Ein neues Gesetz verpflichtet Anbieter, die Kriterien für ihre Investitionen genau zu beschreiben. Mit wenig Erfolg, wie unser Test zeigt.
Kaum zu glauben. Seit 2013 schreibt das Kapitalanlagegesetzbuch Anbietern geschlossener Fonds vor, sich in einem Dokument auf Anlagebedingungen festzulegen. Doch das nützt Anlegern so gut wie nichts. Das zeigt unser Test von 18 Fonds, die in Immobilien in Deutschland investieren. Diese Fonds, auch Alternative Investmentfonds (AIF) genannt, werden für Anleger geschlossen, sobald genug Kapital da ist.
Statt dass die Anlagebedingungen genau erklären, wo und in was die Fonds investieren und was das kostet, liefern sie zu so wichtigen Punkten wie Lage, Nutzungsart, Mieterstruktur, Kosten und Gewinnaussichten nur nebulöse Informationen. Das geht, weil das Gesetz Anbietern große Spielräume lässt und sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) nicht daran stört. Sie hat die Anlagebedingungen aller 18 Fonds geprüft und genehmigt.
Für Privatanleger ist das vor allem dann bitter, wenn die Immobilien noch nicht bekannt sind (Blindpools). Stehen sie bei Vertriebsstart bereits fest, erfahren Anleger in den Verkaufsprospekten einiges (Von Prospekt bis Analyse – wo was steht). Hat ein Fonds noch nichts oder wenig gekauft, wenn Anleger Anteile zeichnen, können sie sich auch mit den Anlagebedingungen kein genaues Bild machen.
Viele Fonds verfehlten ihre Prognosen
Das ist aber nötig, denn sie beteiligen sich für viele Jahre meist mit Beträgen ab 10 000 Euro an den Fonds. Jeder Anleger wird Mitunternehmer und profitiert von den Einnahmeüberschüssen und Verkaufserlösen der Immobilien. Er haftet aber auch mit seiner Einlage für Verluste. In der Vergangenheit passierte das oft. Viele Fonds verfehlten ihre Prognosen oder bescherten Anlegern kräftige Verluste, wie unser Test „Schlimme Bilanz“ aus dem Jahr 2015 bewies.
Zum Teil lag das an unredlichem Verhalten. Die Bundesregierung stellte die Anbieter deshalb mit dem neuen Gesetz unter stärkere Kontrolle und zwang sie, Anleger noch umfangreicher als bisher zu informieren, unter anderem mit den neuen Anlagebedingungen (Von Prospekt bis Analyse – wo was steht).
Gefährliche blinde Investitionen
Das war gut gemeint. Die Bafin wollte unter anderem verhindern, dass Anbieter weiterhin weitgehend freie Hand haben, was sie mit dem Anlegergeld machen. Sie stellte daher Kriterien auf, um solche „reinen Blindpoolkonstruktionen“ zu verhindern.
Die Kriterien bieten aber viel Spielraum. Es gibt weiterhin Blindpools, bei denen noch gar keine Immobilien feststehen, und neuerdings mehr Teil-Blindpools. Bei beiden können Anleger kaum einschätzen, ob sich eine Investition lohnen kann.
Einige Beispiele: Die LHI Capital Management wirbt auf ihrer Internetseite zu ihrem Immobilienfonds Baden-Württemberg I mit dem Slogan: „Auf die Lage kommt es an.“ Die beiden noch zu kaufenden Immobilien sollen laut den Anlagebedingungen in „innerstädtischen oder innenstadtnahen Lagen“ mit positiven Perspektiven, möglichst in den wichtigsten Städten und Regionen des Bundeslandes liegen. Schon allein Oberzentren wie Pforzheim und Stuttgart unterscheiden sich aber stark. Das Gleiche gilt für Lagen innerhalb einer Stadt.
Anleger müssen blind darauf vertrauen, dass die Fondsmanager wirtschaftlich attraktive Immobilien aussuchen. Dabei gehören die Anlagebedingungen des LHI-Fonds noch zu den konkretesten, die wir analysiert haben.
Wichtige Angaben sind freiwillig
Viele für die Beurteilung von Immobilien wichtige Angaben, etwa zur Lage, zum Baujahr oder zur Bonität der Mieter, können die Anbieter machen, sie müssen es aber nicht. Entsprechend reizen viele Anbieter die Spielräume im Gesetz bis an die Grenzen aus. So ließen zum Beispiel 15 der 18 Anlagebedingungen eine Kreditaufnahme bis zum gesetzlichen Limit von 60 Prozent des Werts der Vermögensgegenstände zu.
Real I.S. Grundvermögen etwa erlaubt sich Investitionen mit den Nutzungsarten „a) Geschäfts- und Bürogebäude; b) Einzelhandelsimmobilien; c) Logistikimmobilien; d) Hotelimmobilien; e) Wohnimmobilien sowie f) aus den vorstehenden Nutzungsarten bestehende gemischt genutzte Immobilien.“ Die Risiken von Hotels, Wohnungen, Einkaufszentren oder Logistikzentren unterscheiden sich aber gewaltig.
Einige Anbieter machen zwar konkrete Angaben zu bestimmten Bereichen, lassen aber andere wichtige Angaben weg, sodass sich Interessenten kein Gesamtbild machen können. Der Habona Einzelhandelsfonds legt zwar fest, dass vor allem Neubauten mit einer Mindestgröße erworben werden. Die dürfen aber überall in Deutschland stehen, von der boomenden Metropole bis zum Dorf in einem strukturschwachen Gebiet.
Fonds gewährt sich viele Freiheiten
Besonders viele Freiheiten lässt sich der Fonds Project Wohnen 14 des Immobilienprojektentwicklers Project aus Bamberg. Er investiert laut Verkaufsprospekt in zehn Projekte in mindestens drei Metropolregionen, überwiegend in Deutschland.
Laut Anlagebedingungen kann das Geld aber komplett in anderen Ländern der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) investiert werden. Metropolregionen definiert Project zudem sehr großzügig: Dazu zählen alle Regionen, in deren Einzugsbereich mindestens 400 000 Einwohner leben. Davon gibt es viele im EWR. Darüber hinaus darf der Fonds auch noch in andere geschlossene Fonds investieren.
In einer Präsentation für den Vertrieb begründet Project die weit gefassten Anlagebedingungen damit, dass sie „faktisch nicht mehr geändert werden können“.
Das stimmt nicht. Die Bafin muss Änderungen allerdings genehmigen. Bei wichtigen Punkten müssen auch die Anleger zustimmen. Geschafft hatte das zum Beispiel der Immobilienhandelsfonds Fairvesta Mercatus XI im Jahr 2014, dessen Anlagebedingungen wir nicht analysiert haben. Er hat seine ursprünglich sehr strengen Vorgaben zum maximal akzeptablen Kaufpreis aufgeweicht. Das war angesichts der gestiegenen Immobilienpreise offenbar notwendig, um genug Objekte zu finden.
Auch sein Nachfolgerfonds Alocava XII, dessen Bedingungen wir geprüft haben, hat die neuen Kaufkriterien bekommen. Neben ihm legt nur ein weiterer Fonds, der Immac 77, ebenfalls Vorgaben zur Mindestmietrendite fest. Beide Fonds drücken dies als Vielfaches der Jahresnettokaltmiete aus.
Prognoserechnungen fehlen meist
Verbindliche Renditevorgaben für die Investitionen finden Anleger leider nur selten in den Bedingungen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch in den Verkaufsprospekten nur noch selten eine Prognoserechnung abgedruckt ist. Gerade mal 2 der 18 Fondsprospekte enthielten sie. Früher war sie üblich. Anleger konnten daran erkennen, ob ein Anbieter sehr optimistisch oder eher realistisch kalkuliert hat.
Dagegen müssen die Anbieter nun genau aufzählen, wofür im Fonds Kosten anfallen. Diese Positionen müssen sie aus einer vorgegebenen Liste auswählen. Das soll Anleger vor Schlawinern schützen, die den Fonds die merkwürdigsten Aufwendungen bezahlen lassen.
Der Nachteil: Für Laien sind die Listen wenig übersichtlich. Die detaillierte Aufstellung jeder einzelnen Kostenposition verstellt nämlich den Blick auf die Gesamtkosten der Anlage. Die sollten Anleger aber kennen. Am besten ist es, in einem anderen Dokument, den „Wesentlichen Anlegerinformationen“, nachzuschauen. Sie müssen einen Kostenüberblick enthalten und vom Fondsanbieter vor Vertragsabschluss übergeben werden (Von Prospekt bis Analyse – wo was steht).
Anbieter müssen in den Anlagebedingungen auch sagen, ob und aus welchem Grund sie Derivate nutzen. Solche Finanzgeschäfte bieten die Chance, Investitionen besonders günstig zu finanzieren. Sie können sich aber auch ungünstig entwickeln. Dann muss der Fonds viel mehr bezahlen als erhofft. In der Vergangenheit gerieten einige Fonds deshalb in Schieflage, obwohl ihre Immobilien gut liefen.
Texte zu kompliziert
Anbieter drücken sich auch für Laien unnötig kompliziert aus. Teilweise werfen sie mit Paragrafen um sich, die nur Experten verstehen, die das Kapitalanlagegesetzbuch neben sich liegen haben. So heißt es beim Fonds Patrizia Grundinvest Campus Aachen: „Vorbehaltlich von Abs. (3) dürfen Kredite von der Gesellschaft nur bis zur gemäß § 263 Abs. 1 KAGB gesetzlich vorgesehenen Höhe“ aufgenommen werden.
Das lässt sich auch verständlich ausdrücken: Die Kreditaufnahme ist bis zu 60 Prozent des Verkehrswerts der Immobilien und sonstigen Vermögensgegenstände des Fonds möglich. Bis zu 18 Monate lang kann der Prozentsatz am Anfang höher sein.
Es wäre sinnvoll, wenn die Anbieter nicht in erster Linie an die Bafin denken, wenn sie die Anlagebedingungen verfassen, sondern an die Anlageinteressenten.
Wenn die Anlagebedingungen so unverständlich und vage gehalten werden, bringen sie Anlegern wenig bis nichts. Das lässt sich zwar verschmerzen, wenn schon alle Vermögensgegenstände eines Fonds bekannt und ohnehin im Verkaufsprospekt beschrieben sind. Bei Blindpools sollten es sich Anleger dagegen gut überlegen, ob sie ihnen ihr Geld anvertrauen.
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