Geschäfte mit der Eitelkeit Die Bauchpinsler

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Ein Schweizer Verlag gibt Hinz und Kunz das Gefühl, prominent zu sein, und verdient mit dieser Masche gutes Geld.

Es klingelt. Martin W.* aus Berlin geht an das Telefon. Eine Minute dauert das Gespräch mit der Frau von der Who-is-Who-Redaktion. Dann legt Martin W. auf, überlegt einen Moment und strahlt. Soeben hat ihm die Anruferin eröffnet, er sei auserwählt worden und werde in die neueste Ausgabe des Who is Who aufgenommen. Am Telefon hat er schon einem Termin zugestimmt: Ein Redakteur soll in einem persönlichen Interview den Werdegang des Rechtsanwalts aufnehmen.

So wie Martin W. geht es vielen Selbstständigen, Ärzten, Rechtsanwälten oder Geschäftsleuten, die mit Berufsbezeichnung oder ihrer Firma im Telefonbuch stehen. Nichtprominente Leute erhalten ähnliche Anrufe ­ immer mit der gleichen frohen Botschaft. "Herzlichen Glückwunsch, Sie sind uns für eine Aufnahme in ,Hübners blaues Who is Who empfohlen worden." Der Anruf kommt seriös daher und der Name "Who is Who" öffnet Tür und Tor.

Doch die Angerufenen lassen sich auf eine geniale Geschäftsidee ein. Anstelle eines Prominentenlexikons legt der Verleger Ralph Hübner ein Who is Who für jedermann auf. Durch Call-Center lässt der Schweizer Who-is-Who-Verlag potenzielle "Prominente" anrufen und schickt ihnen einen Vertreter getarnt als "Redakteur" nach Hause. Viele der Angerufenen verwechseln jedoch "Hübners blaues Who is Who" mit anderen Prominentennachschlagewerken, zum Beispiel mit dem "Wer ist Wer? Das Deutsche Who's Who" aus dem Schmidt Römhild Verlag.

Ein Lexikon für über 1.000 Mark

Die "Who-is-Who-Redakteurin" betonte zwar am Telefon, der Eintrag sei kostenlos. Doch sehr bald geht es auch ums Geld. Nach einem schmeichelhaften persönlichen Interview mit dem "Redakteur" erfährt der Who-is-Who-Aspirant, dass für ein Foto zum Lexikoneintrag 264 Mark fällig werden. Wer mit dem Eintrag und dem Foto vor seiner Familie oder Kollegen brillieren möchte, braucht eine Ausgabe zur Hand. Das billigste Exemplar gibt es zum "Interviewsonderpreis" bei Vorauskasse von 661 Mark. Die Ausgabe in Leder mit Goldschnitt und Namensprägung kostet 1.033 Mark bei Vorkasse ­ die Luxusausgabe sogar stattliche 1.990 Mark.

Für Verleger Ralph Hübner ist das seit 1997 jährlich erscheinende deutsche Who is Who ein lohnendes Geschäft. Er rechnet mit der Eitelkeit der Menschen: Im "Zustand des Stolzes ordert man natürlich wesentlich bereitwilliger als sonst ein Werk , ohne vorher nachzudenken, was der Erwerb eines solchen Werkes bringt", heißt es in einem internen Rundschreiben des Verlags an seine Redakteure.

Zwar preist der Verlag sein Nachschlagewerk im Vorwort als bewährte "Grundlage wissenschaftlicher und publizistischer Arbeit" an. Doch das Lexikon ist ein Potpourri sympathischer Menschen wie du und ich. Optiker, Architekten oder Ärzte finden sich auf vielen Doppelseiten, dazwischen eingestreut einige Biografien prominenter Politiker oder Sportler. Vor der Vita von Bundeskanzler Gerhard Schröder steht zum Beispiel ein Friseurmeister aus Niedersachsen. Nach dem Kanzler ein Gebäudemeister und staatlich geprüfter Desinfektor aus Sachsen-Anhalt.

Eine Namensänderung bringt das Geschäftskonzept des Verlags auf den Punkt. Die "Who is Who Prominentenenzyklopädie AG" wurde 1997 in eine "Who is Who Personenenzyklopädie AG" umbenannt.

Die eine Gruppe der "Who-is-Who- Prominenz" nimmt ihren Eintrag ins Lexikon als längst überfällig hin und ist mächtig stolz. Misstrauische Zeitgenossen kommen dagegen spätestens beim Eintreffen der Rechnung ins Grübeln und wenden sich vielfach an die Verbraucherzentralen. "Wir haben seit 1997 regelmäßig Anfragen zum Who-is-Who-Verlag", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Meist geht es darum, ob der Verlag seriös ist oder aber wie man aus einem Vertrag wieder herauskommt."

Diese Frage beschäftigt viele dann, wenn sie sich die Fußnoten im Vertrag genau durchlesen. "Stornomöglichkeiten ab zwei Veröffentlichungen jeweils sechs Monate vor jedem Erscheinungstermin" steht da im Kleingedruckten. Jeder, der den entsprechenden Passus nicht entdeckt und rausstreicht, hat also mit seiner Unterschrift das Foto für mindestens zwei Ausgaben bestellt und bezahlt zweimal 264 Mark. Wer anschließend noch die Kündigungsfrist verpasst, zahlt sogar noch für eine dritte Auflage.

Vertreter oder Redakteur?

Mit der Arbeit eines Redakteurs hat dieser Photo- und Bücherverkauf wenig gemeinsam. Auch die Bezahlung der Who-is-Who-"Journalisten" soll derjenigen von Vertretern ähneln. Nach einem Provisionssystem mit Umsatzbeteiligung sollen die freien "Redakteure" bezahlt werden. Finanztest liegt ein Vertrag aus dem Jahr 2000 vor, nach dem "Redakteure", die einen monatlichen Umsatz bis zu 20.000 Mark erreichen, 17 Prozent vom Umsatz erhalten sollen. Wer 20.000 bis 22.000 Mark in die Kasse des Verlags wirtschaftet, soll 27 Prozent vom Umsatz erhalten. Und Verkaufskanonen, die mehr als 22.000 Mark Umsatz machen, dürfen mit 30 Prozent Beteiligung rechnen. Nicht "Redakteur" sondern "Handelsvertreter" heißen die Mitarbeiter richtigerweise in diesem Vertrag.

Finanztest konfrontierte Hübners Who-is-Who-Verlag schriftlich mit diesen Rechercheergebnissen. Per E-Mail und Post erreichte uns lediglich allgemeines Pressematerial. Konkrete schriftliche Fragen ignorierte der Verlag. Auch ob er mit Call-Centern zusammenarbeite, teilte er Finanztest nicht mit. Stattdessen schrieb uns Ralph Hübner: Seine Redakteure arbeiten "so wie die meisten Journalisten arbeiten". Außerdem wolle er Finanztest zunächst bezüglich des seriösen Umgangs mit Unternehmen überprüfen, bevor wir weitere Informationen erhalten sollen.

Prominente unter sich

Der Verlag hat noch mehr Produkte für den Markt der Eitelkeiten im Angebot. Neuester Clou: Grundstücke auf einer Prominenteninsel vor Panama. Taborcillo heißt das Eiland, das dem Westernhelden John Wayne früher einmal gehört haben soll. Der Verlag nennt die Insel ein "Paradies auf Erden".

Um an dieser Idylle teilzuhaben, muss sich der künftige Inselbewohner auf das bewährte Modell des "anonymen Grundbesitzes" einlassen. Er kauft eine stimmrechtslose Namensaktie für derzeit 17.271 US-Dollar (Stand August 2001). Der Käufer erhält zusätzlich zu seiner Aktie ein verbrieftes Nutzungsrecht für eine genau bezeichnete 500 Quadratmeter große Parzelle im Inselinneren. Ein Strandgrundstück kostet 51.814 US-Dollar (= 3 Aktien). Der Nennwert einer Aktie beträgt laut Verkaufsprospekt lediglich 4.840 Dollar. Wo die Aktie gehandelt wird und wie es zu dem Kursanstieg kommt, ist nicht nachvollziehbar. Dem Prinzip von Angebot und Nachfrage folgt der Preis jedenfalls nicht. Denn auf einem Drittel der Aktien und damit der Grundstücke sitzt die Betreibergesellschaft nach telefonischen Angaben des Who-is-Who-Verlags immer noch.

Die Deutsche und Schweizerische Schutzgemeinschaft für Auslandsgrundbesitz e.V. warnt vor solchen Geschäftsmodellen. "Der Aktionär ist hier rechtlos gestellt. Ob die Firma wirklich existiert, kann kein Mensch überprüfen", moniert Wolfgang Sommerfeld von der Schutzgemeinschaft. Problematisch ist außerdem, dass ein Hausbau im Alleingang unmöglich ist. Nur in Allianz mit der Aktiengesellschaft funktioniert das Bauen. Doch auf diese Gesellschaft kann der Aktionär keinen Einfluss nehmen. Seine Aktien sind stimmrechtslos.

Einige unzufriedene Aktionäre der "Owners of Taborcillo Corp." spielen mit dem Gedanken, sich wieder von ihren Aktien zu trennen. Es ärgert sie, dass auf der Insel entgegen den Versprechungen auf "ihren" Grundstücken noch immer nicht gebaut wurde.

Außerdem sollen die Betriebskosten auf der Prominenteninsel explodieren. Nach Angaben eines Käufers der ersten Stunde wurden Nebenkosten in Höhe von 20 US-Dollar pro 500 Quadratmeter Parzelle und Monat in Aussicht gestellt. Stattdessen haben sich die Kosten verdoppelt. 480 US-Dollar (gut 1.030 Mark) müssen Aktionäre jährlich für ein Grundstück bezahlen, das sie nicht bewohnen können.

Bloß gut, dass nicht jeder die Inselgrundstücke kaufen darf. Sie sind laut Werbeprospekt nur "Who-is-Who-Persönlichkeiten" vorbehalten.

* Name ist der Redaktion bekannt.

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martinfischer2010 am 21.04.2011 um 14:09 Uhr
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