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Bei geplatzten Krediten holen sich die Banken, was sie kriegen können. Oft ist das viel mehr als zulässig. test.de erklärt die Rechtslage und gibt Tipps.
Verzugszins, aber keine Entschädigung
Wenn ein Immobilienkredit platzt, haben Betroffene andere Sorgen, als die Abrechnung der Bank zu kontrollieren. Das nutzen die Kreditinstitute schamlos aus und berechnen mehr, als ihnen zusteht. Klare Ansage des Bundesgerichtshofs: Banken und Sparkassen steht jenseits der Verzugszinsen für verspätete oder ausgebliebene Ratenzahlungen keine Entschädigung zu, wenn sie wegen Zahlungsverzug den Vertrag kündigen und die Vollstreckung einleiten. Die Kreditinstitute haben aber in der Regel etliche Tausend Euro extra kassiert. test.de erklärt die Rechtslage und liefert ausführliche Tipps und Musterbriefe für Betroffene.
Bitteres Ende des Traums vom Eigenheim
Das ist bitter: Wenn das Geld nicht mehr reicht, um die Raten für einen Immobilienkredit zu zahlen, droht der Ruin. Die Bank kündigt das Darlehen und fordert die gesamte Restschuld auf einen Schlag. Meist leitet sie dann gleich auch die Zwangsversteigerung ein. Den Betroffenen bleibt oft nur der Umzug in eine billige Mietwohnung und der Weg zum Insolvenzgericht. Bei der Abrechnung geplatzter Immobilienkredite langten die Banken ordentlich zu: Nicht nur ausstehende Raten und Restschuld schlagen da zu Buche, sondern stets auch eine Vorfälligkeitsentschädigung und Verzugszinsen. Es geht in fast jedem Fall um Tausende von Euro.
Schuldentilgung per Zwangsversteigerung

Die Abrechnung © Stiftung Warentest

Zum Beispiel Familie Weigand (Name geändert): 300 000 Euro hatte sie für ihr Haus im nordrhein-westfälischen Solingen aufgenommen. Als die Finanzierung platzte, standen die Eheleute bei der Bank noch mit genau 236 677,89 Euro einschließlich Zinsen in der Kreide. Bei den Kosten addierte die Bank noch 16 164,41 Euro Vorfälligkeitsentschädigung hinzu, und die Verzugszinsen beliefen sich am Ende auf weitere 14 553,72 Euro. Dazu kamen noch 150 Euro Bearbeitungsgebühr und 183,24 Reisekosten der Bankbeauftragten. Auf genau 270 026,55 Euro summierte sich die Forderung der Bank unter dem Strich. Glück für die Weigands: Die Zwangsversteigerung brachte fast 300 000 Euro. 26 967,63 Euro blieben am Ende sogar noch für die Eheleute übrig.
Abrechnung vor Gericht
Nach einer Feier war der Familie trotzdem nicht zumute. Die hohen Extra-Posten auf der Abrechnung ärgerten sie. Sie beauftragten Rechtsanwalt Hartmut Strube, die Abrechnung zu überprüfen. Dem Anwalt war schnell klar: Die Bank hat nach Kündigung des Darlehens doppelt kassiert: Vorfälligkeitsentschädigung und Verzugszinsen sollen jeweils den Schaden der Bank durch die vorzeitige Rückzahlung ausgleichen. Beides zusammen beschert dem Kreditinstitut ein sattes zusätzliches Plus, rechnete der Anwalt seinen Mandanten vor. Als die Bank sich weigerte, die Vorfälligkeitsentschädigung zurück zu zahlen, reichte Hartmut Strube Klage ein. Doch die Bank wehrte sich erbittert. Und zunächst mit Erfolg. Erst das Landgericht und dann das Oberlandesgericht Frankfurt wiesen die Klage der Weigands ab.
Sieg in letzter Instanz
Doch vor dem Bundesgerichtshof wendete sich das Blatt. Die klare Ansage vom Vorsitzenden des elften Senats des Bundesgerichtshofes Ulrich Wiechers an die Bank-Anwälte in der Verhandlung: Nach Kündigung des Darlehensvertrags stehen dem Kreditinstitut zusätzlich zu Zahlungsrückstand und Restschuld nur noch Verzugszinsen zu. Das seien bei Verbraucherkrediten, die mit einer Grundschuld besichert sind, ja nur 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz – und damit weniger als die Bank bei Erfüllung des Vertrags erhalten hätte, schimpften die Anwälte. Der Richter hielt dagegen: Mehr sei angesichts der Regeln über Verbraucherdarlehen nicht drin. Als die Bankanwälte darauf hin die Verantwortlichen im Unternehmen informierten, ging es ganz schnell: Die Bank erkannte den Anspruch von Familie Weigand auf Erstattung von (inklusive Zinsen) rund 17 000 Euro Vorfälligkeitsentschädigung an. So verhinderte sie ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2013
Aktenzeichen: XI ZR 512/11 (Anerkenntnisurteil ohne Gründe)
Gute Chancen auf Durchsetzung
Offensichtliches Kalkül hinter dem plötzlichen Einlenken der Bank: Die Niederlage gegen Familie Weigand sollte ein Einzelfall bleiben und kein weiteres Aufsehen erregen. Das war im Jahr 2013. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof die Ansagen in der damaligen mündlichen Verhandlung in zwei Fällen endgültig bestätigt: Bei wegen Zahlungsverzugs des Kreditnehmers gekündigten Kreditverträgen darf die Bank oder Sparkasse jenseits von Verzugszinsen für verspätete oder ausgebliebene Ratenzahlungen keine Entschädigung fordern. Das haben sie aber getan. Um wie viel Geld es genau geht, lässt sich kaum abschätzen. Wegen der gesunkenen Zinsen waren in den letzten Jahren meist sehr hohe Vorfälligkeitsentschädigungen fällig. test.de vermutet deshalb: Es geht insgesamt um Milliarden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2016
Aktenzeichen: XI ZR 187/15
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2016
Aktenzeichen: XI ZR 103/15 (Pressemitteilung des Gerichts)
Unter diesen Voraussetzungen können Betroffene Erstattung fordern
Mit de BGH-Urteilen im Rücken können Betroffene jetzt Erstattung von solchen Vorfälligkeitsentschädigungen fordern. Die Voraussetzungen im Überblick:
- Sie haben den später geplatzten Kredit als Verbraucher aufgenommen. Für Kredite zur Finanzierung unternehmerischen Immobilienbesitzes gelten die BGH-Ansagen nicht.
- Die Bank oder Sparkasse hat den Kreditvertrag wegen des Verzugs mit Ratenzahlungen gekündigt.
- Die Bank oder Sparkasse hat von Ihnen eine Vorfälligkeitsentschädigung kassiert. Häufig und ausreichend: Sie hat auch diesen Betrag vom Zwangsversteigerungserlös abgezogen, bevor sie Ihnen oder anderen Gläubigern den Rest ausgezahlt hat. Sofern der Kredit immer noch nicht vollständig abgewickelt ist, müssen Sie prüfen (lassen), ob bisherige Zahlungen ganz oder teilweise auf die rechtswidrige Vorfälligkeitsentschädigung entfallen.
- Ihre Forderung auf Erstattung ist nicht verjährt. Die Frist dafür läuft drei Jahre nach Ende des Jahres ab, in dem Sie die Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, zum Beispiel auch durch Verrechnung mit dem Versteigerungserlös.
test.de hilft Ihnen mit ausführlichen Tipps und hält Musterbriefe zum Download bereit.
Arbeit für Anwälte
Wie sonst auch bei entsprechenden Forderungen werden viele Banken die Erstattung rechtswidrig gezahlter Beträge verweigern. Betroffene können dann einen Rechtsanwalt einschalten. Wer nicht genug Geld hat, bekommt Beratungs- und Prozesskostenhilfe. Wer seine Forderung korrekt geltend gemacht hat, kann sich darauf verlassen, dass die Bank am Ende auch auf außergerichtliche Tätigkeit entfallende Anwalthonorare zahlen muss, wenn sie die Vorfälligkeitsentschädigung zu Unrecht kassiert hat. Alle anderen Kosten und Honorare hat sie ohnehin zu zahlen.
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@Schamark: Eine individuelle Rechtsberatung dürfen wir nicht durchführen. Sie finden in dem Artikel Tipps und auch Musterbriefe, die Sie nutzen können. Wenn Sie eine Einzelfallberatung benötigen, dann können Sie sich auch an eine Verbraucherzentrale in Ihrer Nähe wenden. (AK)
Hallo, im Juni 2015 wurde mir von der Bank (IngDiBa) das Immobiliendarlehen wegen Zahlungsrückstand gekündigt .
Die Zwangsversteigerung ist angeordnet. Ich hätte jetzt die Möglichkeit, die Hauptforderung mit Verzugszinsen zurück zu zahlen und eine Zwangsversteigerung ab zu wenden. Vor einer Woche kommt von seitens der Bank noch eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Laut dem BGH Urteil vom 19.1.2016 (XI ZR 103/15) darf die Bank Verzugszinsen berechnen aber keine Vorfälligkeitsentschädigung wenn diese den Vertrag kündigt? Oder hat sich dass mittlerweile wieder geändert?
Was kann ich gegen die Vorfälligkeitsentschädigungsforderung machen?
Die Rechtslage vor und nach 10. Juni 2010 unterscheidet sich, soweit für diese Frage von Interesse, gar nicht. Für Immobilienkredite findet sich die entscheidende Regelung ab. 10. Juni 2010 in § 503 Abs. 2 BGB. So oder so steht nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs der Bank oder Sparkasse keine Vorfälligkeitsentschädigung zu, wenn sie den Vertrag kündigt. Ergänzung noch: Es gelten die gesetzlichen Regelungen, die bei Abschluss des Vertrags in Kraft waren. Bitte haben Sie Verständnis: Mit Ihrem Einzelfall kann & darf ich mich nicht befassen. Das ist Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein.
Vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Ich verstehe allerdings nicht, wann § 497 BGB anwendbar ist. Ich habe einen Darlehensvertrag im Jahr 2009 abgeschlossen. Im Jahr 2015 wurde er seitens der Bank (ingdiba) gekündigt. Die Bank hat in Ihrem Forderungskonto sowohl den Verzugszins als auch die Vorfälligkeitsentschädigung vermerkt. Gilt in meinem Fall die Fassung bis zum 10. Juni 2010? Heißt das, dass ich nicht verpflichtet bin die Vorfälligkeit zu bezahlen? Oder gilt die Fassung, die zum Zeitpunkt der Kündigung, also 2015 maßgeblich ist?
In der Tat: Die Hinweise hier gelten für den Fall, dass die Bank den Kredit - in der Regel wegen Zahlungsverzugs - kündigt. Wenn Kreditnehmer selbst den Vertrag kündigen, sind sie im Grunde verpflichtet, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Oft ist allerdings möglich, den Kreditvertrag nachträglich zu widerrufen. Lesen Sie dazu: http://www.test.de/kreditwiderruf