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Der Verdacht: Hersteller planen Produkte so, dass sie schnell kaputtgehen. Mythos oder Masche? Eine Spurensuche.
Schwarz und lautlos, so hat sich der Fernseher von Michael Brockmann verabschiedet. Eigentlich stilvoll, wenn man bedenkt, dass der Rentner aus Duisburg vor allem Weltraumfilme liebt. Doch es gibt kein Happyend. Brockmann wendet sich an Philips. Der Konzern teilt mit, das benötigte Ersatzteil für sein 2 700-Euro-Flaggschiff nicht mehr zu haben.
Totalschaden nach dreieinhalb Jahren – Brockmann ist fassungslos. Als der seit langem treue Philips-Kunde nach dem glücklosen Reparaturversuch auch noch für die Verschrottung zahlen soll, ist das Vertrauen dahin. „Nie wieder Philips“, so sein Fazit.
Brockmann ist kein Einzelfall. Der gleiche Fernseher hielt auch bei Ernst Effenberger aus Usingen nur dreieinhalb Jahre. Ihm wurde als Ersatz ein Staubsauger angeboten. Und in einem dritten Fall heißt es in einem Schreiben des Philips-Kundendienstes: „Leider können aufgrund unvorhersehbarer Gründe Ersatzteile vorschnell vergriffen sein. Dies ist natürlich bedauerlich. Eine Nachproduktion ist nicht rentabel.“
Viele Verbraucher fühlen sich durch solche Geschichten bestätigt. Ihr Verdacht: Damit die Kassen klingeln, bauen Hersteller ihre Fernseher, Waschmaschinen und Staubsauger so, dass sie kurz nach der Gewährleistungsfrist kaputtgehen und sich nicht mehr reparieren lassen. Die Rede ist von geplanter Obsoleszenz.
Mit eingebautem Verfallsdatum
Aus der Luft gegriffen ist das nicht. Als Beispiel wird oft das 1924 gegründete Phoebus-Kartell angeführt. Damals hatten sich die führenden Glühlampenhersteller abgesprochen, die Lebensdauer ihrer Birnen auf tausend Stunden zu begrenzen. In den 1930er Jahren diskutierten Politiker und Ökonomen ernsthaft, durch Produkte mit eingebautem Verfallsdatum die wirtschaftliche Depression in den USA zu kurieren.
Ob staatlich verordnet oder marktgetrieben – ein System, das auf stetes Wachstum setzt, ist zum Konsum gezwungen. „Es liegt im besonderen Interesse von Herstellern und Handel, in gesättigten Märkten die Wiederkaufszyklen zu verkürzen“, sagt Stefan Schridde. Der Berliner Betriebswirt hat das Onlineforum murks-nein-danke.de ins Leben gerufen – und damit einen Nerv getroffen. Seitenweise posten vergrätzte Kunden dort kaputte Elektrogeräte. Die gesammelten Werke sollen nun ein Murksmuseum in der Hauptstadt füllen.
Nicht schneller kaputt als früher

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Was indes fehlt, ist der Nachweis, dass Hersteller den Murks gezielt zusammenbauen, um Verbraucher übers Ohr zu hauen. Auch die Testergebnisse der Stiftung Warentest liefern dafür bisher keine Hinweise. Eine Auswertung von Dauertests der vergangenen zehn Jahre zeigt: Insbesondere Haushaltsgeräte gehen heute nicht schneller und nicht häufiger kaputt als früher. Das gilt sowohl für große Geräte wie Waschmaschinen als auch für kleinere wie Staubsauger.
Wenig überraschend dagegen: Billige Geräte sind oft schneller Schrott als teure. Waschmaschinen über 700 Euro zum Beispiel halten im Dauerlauf deutlich länger als Geräte unter 550 Euro. Solche Preisgrenzen lassen sich für viele Produktgruppen finden. Beim Kauf von Akkubohrern etwa steigt unterhalb von 50 Euro das Risiko, dass die Freude nur kurz währt (siehe billige Flops). Ein untrügliches Qualitätsmerkmal ist der Preis allerdings nicht. Genauso wie es echte Schnäppchen gibt – preiswert und gut –, so gibt es auch teure Flops.

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Häufig versagen bei den Billigheimern die Motoren nach kurzer Zeit, zum Beispiel wegen abgenutzter Kohlebürsten. In Elektromotoren – etwa von Staubsaugern – sorgen Kohlebürsten für die Stromversorgung. Im Laufe der Zeit schleifen sich die Bürsten ab. Je länger sie sind und je geringer die Unwuchten im Motor, desto länger halten sie. Sind sie runtergeschliffen, kommt der Sauger auf den Müll – ein Austausch ist zu teuer. Das kleine Verschleißteil bestimmt die Lebensdauer des gesamten Staubsaugers.
Ingenieure planen die Lebensdauer
Also doch geplanter Verschleiß? In gewisser Weise ja. „Hersteller planen, wie lange ein Produkt halten soll“, sagt Professor Albert Albers, Leiter des IPEK Institut für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie. „Sie definieren ein Nutzungsszenario für ein bestimmtes Kundenspektrum und ermitteln daraus eine Gebrauchsdauer.“ Dementsprechend planen die Konstrukteure die Einzelteile des Geräts: Wie dick müssen Kohlebürsten sein, wie groß Zahnräder, wie leistungsfähig Kondensatoren, damit sie die geplante Gebrauchsdauer einhalten.
Im Allgemeinen gilt: Je robuster etwas sein soll, desto teurer ist es. „Eine Bohrmaschine für Profis wird aufwendiger produziert als ein Heimwerkergerät“, sagt Albers. „Sie enthält zum Beispiel hochwertigere Materialien und die Fertigungstoleranzen sind geringer.“ Zugleich stehen die Hersteller unter Kostendruck. „Der Ingenieur muss die geplante Gebrauchsdauer möglichst genau treffen und dafür die kostengünstigste Lösung finden“, so Albers. „Das Ziel ist, ein Gerät so gut wie nötig zu bauen, nicht so gut wie möglich. Sonst laufen die Kosten aus dem Ruder.“
Albers glaubt nicht an eine Strategie gezielt eingebauter Schwachstellen. „Das wäre Verschwendung“, sagt der Ingenieur. Gehen zum Beispiel kleine Verschleißteile wie die Kohlebürsten im Staubsauger sehr früh kaputt, ist das für den Hersteller unwirtschaftlich, weil viele andere Teile im Gerät dann überdimensioniert, also zu teuer produziert sind. „Ökonomisch und ökologisch am besten wäre es, wenn alle Teile gleichzeitig nach Erreichen der vorgesehenen Gebrauchsdauer ausfallen würden“, so Albers.
Elektrische Zahnbürste hält drei Jahre
Schön wäre es, wenn Verbraucher erkennen könnten, welche Lebensdauer die Hersteller für ihre Produkte planen. Hier herrscht völlige Intransparenz. Selten äußert sich ein Kundendienst so konkret wie in einem Brief an test-Leser Adolf Kubler. Der hatte sich bei Braun beschwert, nachdem die dritte elektrische Zahnbürste nach kurzer Zeit kaputtgegangen war. Der Service teilte schriftlich mit, die Lebensdauer des Akkus sei auf etwa drei Jahre ausgelegt, „bei Nutzung durch eine Person, 2-mal täglich für jeweils 2 Minuten.“ Nicht sehr lange für eine 150-Euro-Bürste. Uns gegenüber wollte Braun die drei Jahre nicht bestätigen.
Ein ähnlicher Fall: Ein Servicemitarbeiter des Handyanbieters HTC teilte einem Kunden mit, Smartphones „von der Halbwertszeit für einen 2-Jahres-Rhythmus“ zu produzieren. Auf unsere Nachfrage ruderte HTC ebenfalls zurück.
Blau für Profis, grün für Heimwerker
Bei Elektrowerkzeugen immerhin bieten einige Hersteller verschiedene Produktlinien zur Orientierung im Baumarkt an. Zum Beispiel Bosch: blaue Werkzeuge für Profis, grüne für Heimwerker. Die Einsteigermodelle verkauft Bosch unter der Marke Skil. Das spiegeln auch unsere Tests: Wer nur ein paar Löcher im Jahr bohren will, dem dürfte ein Skil-Bohrer für wenig Geld reichen. Heimwerker setzen besser auf Grün. Wer viel vorhat, sollte ins teure Blau wechseln.
Elektronikgeräte wie Fernseher, Notebooks und Handys prüft die Stiftung Warentest nicht im Dauertest. Das würde den Zeitrahmen sprengen. Um die Nutzung eines Fernsehers von sieben Jahren zu simulieren, müsste das Gerät rund anderthalb Jahre im Labor laufen. Viele Modelle wären dann nicht mehr am Markt. Reinfälle wie beim Philips-TV von Michael Brockmann lassen sich daher mit Tests kaum aufspüren. Das ist ärgerlich, zumal das Gerät Testsieger war. Ärgerlicher als der Ausfall selbst ist aber, dass der Fernseher wegen fehlender Ersatzteile nicht mehr zu retten war.
Selbst wenn eine Reparatur möglich ist, heißt es am Servicetresen oft: „Das lohnt nicht mehr.“ Es mag daran liegen, dass Fernseher, Computer und Kameras immer mehr Leistung in immer kleineren Gehäusen bieten. Ist die Hauptplatine defekt, kann das teuer werden. Kleine Elektrogeräte werden oft auch so konstruiert, dass sie sich nicht reparieren lassen (siehe Tricks der Hersteller). Und mitunter scheinen Hersteller bei den Reparaturkosten einfach unverschämt zuzulangen. Kein Wunder, dass sich Verbraucher zunehmend selbst helfen – in Reparaturtreffs oder mit Anleitungen aus dem Internet. Dem steht ein anderer Trend gegenüber: Vor allem kleine Elektronik wie Handy und Kamera landet oft in der Schublade, obwohl sie noch funktioniert. 42 Prozent der befragten Verbraucher kaufen innerhalb von zwei Jahren ein neues Handy – meist einfach deshalb, weil es besser ist als das alte.
Aus Freude an der Abwechslung

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„Studien zeigen, dass uns der Erwerb von Dingen Spaß macht, weil wir gern Neues ausprobieren“, sagt Hartmut Holzmüller, Marketingprofessor an der TU Dortmund. „Wir haben Freude an der Abwechslung.“ Das machen sich die Unternehmen zunutze. Sie sorgen dafür, dass Produkte auch im Kopf verschleißen. Das neueste Smartphone ist oft nur ein bisschen schicker als der Vorgänger, hat ein paar neue Anwendungen. „Facelifts werden Jahre im Voraus geplant“, so Holzmüller. Gleichzeitig lädt die Werbeindustrie alle Waren mit Verheißung auf – Coolness-Faktor Smartphone.
So fragwürdig es ist, alle paar Monate ein neues Handy zu kaufen – sich an eine 30 Jahre alte Waschmaschine zu klammern, ist ebenfalls nicht klug, schon wegen der Stromkosten. Professor Michael Braungart, Leiter der Hamburger Beratungsfirma EPEA Internationale Umweltforschung, hat eine bessere Idee. „Hersteller sollten nicht mehr Waschmaschinen verkaufen, sondern die Dienstleistung Waschen.“ Das Prinzip nennt er „Cradle to Cradle“ – „von der Wiege zur Wiege“. Der Kunde bekommt eine Waschmaschine gestellt, inklusive Reparaturservice. Nach 2 000 Wäschen holt der Hersteller die Maschine ab, recycelt das Gerät und stellt dem Kunden ein neues hin.
Der Clou: Der Hersteller hat kein Interesse, dass die Waschmaschine früh kaputtgeht. Im Gegenteil: Je besser er sie baut, je weniger Reparaturen anfallen, je leichter sie zu recyceln ist, desto günstiger kann er sie verkaufen. „Das Prinzip lässt sich auf jede Art von Produkten anwenden“, ist sich Braungart sicher.
Erste Schritte in diese Richtung gibt es bereits. Philips hat mit Braungart ein leicht zu recycelndes TV-Gerät auf den Markt gebracht. Zu der Dienstleistung „10 000 Stunden Fernsehen“ konnten sich die Holländer allerdings noch nicht durchringen. Michael Brockmann, der Filmfan aus Duisburg, findet die Idee innovativ. Vielleicht ein Weg, Vertrauen zurückzugewinnen.
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Kommentar über Kommentaren!
Warum kann ich die Kommentaren nicht ausdrucken? Ich markiere sie, kann aber nicht drucken. Mache
ich irgendwas falsch, oder ist es nicht erlaubt?
Ich finde, Stiftung Warentest sollte grundsätzlich bei JEDEM technischen Produkt diesen Punkt im Bewertungskatalog haben. Produkte sollten immer ausgelegt sein auf lange Haltbarkeit und gute Reparierbarkeit.
Geplante Obsoleszenz ist bereits untersucht worden: www.murks-nein-danke.de und dort den Forschungsbericht "Geplante Obsoleszenz" von Stefan Schridde und Christian Kreiß, in dem auch andere offensichtlich absichtlich eingebaute Schwachstellen bei Geräten aufgelistet werden. Viele Kommentatoren haben weitere gute Beispiele dafür eingebracht.
Der bereits gemachte Vorschlag, bei TEST eine Datenbank anzulegen, in die (ähnlich wie bei www.murks-nein-danke.de) Verbraucher, deren Geräte nach Ablauf der Garantie, aber innerhalb von drei Jahren nach Kauf, kaputt gehen, einen Eintrag machen können, sollte dringend verwirklicht werden. Ich kann eine Kaufrechnung und eine Reparaturrechnung meines Philips Fernsehers beitragen. Schon nach ein oder zwei Jahren wird sich die Streu vom Weizen trennen. Wieso mach TEST keinen entsprechenden Aufruf? Nur Mut, meine Damen und Herren.
Wo bleibt die Initiative von TEST, auf längere Garantiefristen zu drängen?
Kommentar vom Autor gelöscht.