Terminen zu arbeiten.
Kiwi will seinen beruflichen Schwerpunkt verändern und noch mehr aus dem machen, womit viele ältere Arbeitnehmer punkten können: seiner Erfahrung. Er hat sich neben seinem Job in den Bereichen Burn-out-Prävention und Aufbau der psychischen Widerstandskraft fortgebildet. In diesen Bereichen gibt er Coachings für Kollegen. Das würde er gerne ausbauen, sagt Kiwi: „Die direkte Konfrontation mit familiären Schicksalen ist psychisch belastend. Da kann ich meine Kollegen unterstützen. Ich kenne alle Höhen und Tiefen dieses Jobs.“
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Kommentar vom Autor gelöscht.
@Klippenland: Solange Sie noch nicht die Regelaltersrente erreicht haben, können Sie noch freiwillige Beiträge nachzahlen. Der Beginn der Regelaltersrente ist abhängig von Ihrem Geburtsdatum. Unter dem folgenden Link finden Sie weitere Informationen zum Geburtsjahr und dem Beginn der Regealtersrente: https://www.test.de/rentenversicherung-5156247-0/ Ob es Vorteile für Sie bringt, wenn das Geld von einer Abfindung stammt oder es direkt vom Arbeitgeber eingezahlt wird, können wir Ihnen leider nicht sagen. (PK)
Bis wann kann freiwillig in die Rentenkasse eingezahlt werden? Ist es auch möglich, wenn die Voraussetzungen für die Rente mit 63 erfüllt sind, z. B. mit 63 und 4 Monaten noch freiwillige Einzahlungen zu leisten? Bringt es Vorteile, wenn der Arbeitgeber direkt einzahlt? Z. B. Geld aus einer Abfindung? Was ist zu beachten?
@sabib: Freiwillig Versicherte können bis zum 31. März für das Vorjahr nachzahlen, für Pflichtversicherte ist das Alter entscheidend. Bis zum 45. Geburtstag können Sie Beiträge für Zeiten zwischen dem 16. und 17. Geburtstag nachzahlen. Wenn Sie inzwischen 50 Jahre alt sind, dann können Sie Abschläge für eine vorzeitige Rente mit 63 leisten, siehe: "Weg 1: freiwillig einzahlen". (AK)
Rente nachzahlen
Leider habe ich bei meinem Anruf (heute 25.Sept.17) bei der Rentenversicherung zu diesem Thema erfahren,das nur Nachzahlungen für das vergangene Jahr und nur bis zum März des neuen Jahres, möglich sind. Lt Sachbearbeiterin gilt die Regelung der Nachzahlung, nur für freiwillig Versicherte gelten und nicht für gesetzlich Versicherte. Es wurde u.a.danach gefragt ob ich selbstständig wäre,oder Hausfrau.
Ich bin angestellt und alleinstehend.
Wenn dem was mir heute telefonisch gesagt wurde stimmt, ist die Information von Stiftung Warentest falsch. ...Oder?! wer kann mir da helfen?!
Ich würde gerne einige Zeiten nachzahlen um meine Rente aufzubessern.