
Der Begriff „Geplante Obsoleszenz“ ist vielen Verbraucher mittlerweile ganz geläufig. Er beschreibt den Verdacht, dass Hersteller ihre Produkte bewusst mit Schwachstellen ausstatten, damit Kunden schnell neu kaufen müssen. Die Stiftung Warentest hat bei ihren Tests dafür bislang aber keine Anhaltpunkte gefunden. Trotzdem gibt es viel zu kritisieren, wie Jürgen Nadler, wissenschaftlicher Leiter des Multimedia-Teams, im Interview erklärt.
Keine Sollbruchstellen – aber häufig schlechte Qualität
test.de:Hersteller stehen schon lange im Verdacht, manche Produkte ganz bewusst „mit Sollbruchstelle“ zu konstruieren, damit diese am besten kurz nach Ablauf der Garantie kaputt gehen und der Kunde neu kaufen muss. Stützen die Untersuchungen der Stiftung Warentest diesen Verdacht?
Jürgen Nadler: Unsere Testarbeit hat bisher keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass von Anbietern bewusst Bauteile minderer Qualität eingebaut werden, um diese schnell unbrauchbar zu machen. Das bedeutet aber nicht, das alle Produkte lange halten. Bei unserem letzten Test von Waschmaschinen zum Beispiel erreichten zwar 9 von 14 Maschinen in der Dauerprüfung ein sehr gut. Aber eine Waschmaschine bekam nur ein ausreichend, weil zwei von drei Testmodellen dieses Fabrikats gegen Ende des Dauerprüfung ausfielen. Die Waschmaschine eines anderen Herstellers wies schon früh im Dauertest ein Leck auf: Wasser lief heraus. Ein weiteres Beispiel: Die Tests von LED-Lampen in Kerzenform zeigen: Es gibt Modelle, die lange halten und andere, die schneller kaputt gehen. Die Tendenz: Während teurere Produkte für 20 oder 25 Euro mitunter über 6 000 Stunden Lebensdauer aufweisen, erreichen manchen billigen Produkte für 5 oder 6 Euro nur gut 2 000 Stunden – auch wenn die Werbung eine Haltbarkeit von 8 000 Stunden verspricht. Der Spruch „Qualität hat ihren Preis“ hat einen wahren Kern.
test.de:Handfeste Beweise für die geplante Obsoleszenz sind schwer zu finden. Heißt das, dass Verbraucher eigentlich ganz zufrieden sein müssten?
Jürgen Nadler: Nein, keineswegs. Kundenfreundlichkeit steht bei der Konstruktion von Produkten nicht immer im Vordergrund. Ein leidiges Thema sind zum Beispiel die Drucker. Hier ist das Eintrocken der Tinte oft ein vermeidbares Problem. Ebenso die Tatsache, dass Nutzer bei vielen Modellen nicht ohne Schwierigkeiten Fremdtinte einsetzen können. Hier zeigt die Testarbeit deutlich: Druckerhersteller setzen viel daran, den Kunden die Nutzung von – zumeist günstigerer – Fremdtinte schwer zu machen.
test.de: Haben Sie weitere Beispiele für verbraucherunfreundliches Handeln der Hersteller, das sich vermeiden ließe?
Jürgen Nadler: Aber ja. Ärgerlich sind auch Geräte, die sich schlecht oder gar nicht öffnen lassen, weil ihr Gehäuse verklebt ist. Auch wenn man aus guten Gründen von einer Reparatur selbst die Finger lassen sollte – in so einem Fall hat dann selbst der Fachbetrieb Probleme, was die Reparatur nicht billiger macht. Ebenso ärgerlich sind im Gerät fest eingebaute Akkus, wie etwa beim beliebten iPhone von Apple. Bei Leistungsverlust oder Ausfall ist ein Austausch gar nicht oder nur im Fachbetrieb möglich. Für den Kunden ist das unerfreulich. Das Gerät ist für längere Zeit weg und die Kosten sind hoch. Handelt es sich um ein Smartphone oder einen Rechner, hat der Kunde zudem das Problem, dass seine Daten ungeschützt sind. Und: Einen günstigen Akku eines Fremdherstellers können Kunden auch nicht nutzen.
test.de:Mal angenommen, die Hersteller würden auch hier vernünftige Lösungen anbieten. Könnten dann alle Verbraucher zufrieden sein?
Jürgen Nadler: Leider nein. Denn immer kürzere Innovationszyklen stellen den Kunden ebenfalls vor Herausforderungen. In kurzer Zeit folgten zum Beispiel bei Fernsehgeräten auf die ersten flachen HD-Geräte die Full-HD-Fernseher. Dann kamen 3D-fähigen Fernseher, es folgten Geräte mit Internetzugang und jetzt „droht“ bereits der sogenannte 4K-Fernseher mit noch höherer Auflösung, bei dem selbst BluRays an ihre Grenzen kommen werden. Für den Verbraucher bedeutet das nicht nur bessere Technik, sondern auch Stress. Das Versprechen neuer technischer Möglichkeiten baut psychologischen Druck auf. Experten sprechen hier übrigens von der psychologischen Obsoleszenz. Sehr ähnlich ist die Situation natürlich auch bei den Handys, die zurzeit vom Smartphone verdrängt werden.
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Auch wenn man sich ein Produkt kauft, dass in der gehobenen Mittelklasse angesiedelt ist und dementsprechend kostet, ist man von einer Obzoleszenz dieses Produktes nicht gefeit. Hier müsste die Gewährleistungszeit für Produkte im Wert von über 800,--€ auf 5 Jahre verlängert werden. In der Privatwirtschaft werden in der Regel alle Anschaffungen eines Betriebes über diesem Betrag auch mit 5 Jahren abgeschrieben. Der Privatmann kann das aber nicht und ist immer der Dumme. Und die Hersteller müssten dann auf eine zuverlässigere Qualität ihrer Produkte achten und wurden keinen Murks verbauen.
Markov-Ketten benötigen mathematische Expertise, außerdem rechnet die niemand im Kopf aus und man braucht statistische Daten als Eingabe und sicherlich kommt der Ingenieur auch nicht von sich aus auf die Idee, so etwas durchzuführen. Dann müsste es ja entsprechende Anweisungen, Unterlagen (auf die Bürokratie ist noch in jeder echten Verschwörung verlass gewesen), zuständige Personen, Zeugen usw. geben. Die Konkurrenz hätte ein starkes Interesse, so etwas bloßzustellen, und ehemalige Mitarbeiter zum Reden zu bewegen. Es ist vor allem leicht zu erkennen, dass eine Absicht immer behauptet werden kann. Mein persönlicher Eindruck deckt sich mit dem Artikel: Es gibt viele schlechte Produkte, die schnell kaputt gehen und auch viele gute. Letztere erwischt man aber nur, wenn man bereit ist, zumindest einen Preis im Mittelfeld zu zahlen und sich vorher etwas zu informieren (z.B. über die Tests der Stiftung Warentest).
Jedes Bauteil hat eine statistische Lebensdauer in Abhängigkeit von den Nutzungsbedingungen (Temperatur, mechanische Belastung etc.). Mithilfe statistischer Methoden (Markov-Ketten etc.) kann man daraus die *statistische* Gesamtlebensdauer eines Gerätes sehr genau berechnen. Wenn sie die Konstruktion so wählen, dass 95% der Geräte die Garantiezeit 'überleben', bei minimierten Produktionskosten, kommen sie zu dem gewünschten Effekt. Bei der Konstruktion können dabei Schlüsselpositionen mit Bauteilen geplanter Qualität besetzt werden, oder empfindliche Bauteile in ungünstigen Positionen verbaut werden (zB wärme-empfindliche Bauteile in der Nähe von stark wärme-erzeugenden etc.). Es ist leicht zu erkennen, dass man eine Absicht nie beweisen werden kann, denn es kann immer behauptet werden, dass ein *preiswertes* Produkt von *begrenzter* Qualität geplant war das konkurrenzfähig ist, wer was besseres will soll doch mehr bezahlen.
@bopsoid Bitte erweitern Sie Ihren Horizont!
@Emil-Andy: Wir können und wollen nicht beurteilen, inwieweit die Studie den „Beweis“ liefert, dass Hersteller ihre Produkte absichtsvoll so konstruieren, dass sie nur eine ganz bestimmte Lebensdauer haben. Über die Ergebnisse unserer Tests können wir hingegen klare Aussagen treffen. Ganz sicher bleibt das Thema spannend. So finden Sie unter dem von Ihnen geposteten Link auch einen Text des Umweltbundesamts, in dem es heißt: „Es sind bislang jedoch keine ausreichenden, systematischen Daten verfügbar, die eine Beurteilung ermöglichen, in welchem Ausmaß Obsoleszenz zu einer unnötig verkürzten Lebensdauer von Produkten führt und welche Fälle tatsächlich als „geplante Obsoleszenz“ zu bewerten sind“.
Angesichts des Veröffentlichungstermins vermute ich mal, dass der aktuelle Aufhänger für dieses Interview die Präsentation der Grünen zum Thema "Geplanter Verschleiß" ist (http://www.gruene-bundestag.de/themen/umwelt/gekauft-gebraucht-kaputt_ID_4387858.html). Schade, dass Sie diese Studie mit keinem Wort erwähnen. Und besonders interessiert hätte mich die Frage, warum die Studie im Gegensatz zur Stiftung Warentest handfeste Beweise für geplante Obsoleszenz finden kann.