
Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung: Diese Straftaten sind Alltag im Internet. Ein Gesetzentwurf soll Rechtsextremismus und Hasskriminalität besser bekämpfen. Im Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ gehen Kölner Staatsanwälte der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime schon heute dagegen vor. test.de sprach mit Staatsanwalt Christoph Hebbecker. Er bringt Internet-Straftäter vor Gericht.

Herr Hebbecker, was genau tun Sie?
Wir ermitteln strafbare Hasskommentare im Internet und ziehen die Verfasser zur Rechenschaft. Wir Staatsanwälte arbeiten dafür mit Partnern wie dem WDR und der Landesanstalt für Medien NRW zusammen. Sie melden uns verdächtige Kommentare, wir prüfen, ob eine Straftat vorliegt, und leiten gegebenenfalls ein Verfahren ein. Die Identifizierung der Verfasser übernimmt dann das Landeskriminalamt.
Was sind Hasskommentare rechtlich gesehen überhaupt?
Aus Sicht des Strafverfolgers sind das Beiträge, die den Anfangsverdacht einer Straftat begründen. Beispielsweise Volksverhetzung oder Bedrohung. An der Tagesordnung sind auch rassistische oder nationalsozialistische Inhalte.
„Unsere Arbeit ist ein Beitrag zur Meinungsfreiheit“
Und was macht einen Kommentar dann strafbar?
Das kommt auf den Einzelfall und den genauen Wortlaut an. Auch der Kontext und der Beitrag, auf den sich ein Kommentar bezieht, sind maßgebend. Drastische Formen von Meinungen verfolgen wir natürlich nicht. Mit Zensur hat unsere Arbeit daher rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Wir sehen unsere Arbeit als Beitrag zur Meinungsfreiheit.
Können Sie einen abgeurteilten Fall beschreiben?
Gerade konnten wir ein Urteil wegen Beleidigung einer Politikerin erwirken. Der Beschuldigte schrieb der Frau auf ihrer Facebook-Seite: „Sie sind ein dreckiges Miststück, hoffe, Sie sind die erste, die an den Laternen hängt.“ Die Politikerin zeigte das an und wir leiteten ein Strafverfahren ein. Letztlich wurde der Beschuldigte zu einer Geldstrafe verurteilt.
Social-Media-Plattform sollen bei Identifizierung helfen
Wie schaffen Sie es, an die Täter zu kommen?
Die Identifizierung der Beschuldigten ist die größte Schwierigkeit unserer Arbeit. Es gelingt uns leider nicht immer, die Verfasser zu finden. Wir sind darauf angewiesen, Daten von den sozialen Plattformen zu bekommen. Das funktioniert aber nicht immer problemlos. Daher wünschen wir uns einen durchsetzbaren Auskunftsanspruch gegen die Anbieter der Plattformen.
Was halten Sie denn vom Gesetzesentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität?
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass soziale Plattformen bestimmte rechtswidrige Postings samt Nutzerdaten aktiv melden müssen. Wir sind der Auffassung, dass das ein Schritt in die richtige Richtung sein kann. Die Meldepflicht muss aber den Grundrechten der informationellen Selbstbestimmung und der Meinungsfreiheit ausreichend Rechnung tragen. Personenbezogene Daten sollten nur dann übermittelt werden, wenn auch tatsächlich der Verdacht einer Straftat besteht. Was diese Datenübermittlung angeht, sind aus unserer Sicht noch einige Fragen ungeklärt.
Tipp: Mehr zum Thema Kommentare in sozialen Medien in unserem Special Die Grenzen der Meinungsfreiheit.
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- Wer andere im Netz kritisiert, muss sich an Regeln halten. Unser Knigge für Onlinekritik klärt, wo das Recht auf freie Meinungsäußerung endet.
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- Der Bundesgerichtshof hat das soziale Netzwerk Facebook in seine Schranken verwiesen: Es darf in Deutschland vorerst nicht weiter uneingeschränkt Nutzerdaten...
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- Amazon, Google, Apple, Microsoft und Facebook – die Enthüllungen der letzten Monate haben gezeigt: Wo sogenannte „künstliche Intelligenz“ zur Spracherkennung...
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@warg: Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität steht in seiner Ausformulierung tatsächlich noch verschiedenen kritischen Stimmen gegenüber. Eine eigene juristische Bewertung hierzu liefern wir nicht. Aktuelle Informationen, offizielle Bewertungen und Stellungnahmen finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz(https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Bekaempfung_Rechtsextremismus_Hasskriminalitaet.html)
Diesen Diskurs zum Anlass nehmend, stellen wir das Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ vor. Es zeigt, wie Staatsanwälte auch ohne das oben genannte Gesetz schon heute gegen Hasskriminalität vorgehen können. Medienpartner, wie der WDR melden der Kölner Staatsanwaltschaft dafür verdächtigte Kommentare auf sozialen Plattformen, wie Facebook. Die Staatsanwälte prüfen diese und leiten gegebenenfalls ein Verfahren ein. (dda)
Das Interview ist aus meiner Sicht leider viel zu wenig aussagekräftig und auch zu unkritisch: zu wenig Tiefgang, zu wenig kritisches Hinterfragen. Mich würde beispielsweise interessieren, wie die organisatorische/verwaltungstechnische/prozessuale Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und WDR sowie Landesanstalt für Medien NRW aussieht und wie man die Massen an Kommentaren, die ggf. in Zukunft automatisch an eine Aufsichtsbehörde gemeldet werden sollen, bearbeitet wird, schon aufgrund der Menge der Daten. Ebenso fehlt mir die kritische rechtliche Bewertung zu dem Vorgehen. Es wird unter Juristen darüber nicht nur positiv gesprochen bzw. es als problemfrei eingeschätzt. Könnt ihr das bitte nochmal erweitern, Stiftung Warentest?