
Auf mehreren Wegen gelangt sie in Lebensmittel. Kann man der Gentechnik entgehen? Welche Folgen hat sie für Gesundheit und Umwelt?
„Tomate“ , sagt der Mann in die Stille einer Bibliothek hinein. Panisch flüchten die Lesenden um ihn herum aus dem Raum. Diese Szene entstammt einer Satire, dem Film „Angriff der Killertomaten“.
Ähnlich abwehrend reagieren viele Deutsche beim Thema Gentechnik in Lebensmitteln: Rund 70 bis 90 Prozent der Bundesbürger, je nach Umfrage, lehnen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab. Killertomaten gehören bislang nicht zum Repertoire der Agrarlabore, die Anti-Matsch-Tomate schon. Vor 20 Jahren war sie der erste gentechnisch veränderte Organismus (GVO), der in den freien Verkauf gelangte – innerhalb der USA. Durchsetzen konnte sie sich nicht. Doch mit ihr begann der heimliche Siegeszug der Gentechnik in die Mägen der Verbraucher. Heute landen GVO über mehrere Wege, direkt und indirekt, auf unseren Tellern. Für Kunden ist das oft nicht erkennbar.
Was heißt „gentechnisch verändert“ überhaupt? Gefährdet der Anbau solcher Pflanzen Gesundheit und Umwelt? Und wie können Verbraucher wissen, ob ein Lebensmittel GVO enthält oder nicht?
Gentechnisch verändert ist ein Organismus, wenn ihm durch künstlichen Gentransfer eine Eigenschaft hinzugefügt oder „abgeschaltet“ wurde. Das eröffne der Landwirtschaft neue Möglichkeiten, erklärt Gerd Spelsberg, Leiter des Fachportals transgen.de: „Die Gentechnik kann dazu beitragen, Pflanzen zu entwickeln, die weniger Ressourcen wie Wasser oder Düngemittel benötigen und höhere Erträge liefern.“ Ein Beispiel der grünen Gentechnik, also der Anwendung in der Landwirtschaft, ist der Bt-Mais. Er enthält Gene eines Bakteriums, das ein spezielles Protein produziert. Es ist für bestimmte Insekten wie den Maiszünsler giftig. Durch die Rekombination von Genen der Pflanze und des Bakteriums ist der Bt-Mais vor Schädlingen geschützt. Das verringert Ernteausfälle.
Warum deutsche Felder harmlos sind

In Nord- und Südamerika sowie Asien ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen weit verbreitet. Meist handelt es sich um Soja und Mais, aber auch Baumwolle, Raps und Zuckerrüben sind üblich. Weltweit wurden solch transgene Pflanzen im Jahr 2012 auf 170 Millionen Hektar angebaut – einer Fläche fünfmal so groß wie Deutschland. Die EU-Staaten allerdings gehen, mit Ausnahme von Spanien und Portugal, sehr zurückhaltend mit der grünen Gentechnik um. Zwar sind in der EU mehr als 50 GVO zugelassen, der kommerzielle Anbau findet jedoch nur mit einer Pflanze statt: der Maissorte Mon810 vom Agrarkonzern Monsanto. Deutschland hat dafür 2009 ein Anbauverbot erteilt.
Eine andere Maissorte namens 1507 steht aber kurz vor der Zulassung. Bei einer Sitzung der EU-Staaten im Februar gab es weder eine klare Mehrheit dafür noch dagegen. Deutschland enthielt sich. Jetzt entscheidet die EU-Kommission. Wegen der Skepsis in der Bevölkerung ist es aber unwahrscheinlich, dass Landwirte sie hierzulande säen.
Derzeit wachsen auf deutschen Feldern keine transgenen Pflanzen mehr. 2008 gab es noch in 10 von 16 Bundesländern GVO-Anbauflächen, wie das Standortregister des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zeigt.
Wieso Fertigprodukte oft betroffen sind
Gentechnisch verändertes Gemüse und Obst gibt es in Deutschlands Supermärkten nicht. Trotzdem hinterlässt die Gentechnik hierzulande Spuren im Essen. Besonders wahrscheinlich ist das bei Importen von außerhalb der EU und bei verarbeiteten Lebensmitteln. Gentechnisch veränderte Bestandteile können etwa Maisgrieß in Cornflakes oder Soja in Fleischersatzprodukten sein. Glukosesirup in Backwaren zum Beispiel kann aus Stärke von Genmais gewonnen worden sein. Auch Enzyme, Aromen und Vitamine sind oft mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt.
Lebensmittel, die GVO enthalten, müssen in der EU gekennzeichnet werden, etwa mit dem Hinweis „genetisch verändert“ oder „aus genetisch verändertem Mais hergestellt“. Allerdings reicht eine Fußnote. Die Angabepflicht entfällt bei GVO-Anteilen bis zu 0,1 Prozent je Zutat. Diese Menge gilt als zufällig. Nicht deklariert werden müssen GVO auch, wenn sie weniger als 0,9 Prozent einer Zutat ausmachen und der Hersteller nachweist, dass es sich technisch nicht vermeiden lässt. Auch bei Zusatzstoffen, die keine GVO in sich tragen, aber mittels Gentechnik hergestellt wurden, ist meist keine Angabe nötig.
Was bei Fleisch und Eiern gilt
Auch tierische Produkte sind von der Deklarationspflicht befreit. Viele Futtermittel enthalten aber gentechnisch veränderte Organismen. Ihre DNA wird im Tiermagen aufgelöst, intakte GVO gibt es in der Milch etwa nicht mehr. Doch neuere Studien deuten darauf hin, dass die Genveränderung mitunter im Endprodukt nachweisbar ist, wenn auch nur in DNA-Fragmenten.
Die Kennzeichnungspflicht gilt für alle Waren, auch importierte. Die Produktionskette lässt sich aber nicht immer lücken-los zurückverfolgen. Verbraucher- und Umweltverbände wie Verbraucherzentrale Bundesverband und BUND befürchten zudem, dass die USA in den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen versuchen werden, die Kennzeichnungspflicht zum Handelshemmnis, wie etwa Zölle, zu erklären und so auszuhebeln.
Weshalb Genuss trotzdem möglich ist
Auf dem deutschen Markt gibt es kaum Lebensmittel, die als gentechnisch verändert gekennzeichnet sind. Da die Akzeptanz für solche Produkte sehr gering ist, bringen die Hersteller sie gar nicht erst in den Handel. Das heißt aber nicht, dass alle Lebensmittel in Deutschland gentechnikfrei sind – sie fallen nur unter die Ausnahmeregelungen.
Wer Gentechnik im Essen so weit wie möglich vermeiden möchte, sollte auf unverarbeitete Lebensmittel setzen, etwa Gemüse. Bei verarbeiteten Produkten ist es sinnvoll, zu Erzeugnissen aus der EU zu greifen. Zusätzlich helfen das „Ohne-Gentechnik“-Siegel und das Biosiegel bei der Suche nach – weitgehend – gentechnikfreiem Essen (siehe Siegel).
Vollständige Wahlfreiheit bedeutet das aber nicht. Schon 2002 resümierten unsere Prüfer, Verbraucher hätten „keine Chance, Gentechnik von ihrer Speisekarte zu verbannen“. Zumindest haben wir aber in den vergangenen Jahren in keinem Test, bei dem wir auf GVO prüften, ein Produkt gefunden, das eine Zutat mit mehr als 0,1 Prozent GVO-Anteil aufwies. Das gilt selbst für Sojaprodukte. In Basmati-Reis aus Asien und im Rapsöl waren gar keine GVO enthalten. Auch die Lebensmittelüberwachung fand unter mehr als 2 000 Produkten im Jahr 2012 nur vereinzelt Kennzeichnungsverstöße und Lebensmittel mit GVO.
Was Kritiker befürchten
Gene von Pflanzen und Tieren verändern sich seit Jahrtausenden – durch Mutation und Zucht. Dass Gene nun auch im Labor rekombiniert werden, muss nicht schädlich sein. GVO erhalten ohnehin erst eine Zulassung, wenn europäische und deutsche Behörden sie intensiv untersucht und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft haben. Langzeiterfahrungen fehlen jedoch. Kritiker fürchten, dass Gentechnik im Essen das Auftreten von Allergien verstärken und Krankheitserreger gegen Medikamente resistent machen könnte.
Wem Schäden entstehen
Außerdem gibt es Hinweise auf negative Folgen aus Tierversuchen, wo gentechnisch verändertes Futter Schäden an Leber und Nieren verursacht haben soll. Ob die Versuche methodisch korrekt abliefen und die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist aber stark umstritten.
In Südamerika haben Forscher beobachtet, dass es in der Nähe von Anbaufeldern für gentechnisch veränderte Pflanzen auffällig oft zu Fehlgeburten, Missbildungen und Krebserkrankungen kommt. „Das liegt nicht direkt an den veränderten Genen, sondern an der eingebauten Herbizidresistenz: Sie führt dazu, dass Landwirte größere Mengen giftiger Unkrautvernichtungsmittel verwenden als früher“, sagt Daniel Hertwig vom Informationsdienst Gentechnik, einem Zusammenschluss Gentechnik-kritischer Unternehmen und Verbände.
Transgene Pflanzen sind für Landwirte attraktiv, da sie hohe Erträge versprechen. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass sie andere Pflanzen verdrängen, Monokulturen begünstigen und durch die reduzierte Vielfalt den Biokreislauf stören.
Wer Tomaten liebt, braucht sich über mangelnde Vielfalt aber keine Sorgen zu machen. Rund 3 600 Tomatensorten sind in der EU zugelassen. Keine einzige ist gentechnisch verändert. Zum „Angriff der Killertomaten“ dürfte es in absehbarer Zukunft also nicht kommen.
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Dein link klappt nicht, und ich konnte auf schnelle keine Nummern zu den Pestiziden auf dem Brasilianischen Mais finden.
Allerdings hatte ich zum GM Soy mehr Glück:
Brasilianische Bauern sparen an Pestizidkosten $ 38.51 / hectare. Und dass, nach der Einbeziehung der kosten vom Wechsel. Bauern wollen das. Sie würden es sonst nicht anbauen.
Quelle: goo.gl/RAdTcX (pdf)
Eine Studie von einem Brasilianischen Beratungsunternehmen fand auch, dass die GM pflanzen 12 Milliarden Liter Wasser und 105 Millionen Liter diesel gespart hat, was einen CO2 Ausstoß Verringerung von 270.4 Tausend Tonnen darstellt.
Quelle: goo.gl/2TzHwU (pdf)
GMOs sind nicht der Feind. Sie sind sogar unbedingt und dringend nötig um die Welt nachhaltig, gesund und sicher zu ernähren. Je früher das Deutsche Volk endlich die Augen aufmacht, je besser. Der Wissenschaftliche Konsens zu der Sicherheit von GMOs ist genau so hoch wie der Konsens dass der Klimawandel existiert.
Espey, dein Kommentar ist ein teelicht in der Dunkelheit Deutschlands. DANKE.
Und bitte, Stiftung Warentest, seid treu zu eurer Mission, an die Wahrheit der Dinge zu gelangen. Der anti-GMO Wahn muss enden, denn er ist genau so unwissenschaftlich wie der anti-impf Wahn und der Klimawechsel-ist-nich-real Wahn. Ich bitte euch. Ich fleh euch an. Wir brauchen Licht, wir brauchen eine Instanz die es allen gut erklären kann. Dass seid doch Ihr!
Lieber H.E.47, sie wurden leider nicht gut informiert. Brasiliens Genmais geht es bestens. ~90% vom Mais and Soy- ernte dort ist GM. Vor 2003, als GM noch nicht erlaubt war, wurde es von Argentinien und Paraguay herein geschmuggelt- die Bauern wollen es! Eine Staatseigene Firma hat sogar eine eigene GM-soy Sorte entworfen. Staats-eigen <-- also nicht eine große internationale Firma denen es nur um profit geht, sondern eine Landeseigne Firma die angeschlossen mit dem Brasilianischen Ministerium für Landwirtschaft ist: Die also selbst Brasilianer sind.
Es gibt keinen Zweifel, dass es sich für die Bauern lohnt Genmais anzupflanzen. Sonst würden sie es weltweit nicht zunehmend machen und den Ertrag damit steigern.
Ich habe mich auch intensiv mit allen Untersuchungen zur angeblichen Schädlichkeit von genveränderten Produkten befasst. Ich kenne keine Untersuchung, die eine Schädlichkeit für Konsumenten nachweist.
Das Problem ist aus meiner Sicht ein Lifestylethema. Das Waldsterben ist nicht eingetreten und auch das Ozonloch ist still verschwundenk, die Klimakatastrophe pausiert..... Hoffentlich verschwindet bald auch dieses merkwürdige Hobbythema von Menschen, die auf der Suche nach einer positiven Identität /Religion sind.
Ich akzeptiere natürlich, dass die Stiftung Warentest einfach auf die Wünsche der Verbraucher eingeht, auch wenn diese irregeführt sind. Wir sollten unsere Rationalität in Deutschland schnell zurückgewinnen, sonst wird es eng für uns.
In Brasilien wird Genmais 1507 schon länger angepflanzt. Doch statt mehr Ertrag und weniger Pestizideinsatz wurden die Schädlinge resistent. Jetzt werden noch mehr Pestizide bei weniger Ertrag benötigt.
Einziger Gewinner sind die Unternehmen, die doppelt verdienen. Erst mit Saatgut, dann mit Spritzmitteln.
http://br.de/s/13IA4d8