
Auf Honig-Gläsern muss nicht erkennbar sein, ob der Inhalt Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen enthält. Das hat das EU-Parlament kürzlich entschieden, indem es eine Regelung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2011 kippte. test.de erklärt, was sich ändert – und warum.
So kam es 2011 zur Entscheidung des EuGH
Im Jahr 2011 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Verkauf von Honigen verboten, die Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten. Ausnahme: Der Honig hatte eine spezielle Zulassung und war entsprechend gekennzeichnet (siehe Meldung Honig und Gentechnik: Urteil bringt Wende ins Honig-Glas). Das Urteil des EuGH war eine Reaktion auf die Klage eines Augsburger Imkers aus dem Jahr 2005. Der hatte in seinem Honig Spuren gentechnisch veränderter Pollen gefunden, die von einem Versuchsfeld in der Nachbarschaft stammten, auf dem der Freistaat Bayern Mais anbaute. Die Pflanzen waren allerdings nur als Tierfutter, nicht als Nahrungsmittel für den Menschen zugelassen. Der Imker hatte daraufhin die betroffene Honigernte vernichtet und den Freistaat Bayern auf Schadensersatz verklagt.
Zutat oder natürlicher Bestandteil? Der feine Unterschied
Der Fall landete schließlich beim EuGH. Der urteilte, dass auch bei einer zufälligen Verunreinigung, wie in diesem Fall, der betroffene Honig nur noch mit Zulassung verkauft werden dürfe. Fehlt eine Zulassung, darf er nicht in den Handel. Das gilt grundsätzlich. Der EuGH definierte zudem in diesem Zusammenhang Pollen als Zutat im Honig; sie galten damit nicht mehr länger als natürlicher Bestandteil. Der feine Unterschied:
- Sind die Pollen als Zutat definiert, gilt wie bei anderen Lebensmitteln und ihren Zutaten: Die Zutat allein darf nicht mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Organismen (GVO) enthalten, ohne dass dies gekennzeichnet ist. Selbst bei Spuren von gentechnisch veränderten Pflanzen-Pollen muss dann ein Hinweis auf dem Honig stehen.
- Handelt es sich bei den Pollen nicht um eine Zutat, sondern um einen natürlichen Bestandteil, darf der Anteil gentechnisch veränderter Organismen bis zu 0,9 Prozent des gesamten Honigs ausmachen – ohne dass er entsprechend gekennzeichnet sein muss. Dass der GVO-Anteil im Honig mehr als 0,9 Prozent beträgt, kommt aber praktisch nie vor. Denn die Pollen haben insgesamt meist nur einen Anteil am Honig von 0,1 bis 0,5 Prozent. Von diesen Pollen wiederum dürfte nur ein minimaler Teil von gentechnisch veränderten Pflanzen stammen.
Alte Regelung wieder hergestellt
Jetzt hat das EU-Parlament den Zustand von vor 2011 wieder hergestellt: Pollen werden nicht mehr als Zutat definiert, sondern sind wieder ein natürlicher Bestandteil. Das heißt: Honig muss ab jetzt nur dann mit dem Hinweis „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden, wenn er einen Anteil von mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Organismen enthält (Meldung Gentechnik: So viel ist schon in unserem Essen). Liegt der GVO-Anteil darunter und ist zufällig und technisch unvermeidbar, gilt dies nicht (Merkblatt GVO-Kennzeichnung bei Lebensmitteln).
Anteil an Pollen in Honig meist nur 0,1 bis 0,5 Prozent
Der Hintergrund: Für die Imker hatte der Beschluss des EuGH von 2011 neue Probleme mit sich gebracht. So lässt es sich nicht verhindern, dass Bienen auf Nektarsuche Pollen mit in den Honig bringen. Ob sie dabei auf Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen Station machen, können die Imker nicht beeinflussen. Dazu kommt: Der Anteil von Pollen beträgt in Honig meist nur 0,1 bis 0,5 Prozent, und nur ein minimaler Anteil der Pollen dürfte überhaupt von gentechnisch veränderten Pflanzen stammen. Das macht es schwierig zu bestimmen, ob und wie viel GVO überhaupt enthalten ist. Viele Honighersteller und Politiker fanden es aus diesen Gründen widersinnig, Pollen als Zutat zu bezeichnen und kennzeichnen zu müssen, zumal Honig laut Honigverordnung gar keine Zutaten zugesetzt werden dürfen. Sie regten deswegen gemeinsam eine Änderung des EuGH-Urteils an.
Grünen-Fraktion sieht Verbraucherrechte verletzt
Die politischen Meinungen zur Frage, ob Pollen im Honig als Zutat definiert sein sollten oder nicht, gehen stark auseinander. Europa-Abgeordnete der CDU argumentieren etwa, dass der Pollen-Anteil im Honig „naturgegeben“ sei und im „Mikrobereich“ liege. Er müsse deswegen als natürlicher Bestandteil angesehen werden, von einer GVO-Verunreinigung könne bei Honig nicht gesprochen werden. Einige Verbraucherschützer wie zum Beispiel von Foodwatch oder auch die Grünen-Fraktion im Bundestag sehen hingegen Verbraucherrechte durch die jetzt wieder geltende Regelung verletzt: Sie traten dafür ein, dass Pollen weiter als Zutat gelten sollten und Honig mit Spuren von GVO-Pollen gekennzeichnet werden müsse. Ein entsprechender Antrag der Grünen-Fraktion, der die Regelung von 2011 für Deutschland erhalten sollte, wurde im März 2014 vom Bundestag abgelehnt.
Verbraucher sollten auf Herkunftsangabe achten
Bislang gibt es keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege dafür, dass gentechnisch veränderte Organismen in Lebensmitteln der Gesundheit schaden. Allerdings fehlen bislang Langzeituntersuchungen zu den Risiken für Umwelt und Gesundheit (Special Gentechnik im Essen: Kann man ihr noch entgehen?). Wer Honig mit GVO meiden will, sollte auf die Herkunftsangabe achten: Sie ist für Honig Pflicht. Immerhin 80 Prozent des hierzulande verkauften Honigs stammen aus dem Ausland, vor allem aus Kanada, Brasilien und Argentinien. In diesen Ländern dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, und ihre Pollen können in den Honig gelangen. In der EU ist momentan ohnehin nur eine gentechnisch veränderte Pflanze zugelassen: die Maispflanze Mon 810. In Deutschland ist ihr Anbau verboten. Wer also zu heimischem Honig greift, geht in der Regel auf Nummer sicher. Auch bei Honig aus den Ländern Österreich, Ungarn, Griechenland, Frankreich, Luxemburg, Bulgarien, Polen oder Italien können Verbraucher zugreifen. Hier darf ebenfalls kein gentechnisch veränderter Mais Mon 810 gepflanzt werden.
35 Honige im Test
Die Stiftung Warentest hat zuletzt 2009 mit aktuellen Analysemethoden Honig untersucht Honig: 35 Marken im Test. Dabei fand sie keinen Hinweis auf gentechnisch veränderte Pollen. Auf dem Prüfstand standen auch zahlreiche Produkte, die nicht aus Deutschland oder der EU stammten. Bei einer solchen Momentaufnahme kann sich in puncto gentechnisch veränderter Pollen von Glas zu Glas ein anderes Bild ergeben. Zudem verteilen sich die wenigen Pollen nicht gleichmäßig im Honig.
Tipp: Weitere Informationen erhalten Sie in unserem aktuellen Honig-Test.
Pollen wichtiges Kriterium für Beurteilung der Honigqualität
Auch für die Stiftung Warentest sind die Pollen im Honig ein wichtiges Beurteilungskriterium für die Qualität des Honigs. Über Pollen führen Honigexperten nicht nur den botanischen, sondern auch den geografischen Herkunftsnachweis. Ohne die Pollen lässt sich kaum überprüfen, ob ein Honig für Sortenbezeichnungen wie Akazie, Raps, Sonnenblume typisch ist. Bei gefiltertem Honig ist eine solche Überprüfung, aber eben auch der Nachweis von gentechnisch verändertem Material, deutlich schwerer. Bei der Filtration gehen dem Honig Pollen verloren.
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