Geplatzte Immobilien­kredite

Tipps

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test.de erklärt, wie Kreditnehmer nach Kündigung wegen Zahlungs­verzug rechts­widrig kassiertes Geld zurück erhalten.

  • Prüfung. Die Abrechnung Ihrer Bank ist falsch, wenn dort außer der bis zum Zeit­punkt der Kündigung ausstehenden Zins­zahlungen und der Rest­schuld („Kapital“) nicht nur Verzugs­zinsen (höchs­tens 2,5 Prozent über dem Basiszins­satz von aktuell - 0,83 Prozent), sondern auch eine Vorfälligkeits­entschädigung auftaucht. Laut Bundes­gerichts­hof (BGH) stehen Banken nach Kündigung von mit Verbauchern abge­schlossenen Kredit­verträgen wegen Zahlungs­verzugs nur Verzugs­zinsen und kein weiterer Schaden­ersatz zu.
  • Verbraucherzentralen. Fragen Sie im Zweifel in der Baufinanzierungs­beratung Ihrer Verbraucherzentrale nach.
  • Rück­forderung. Wenn die Forderung Ihrer Bank – etwa durch Auszahlung des Zwangs­versteigerungs­erlöses – inzwischen ausgeglichen ist, fordern Sie, Ihnen die Vorfälligkeits­entschädigung samt Zinsen zu erstatten. Setzen Sie eine Frist. Dabei helfen Ihnen die Musterbriefe, die die Stiftung Warentest zum Thema erarbeitet hat. Beachten Sie: Die Forderung auf Erstattung von vor mehr als zehn Jahren gezahlten Beträgen ist sicher verjährt. Wenn sie erst ab 1.1.2014 die Vorfälligkeits­entschädigung gezahlt haben, ist die Forderung auf Erstattung sicher nicht verjährt. Noch bis Ende 2017 können Sie Erstattung im Jahr 2014 gezahlter Beträge auf jeden Fall verlangen. Umstritten ist, ob sie darüber hinaus auch die Erstattung von vor bis zu zehn Jahren gezahlten Beträgen fordern können.
  • Aufrechnung. Sofern Sie der Bank wegen des geplatzten Kredits noch Geld schulden, rechnen Sie die Forderung der Bank mit Ihrer Forderung auf Erstattung der Vorfälligkeits­entschädigung auf. Es ist dann egal, wann Sie die Vorfälligkeits­entschädigung gezahlt haben. Die Aufrechnung ist auch mit verjährten Forderungen zulässig. Stellen Sie gegebenenfalls klar, dass etwaige Einzugs­ermächtigungen nicht für durch die Aufrechnung erloschene Forderungen gelten. Auch dabei helfen Ihnen die Musterbriefe der Stiftung Warentest.
  • Privat­insolvenz. Wenn Sie in einem Privat­insolvenz­verfahren stecken, informieren Sie unbe­dingt den Treuhänder.
  • Beratung. Möglicher­weise wird Ihre Bank oder Sparkasse trotz des BGH-Urteils nicht zahlen, auch wenn Sie die Forderung mit Hilfe des Musterbriefs gut begründet haben. Schalten Sie einen im Bank- und Kreditrecht erfahrenen Rechts­anwalt ein, wenn die Bank die Erstattung verweigert oder von Ihnen trotz Aufrechnung weiter Zahlung der Vorfälligkeits­entschädigung verlangt. Besonders geeignet sind Rechts­anwälte, die schon mit Erfolg Verbraucher im Streit um ein Immobiliendarlehen mit der Bank vertreten haben. Sie können die Erfolgs­aussichten ihrer Forderung in einer höchs­tens 249,90 Euro teuren Erst­beratung prüfen lassen. Wenn sich zeigt, dass die Bank das Geld von Ihnen zu Unrecht kassiert hat oder kassieren will, zahlt sie am Ende auch alle Gerichts­kosten und Anwalts­honorare.
  • Gläubiger. Wenn Sie Gläubiger in einem Privat­insolvenz­verfahren sind, in dem auch eine Bank Forderungen aus einer Immobilien­finanzierung angemeldet hat: Lassen Sie den Treuhänder prüfen, ob die Forderung in voller Höhe berechtigt ist oder auch dort die Bank zu Unrecht eine Vorfälligkeits­entschädigung verlangt und sich so Ihre Aussichten auf Zahlung verschlechtert.
  • Unternehmer. Auch wenn Sie den später geplatzten Kredit als Freiberufler oder Unternehmer und nicht als Verbraucher aufgenommen haben, können Sie nach Ansicht von Verbraucherschützern und nach einzelnen Ober­landes­gerichts­urteilen Erstattung eines Teils der von Banken geforderten Verzugs­zinsen oder der Vorfälligkeits­entschädigung verlangen. Die Bank darf allerdings mehr kassieren als bei Verbraucherdarlehen. In der Regel wird es sich aber auch für Profis lohnen, die Abrechnung der Bank von einem im Bank­recht erfahrenen Rechts­anwalt prüfen zu lassen.
  • Kündigung. Wenn Sie selbst – etwa wegen des Verkaufs der Immobilie – das Darlehen kündigen, bleibt es dabei, dass die Bank von Ihnen eine Vorfälligkeits­entschädigung fordern darf. Spekulieren Sie besser nicht auf einen güns­tigeren vorzeitigen Ausstieg, indem Sie die Zahlungen einstellen und so die Kündigung des Darlehens durch die Bank provozieren. Das könnten Richter als unzu­lässige Rechts­aus­übung oder sogar Betrugs­versuch werten. Lassen Sie aber prüfen, ob die Widerrufs­belehrung zu Ihrem Vertrag korrekt war. Das war ganz oft nicht der Fall. Dann können Sie Ihren Vertrag auch viele Jahre nach Vertrags­schluss noch widerrufen und müssen keine Vorfälligkeits­entschädigung zahlen. Alles Weitere dazu im Special Kreditwiderruf.
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Profilbild Stiftung_Warentest am 09.05.2017 um 16:15 Uhr
Vorfälligkeitsentschädigung

@Schamark: Eine individuelle Rechtsberatung dürfen wir nicht durchführen. Sie finden in dem Artikel Tipps und auch Musterbriefe, die Sie nutzen können. Wenn Sie eine Einzelfallberatung benötigen, dann können Sie sich auch an eine Verbraucherzentrale in Ihrer Nähe wenden. (AK)

Schamark am 09.05.2017 um 09:07 Uhr
Vorfälligkeitsentschädigung

Hallo, im Juni 2015 wurde mir von der Bank (IngDiBa) das Immobiliendarlehen wegen Zahlungsrückstand gekündigt .
Die Zwangsversteigerung ist angeordnet. Ich hätte jetzt die Möglichkeit, die Hauptforderung mit Verzugszinsen zurück zu zahlen und eine Zwangsversteigerung ab zu wenden. Vor einer Woche kommt von seitens der Bank noch eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Laut dem BGH Urteil vom 19.1.2016 (XI ZR 103/15) darf die Bank Verzugszinsen berechnen aber keine Vorfälligkeitsentschädigung wenn diese den Vertrag kündigt? Oder hat sich dass mittlerweile wieder geändert?
Was kann ich gegen die Vorfälligkeitsentschädigungsforderung machen?

Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 03.03.2016 um 09:23 Uhr
Re: Vorfälligkeitsentschädigung

Die Rechtslage vor und nach 10. Juni 2010 unterscheidet sich, soweit für diese Frage von Interesse, gar nicht. Für Immobilienkredite findet sich die entscheidende Regelung ab. 10. Juni 2010 in § 503 Abs. 2 BGB. So oder so steht nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs der Bank oder Sparkasse keine Vorfälligkeitsentschädigung zu, wenn sie den Vertrag kündigt. Ergänzung noch: Es gelten die gesetzlichen Regelungen, die bei Abschluss des Vertrags in Kraft waren. Bitte haben Sie Verständnis: Mit Ihrem Einzelfall kann & darf ich mich nicht befassen. Das ist Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein.

Lisa_D am 02.03.2016 um 18:20 Uhr
Vorfälligkeitsentschädigung

Vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Ich verstehe allerdings nicht, wann § 497 BGB anwendbar ist. Ich habe einen Darlehensvertrag im Jahr 2009 abgeschlossen. Im Jahr 2015 wurde er seitens der Bank (ingdiba) gekündigt. Die Bank hat in Ihrem Forderungskonto sowohl den Verzugszins als auch die Vorfälligkeitsentschädigung vermerkt. Gilt in meinem Fall die Fassung bis zum 10. Juni 2010? Heißt das, dass ich nicht verpflichtet bin die Vorfälligkeit zu bezahlen? Oder gilt die Fassung, die zum Zeitpunkt der Kündigung, also 2015 maßgeblich ist?

Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 29.02.2016 um 09:32 Uhr
Re: Vorfälligkeitsentschädigung

In der Tat: Die Hinweise hier gelten für den Fall, dass die Bank den Kredit - in der Regel wegen Zahlungsverzugs - kündigt. Wenn Kreditnehmer selbst den Vertrag kündigen, sind sie im Grunde verpflichtet, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Oft ist allerdings möglich, den Kreditvertrag nachträglich zu widerrufen. Lesen Sie dazu: http://www.test.de/kreditwiderruf