
Nach der Finanztest-Untersuchung von geschlossenen Immobilienfonds diskutiert die Branche, ob ein Fonds mehr als 50 Prozent des für den Kauf der Immobilien benötigten Kapitals als Kredit aufnehmen darf. Finanztest hatte solche Fonds wegen der erhöhten Risiken für Anleger nicht weiter untersucht und erklärt jetzt im Detail, warum hohe Kredite in Fonds für Anleger riskant sind.
Gesetzentwurf sieht höhere Kreditanteile vor
Vier von 58 Fonds flogen aus dem Test Geschlossene Immobilienfonds, weil sie für den Immobilienkauf mehr als 50 Prozent Fremdkapital einsetzen wollen. Finanztest hält solche Fonds für zu riskant für Anleger. Vor allem die Initiatoren solcher Fonds haben sich darüber geärgert. Sie argumentieren, dass sich eine hohe Fremdkapitalaufnahme positiv auf die Rendite auswirkt. Auch verweisen sie darauf, das die in einem Gesetzentwurf zu „Alternativen Investmentfonds“ vorgesehene Beschränkung auf 30 Prozent Fremdkapital für einen Fonds inzwischen auf 60 Prozent erhöht wurde. Das Gesetz, das unter anderem Investitionen in geschlossene Fonds neu regelt, soll bis Juli 2013 eine Richtlinie der Europäischen Union umsetzen.
Mit der Kredithöhe steigt auch das Anlegerrisiko
Nimmt ein Fonds aber neben dem Eigenkapital Kredite auf um mehr und teurere Immobilien kaufen zu können, erhöhen sich Chancen und Risiken der Anleger beträchtlich. Läuft der Fonds gut, verdienen die Anleger nicht nur für das selbst eingesetzte Geld. Mit der kreditfinanzierten Immobilie wird zusätzlich verdient, die Rendite der Anleger für ihren Einsatz erhöht sich. Läuft der Fonds aber schlecht, verdient nur das Kreditinstitut einfach weiter. Die Anleger müssen auch aus ihrem Einsatz Bankkredite und ihre Zinsen bis zum letzten Cent bezahlen. So kann die Anlage in einem geschlossenen Fonds im Totalverlust enden, obwohl mit dem Geld ja ursprünglich Sachwerte erworben wurden.
Wie Fonds Gewinne erzielen
Finanztest hat anhand eines Beispiels nachgerechnet, wie sich eine hohe Kreditaufnahme auf die Anlegerrendite auswirkt. Gewinne erwirtschaftet ein geschlossener Immobilienfonds mit der Fondsimmobilie. Es werden Mieten gezahlt und beim Verkauf der Immobilie fließt der dann aktuelle Marktwert der Immobilie zurück. Von den Gewinnen müssen die Kosten des Fonds abgezogen werden. Zu Beginn der Investition fallen Anfangskosten für den Notar, diverse Gutachter, Makler und sonstige Dienstleister sowie für Vermittlerprovisionen an, die der Anleger zahlt.
So errechnet sich die Netto-Objektrendite
Haben Fondsanbieter so viel Eigenkapital eingesammelt, dass sie keinen Kredit aufnehmen müssen, ergibt sich aus der Investitionssumme und den Rückflüssen wie Miete und Verkaufspreis abzüglich laufender Kosten die sogenannte Netto-Objektrendite. Sie beträgt beispielsweise beim Immobilienfonds Domicilium 9 des Anbieters Hamburg Trust 4,9 Prozent. In den Prospekten findet man diese Angabe in der Regel nicht. Diese Rendite ist vergleichbar mit den Renditen anderer Anlageformen, bei denen intern keine Finanzierung vorliegt. Dabei ist das jeweilige Risiko zu beachten. Für praktisch risikofreie Hypothekenpfandbriefe mit 15 Jahren Laufzeit gibt es mit Stand Oktober 2012 zirka 2,4 Prozent Rendite. Die Differenz zu 4,9 Prozent ist die Risikoprämie. Steuern berücksichtigt Finanztest bei dieser Berechnung nicht, sie ändern auch nichts Wesentliches an den Schlussfolgerungen.
Vorteile einer Kreditfinanzierung
Viele Fonds werden von Anfang an so geplant, dass die Anleger nicht die gesamte notwendige Investitionssumme als Eigenkapital einzahlen müssen. Wird ein Teil der Anlagesumme in Form eines Bankkredites aufgenommen, bringt dies bei planmäßigem Verlauf dem Anleger eine Zusatzrendite. Der Zins für den Bankkredit muss dafür niedriger sein als die Netto-Objektrendite. Im Beispiel verlangt die Bank 3,5 Prozent Zinsen. Für die Berechnung geht Finanztest davon aus, dass der Zins für die gesamte Laufzeit (hier 16 Jahre) festgeschrieben ist und das Darlehen nicht laufend, sondern erst am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückgezahlt wird. Bei 50 Prozent Kreditaufnahme steigt die Anlegerrendite von 4,90 Prozent auf 6,06 Prozent. Diese Rendite wird auch als „Rendite nach Finanzierung, vor Steuern“ bezeichnet. Bei nur 30 Prozent Kreditaufnahme ist die Anlegerrendite im Beispiel „nur“ 5,42 Prozent.
Nachteile einer Kreditfinanzierung
Damit entsteht der Eindruck, dass sich eine hohe Fremdkapitalaufnahme für den Anleger positiv auswirkt. Dies ist jedoch nur bei positivem Verlauf richtig. Wenn nämlich die Netto-Objektrendite wegen eines nicht planmäßigen Verlaufs der Investition geringer ausfällt, geht dies stark zu Lasten des Anlegers. Gehen zum Beispiel die Mieteinnahmen Jahr für Jahr gegenüber der Planung um 2,5 Prozent zurück, fehlen im zweiten Jahr schon 5,0 Prozent – und so weiter. Im sechzehnten Jahr fehlen dann 40 Prozent an Mieteinnahmen. Ebenso sinkt entsprechend der Verkaufspreis gegenüber der Prospektangabe um 40 Prozent. Alle anderen Kosten – insbesondere die Zinsen – bleiben unverändert. Dann beträgt die Netto-Objektrendite statt 4,90 Prozent nur noch 1,71. Sie liegt damit deutlich unter dem Zins von 3,5 Prozent für die Kreditaufnahme. Der Anleger muss nun erstmal Zins und Tilgung tragen, es bleibt für ihn dann nicht mehr genug übrig, um seinen Kapitaleinsatz zurück zu erhalten. Seine Rendite ist nun mit –0,74 Prozent pro Jahr negativ.
So verändert sich die Rendite bei sinkenden Mieten
In der folgenden Tabelle sind weitere Fälle mit unterschiedlichem Fremdkapitalanteil und unterschiedlicher Miet- und Verkaufspreisminderung enthalten. Die Mietminderung pro Jahr und die Minderung des Verkaufspreises hängen dabei zusammen. Wenn die Miete Jahr für Jahr um 1,25 Prozent niedriger ausfällt als prognostiziert, fehlen im 16ten Jahr 16 × 1,25 Prozent = 20 Prozent an Miete. Dann wird auch der Verkaufspreis um 20 Prozent niedriger sein, weil sich jeder Käufer an der aktuell verdienten Miete orientiert.
Minderung Mieteinnahmen | Minderung | Rendite in % p.a. bei Fremdkapitalanteil von ... % | |||
0 | 30 | 40 | 50 | ||
Minderung Mieteinnahmen | Minderung | Rendite in % p.a. bei Fremdkapitalanteil von ... % | |||
0 | 30 | 40 | 50 | ||
0,0 | 0 | 4,9 | 5,4 | 5,7 | 6,0 |
0,6 | 10 | 4,2 | 4,5 | 4,6 | 4,9 |
1,2 | 20 | 3,4 | 3,4 | 3,4 | 3,4 |
1,9 | 30 | 2,6 | 2,2 | 2,0 | 1,7 |
2,5 | 40 | 1,7 | 0,8 | 0,2 | -0,7 |
3,1 | 50 | 0,6 | -1,0 | -2,3 | -4,7 |
Die Tabelle zeigt die Risiken eines hohen Fremdkapitalanteils. Je höher die Fremdkapitalquote, desto negativer wirkt sich ein nicht planmäßiger Verlauf eines Fonds auf die Rendite des Anlegers aus. Bei den Berechnungen wird unterstellt, dass das Fremdkapital ohne weitere Kosten durch Eigenkapital ersetzt wird. Da Eigenkapital in der Praxis aber viel höhere Beschaffungskosten aufweist, würde die Rechnung bei Berücksichtigung der höheren Beschaffungskosten noch schlechter ausfallen.
Über 50 Prozent Fremdkapital zu riskant für Anleger
Laut Prospekt darf sich der Anleger im Beispielfonds Domicilium 9 bei 50 Prozent Fremdkapital auf 5,92 Prozent Rendite freuen - vorausgesetzt die Prognosen des Anbieters treten so ein wie geplant. Bei einem Fremdkapitalanteil von 30 Prozent könnte der Fonds nur 5,31 Prozent Rendite versprechen. Läuft die Investition aber nicht planmäßig und gehen die Einnahmen Jahr für Jahr um 2,5 Prozent gegenüber der Planung zurück, wobei der Verkaufspreis um 40 Prozent sinkt, so ist die Rendite für den Anleger bei 50 Prozent Fremdkapitalanteil –0,74 Prozent, es entsteht also ein Verlust. Insgesamt verliert der Anleger 6,9 Prozent der Investition. Bei 30 Prozent Fremdkapitalanteil wären immerhin noch 0,77 Prozent Rendite übrig, in diesem Fall würde der Anleger wenigstens etwas mehr als sein Geld zurück bekommen.