Genossenschaften Wie dubiose Anbieter das gute Image miss­brauchen

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Wenn sie bei Anlegern Geld einwerben, müssen Genossenschaften geringere Auflagen erfüllen als andere Anbieter. Das neue Klein­anleger­schutz­gesetz kommt vielen hoch­seriösen Genossenschaften im Land zugute. Die Gesetzes­lage bietet aber auch Schlupf­löcher für Abzo­cker, wie Finanztest anhand von zwei aktuellen Fällen zeigt.

Kein Verkaufs­prospekt nötig

Genossenschaften haben ein gutes Image. Das zeigt der Fall Prokon Regenerative Energien. Die „Freunde von Prokon“, ein Verein von Anlegern, warb mit Erfolg dafür, die insolvente, auf erneuer­bare Energien spezialisierte GmbH aus Itzehoe in eine Genossenschaft umzu­wandeln: Die Rechts­form sei „ideal“ und eine der „sichersten“, die „wir in Deutsch­land kennen“. Der Gesetz­geber sieht das offen­bar ähnlich. Er hat als Folge der Prokon-Insolvenz die Vorschriften für Anbieter fast aller Geld­anlage­angebote verschärft. Den Genossenschaften hat er aber Erleichterungen gewährt. Nur ihnen erlaubt das am 1. Juli in Kraft getretene Klein­anleger­schutz­gesetz, nach wie vor Darlehen bei ihren Mitgliedern einzuwerben, ohne sie mit einem Verkaufs­prospekt über die Risiken zu informieren.

Risiken für Anleger

Genossenschaften haben es dadurch leichter, sich zu finanzieren. Das kommt der großen Zahl hoch­seriöser Genossenschaften zugute – bietet aber auch Schlupf­löcher für weniger honorig gesinnte Geister. Anleger­anwalt Peter Mattil aus München befürchtet, dass Abzo­cker das als neue Masche nutzen werden: „Sie bringen Anleger zum Beispiel dazu, für ein paar hundert oder tausend Euro Genossen­schafts­anteile zu zeichnen. Dann knöpfen sie ihnen hohe Summen in Form von Darlehen ab.“ Wenige Informationen genügen. Zwei aktuelle Fälle illustrieren die Risiken für Anleger. Bei der Geno e. G. und der Genossenschaft für Umwelt­technologie e. G. (Gut e. G.) müssen sie Verluste oder Verzögerungen fürchten.

Fall 1: Geno e. G. Genossen hängen in der Warte­schleife

Die Unternehmerin Sandra Z. bekam im Jahr 2009 einen „heißen“ Tipp von einer ihr vertrauten Immobilienmak­lerin: Z. könne ihre bisherige Miet­wohnung kaufen – ohne Schulden zu machen. Dafür müsse sie Mitglied der Wohnungs­baugenossenschaft Genotec werden. Die heißt heute Geno und sitzt in Ludwigs­burg. Das Modell erinnert an Bausparkassen. Die Mitglieder zahlen Geld auf einmal oder in Raten ein. Dann warten sie, bis ihr Vertrag zugeteilt wird. Das dauert gewöhnlich einige Jahre. Bausparer haben ab der Zuteilung Anspruch auf ein Darlehen. Das Geno-Konzept sieht dagegen vor, dass die Genossenschaft ihrem Mitglied ein Haus oder eine Wohnung kauft. Das Mitglied wird Mieter und hat dann bis zu 25 Jahre lang das Recht, die Immobilie zu einem vorher fest­gelegten Preis zu kaufen.

Wer kündigt, muss aufs Geld warten

Die Idee zündete bei Z. 2009 zahlte sie 10 000 Euro plus 1 829 Euro Abschluss­gebühr ein. Zwei Jahre später begrub sie aber ihre Wohn­träume und kündigte im Mai 2011 den Vertrag. Nun wurde ihre Geduld auf die Probe gestellt. Die Satzung sah eine Kündigungs­frist von zwölf Monaten zum Jahres­ende vor. Z. kündigte also zu Ende 2012. Dann sollte sie bis nach der Mitglieder­versamm­lung 2013 warten. „Wegen diverser Verzögerungen bekam ich erst 2014 mein Geld“, sagt sie heute ärgerlich.

Verluste schmälern Genossen­schafts­einlage

Noch dazu war es viel weniger als erwartet: „Nur 8 205 Euro.“ Der Grund: Die Genossenschaft hatte Verluste gemacht, die das Geschäfts­guthaben verminderten und damit auch den Betrag, der ihr zustand. Damit wurde Realität, was Finanztest in einem Artikel schon 2006 befürchtet hatte: Der Kunde riskiere, „dass er seine Genossen­schafts­einlage nicht oder nicht in voller Höhe zurück­erhält.“ Es sei nicht sicher, dass der Traum vom Eigenheim wahr werde. Davor warnte auch die Geno selbst im Geschäfts- und Lagebericht 2013: Der Mittel­zufluss bestimme die Zuteilung. Es bestehe das Risiko, dass Verträge nicht zugeteilt werden könnten, wenn wenige oder gar keine Mitglieder gewonnen würden.

„Enorme Mitglieder­rück­gänge im Neugeschäft“

In einer aktuellen Stellung­nahme an Finanztest klagte die Genossenschaft über „deutlich erhöhte Kündigungen“ in den vergangenen Jahren und – aufgrund einer Gesetzes­änderung – über „enorme Mitglieder­rück­gänge im Neugeschäft“. Damit floss ihr weniger Kapital zu, mit dem sie Immobilien für Genossen kaufen konnte. Im jüngsten Geschäfts- und Lagebericht weist sie in ihren vorläufigen Zahlen für das Jahr 2014 nur 5 927 Mitglieder aus, 6 Prozent weniger als im Vorjahr.

„Die Lage ist schwierig“

„Die Lage der Geno e. G. ist als schwierig einzustufen“, führt Geno im Lagebericht aus. „Die Bauinteres­senten erwarten schnelle und güns­tige Lösungen, welche die Geno e. G. nicht bietet.“ Geno sichert auch nicht zu, wann ein Immobilien­vorhaben verwirk­licht werden kann: „Es gibt keinen zugesagten Gutha­benzins, keine Garantie auf die Zuteilungs­dauer.“ Außerdem kauft sie die Wunsch­wohnung oder das Traum­haus nur, wenn die Immobilie den fest­gelegten Kriterien der Geno entspricht.

Problematisches Geschäfts­modell

Je weniger Genossen sich anschließen, desto schwieriger wird es, das Geschäfts­modell wie geplant umzu­setzen. Die Zuteilung von Altverträgen wurde zum Jahres­ende 2013 um vorläufig drei Tertiale verlängert. Nur elf Häuser und Wohnungen hat die Geno 2013 gekauft oder bauen lassen. Es „konnten nicht alle Bereit­stellungs­anträge umge­setzt werden“, räumt sie ein. Wie viele Immobilien­vorhaben sie seit Gründung im Jahr 2002 für ihre Mitglieder verwirk­licht hat und wie viele nun länger als gedacht warten müssen, sagt die Genossenschaft auf Finanztest-Nach­frage nicht.

2014 wohl wieder Verluste

Die vorläufigen Zahlen für 2014 weisen erneut einen Verlust aus. Oben­drein hat die Geno ihre Satzung geändert und sich unter anderem das Recht einräumen lassen, die Auszahlung von Guthaben zu stre­cken. Kündiger müssen nun damit rechnen, ihr Geld später oder in Raten zu erhalten, auch wenn die Satzung das zur Zeit ihres Beitritts noch nicht vorgesehen hatte.

Jahres­abschlüsse verspätet aufgestellt

Das Prüfungs­ergebnis für das Geschäfts­jahr 2012 lag erst auf der General­versamm­lung am 1. Oktober 2014 vor. Darin heißt es, dass „Bean­standungen zur Ordnungs­mäßig­keit der Geschäfts­führung fest­gestellt“ wurden. Der Geno-Vorstand wiegelt ab: Jahres­abschlüsse seien verspätet aufgestellt worden. Auch das ist kein gutes Zeichen.

Straf­anzeige gegen unbe­kannt

Verärgerte Geno-Genossen und Exgenossen riefen in einem Brief vor der General­versamm­lung am 22. Juni 2015 in Ludwigs­burg die Mitglieder auf, gegen diverse Punkte auf der Tages­ordnung zu stimmen. Doch die anwesenden Genossen nickten fast alles im Sinne des Vorstands ab, auch eine weitere von den Abweich­lern kritisierte Satzungs­änderung. Sie entlasteten Vorstand und Aufsichts­rat. Geno teilte mit, dass sie Straf­anzeige gegen Unbe­kannt gestellt habe, weil das Verhalten der Kritiker der Genossenschaft schade. „Unser Ziel ist und war es nie, Menschen zu über­vorteilen“, sagte der Geno-Vorstand Finanztest. Doch Sandra Z. dürfte nicht die einzige unter den Geno-Genossen sein, die einen herben Verlust hinnehmen musste.

Fall 2: Gut e. G.Riskante Darlehen mit dürftigen Informationen

Im Jahr 2013 hatte der lang­jährige Versicherungs­vertreter von Ulrike Engelhard* ein unwiderstehliches Angebot. Es stammte von der Genossenschaft für Umwelt­technologie e. G. (Gut e. G.) aus Bamberg. Sie kalkulierte mit jeweils 9 Prozent pro Jahr bei der Dividende für die Genossen­schafts­anteile und der Rendite für ein Darlehen mit 36 Monaten Lauf­zeit. Das Geld sollte in erneuer­bare Energien investiert werden.

200 000 Euro für ein Eigenheim

Von der Gut e. G. bekam Engelhard zwar nur dürre Informationen über die wirt­schaftliche Lage. Das ist aber erlaubt, wenn es um Darlehen von eigenen Mitgliedern geht. Engelhard fühlte sich dennoch sicher. Denn die Gut e. G. verpflichtete sich, bei einer Darlehens­variante mehr als 65 Prozent der Summe in einen Allianz-Schatz­brief, eine Renten­versicherungs­police, zu stecken – und diese an die Genossin abzu­treten. Darauf sollte die Kundin zurück­greifen können, falls die Genossenschaft nicht zahlen könnte. Engelhard legte 200 000 Euro an, die dafür gedacht waren, später ein Eigenheim für die Familie zu kaufen.

Buch­haltung „verbesserungs­bedürftig“

Stutzig wurde Engelhard erst im Früh­jahr 2015, als der Aufsichts­rat die Vorstände ihrer Ämter enthob und der Prüfungs­verband auf der General­versamm­lung die „verbesserungs­bedürftige“ Buch­haltung kritisierte. Der Vorstand habe nicht „die erforderliche Sorgfalt“ an den Tag gelegt, der Aufsichts­rat sei „seinen Über­wachungs­aufgaben nicht in vollem Umfang nachgekommen“. Bei den Projekten gab es Probleme.

Keine Schatz­briefe abge­schlossen

Auf Finanztest-Nach­frage hatte der Aufsichts­rats­vorsitzende und kommis­sarische Vorstand Larsen Müller eine weitere Hiobs­botschaft: „Es wurden für kein Mitglied Allianz-Schatz­briefe abge­schlossen.“ Die Allianz betonte auf Nach­frage: Die Genossenschaft habe weder eine Vereinbarung geschlossen noch eine „Annahme­zusage unserer­seits“ gehabt. Sie würde entsprechende Anträge auch ablehnen, „weil wir ein derartiges Geschäfts­modell nicht unterstützen wollen“. Sicher für die Gut-Genossen ist daher: Ihr Geld ist in akuter Gefahr.

* Name von der Redak­tion geändert.

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finanzGRÜN_Oliver_Henkel am 27.07.2015 um 08:27 Uhr
Endlich kann ich loben

Vielen Dank, dass Sie das Problem "Genossenschaft" mal von der anderen Seite aufzeigen - nicht nur bei der Problematik schwarzer Schafe, sondern auch, dass der geringere gesetzliche Anlegerschutz hier mal thematisiert wird. Das bedeutet nicht, dass genossenschaftliche Angebote nicht auch sehr gut sein können, aber wenn die Gefahren nicht bekannt sind, ist die Entscheidung des Anlegers nicht objektiv genug unterstützt.