Genossenschaften

Nicht alle sind seriös

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Unsere Check­liste hilft, riskante Angebote auszusortieren. Vier aktuelle Beispiele illustrieren Problem­punkte.

Nach­haltig und rendite­stark – so preist die Internetseite Fairangelegt.de die Deutsche Grün­strom Invest eG (DGI) aus Mönchengladbach an. Ab 5 000 Euro seien je nach Lauf­zeit von zwei bis zehn Jahren 6 bis 10 Prozent Verzinsung im Jahr bei „dieser lukrativen Geld­anlage“ drin.

Ein Spar­angebot ist das aber nicht. Wer Genossen­schafts­anteile erwirbt, beteiligt sich an einem Unternehmen, muss sich für Jahre binden und trägt das Risiko, Geld zu verlieren. Bei Genossenschaften ist die Insolvenzquote zwar gering und sie müssen einem Prüfungs­verband angehören, der ihre Zahlen unter die Lupe nimmt.

Es gibt aber unvor­teilhafte Angebote. Unsere Check­liste (Kasten rechts) hilft, sie zu erkennen. Das funk­tioniert: Bei vier Genossenschaften ist aktuell Negatives zu hören, in allen Fällen stießen wir auf kritische Punkte.

Unser Rat

Auswahl. Die meisten Genossenschaften sind seriös. Beteiligen Sie sich aber nur, wenn Sie den Förderzweck unterstützen, etwa güns­tiges Wohnen. Als reine Kapital­anlage eignen sich Genossen­schafts­anteile nicht. Einige Genossenschaften bieten Fest­geld oder Sparpläne an, aber oft nur Mitgliedern aus der Region.

Warn­liste. Fällt eine Genossenschaft negativ auf, etwa wegen ihrer Vertriebs­methoden oder unvor­teilhafter Rege­lungen, setzen wir sie auf unsere Warn­liste Geld­anlage, Rubrik Unter­nehmens­beteiligungen (test.de/warnliste).

Zahlen zu spät vorgelegt

Wer Mitglied einer Genossenschaft wird, zahlt oft zusätzlich zu den Anteilen ein Eintritts­geld beziehungs­weise ein Agio, das nicht erstattet wird. Ein Finanz­anlagenfachmann, der Mitglieder für die DGI anwarb, konnte das Agio von 5 Prozent erlassen. Das wirkt wie provisions­orientierter Vertrieb, was eigentlich nicht erlaubt ist. Das sei kein Provisions­modell, betonte der Mann betonte gegen­über Finanztest. Die DGI habe ihn anders vergütet, er sei dazu zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Die DGI veröffent­lichte zudem Jahres­abschlüsse im elektronischen Bundes­anzeiger zu spät. Die für 2020 und 2022 fehlen noch. Dafür wurden Genossen im Rahmen von Ermitt­lungen wegen Betrugs befragt. Diese betreffen die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichts­rat. Die Sprecherin der Staats­anwalt­schaft Mönchengladbach bestätigte gegen­über Finanztest, dass ein solches Verfahren läuft.

Ob die Vorwürfe zutreffen oder nicht, ist offen. Vorstand und Aufsichts­rats­vorsitzender haben auf unsere Anfrage bislang nicht reagiert. Die Genossen wurden aber über einen Disput um Provisions­forderungen im Zusammen­hang mit der Light­core Energy GmbH informiert. Diesem Strom­versorger aus Mönchengladbach gewährt DGI Darlehen. Geht es Light­core schlecht, hätte das auch Folgen für DGI.

Hohe Verbindlich­keiten

Die Genossenschaft ist im Bilde über die Lage der Firma Light­core, denn ihr Vorstand führt auch deren Geschäfte. Im aktuellsten veröffent­lichten Jahres­abschluss für 2021 standen ein Verlust­vortrag in sechs­stel­liger Höhe und Verbindlich­keiten in Millionenhöhe, die inner­halb eines Jahres fällig wurden.

Den Groß­teil der Anteile halten drei Gesell­schaften aus Bulgarien. Alle drei nennen ein und dieselbe Wohnung in der Stadt Varna als ihren Sitz. Als Eigentümer der beiden größten Anteils­eignerinnen weist das bulgarische Handels­register den DGI-Aufsichts­rats­chef aus, bei der dritten einen Geschäfts­führer eines Finanz­dienst­leisters aus Düssel­dorf, der Interes­senten über DGI informiert.

Light­core, DGI und die genannten Personen äußerten sich nicht dazu. Wegen der vielen offenen Fragen sowie den wirt­schaftlichen Risiken setzen wir die Deutsche Grün­strom Invest eG auf unsere Warn­liste Geld­anlage (test.de/warnliste).

Rück­zahlung gekündigter Anteile

Zwei weitere Genossenschaften auf der Warn­liste haben auch Jahres­abschlüsse verspätet veröffent­licht. Die eine ist die Cehatrol Technology eG aus Berlin. Bei ihr entdeckten wir zudem unter anderem wider­sprüchliche Angaben dazu, was Mitglieder nach einer Kündigung für ihren Anteil zurück­bekommen.

Für die andere, die Co.net Verbrauchergenossenschaft aus Drochtersen, wurde im September 2023 beim Amts­gericht Stade Insolvenz­antrag gestellt (Az. 73 IN 73/23). Am 10. Oktober 2023 hat das Amts­gericht den Beschluss über die vorläufige Insolvenz­verwaltung wieder aufgehoben. Das lässt Mitglieder von Co.net aufatmen, die ihre Genossen­schafts­anteile in Raten bezahlen. Insolvenz­verwalter dürfen nämlich noch ausstehende Summen auf einmal einfordern.

Ein gutes Zeichen sind solche Vorgänge dennoch nicht, zumal Co.net im vergangenen Jahr Steuerschulden hatte und Rück­zahlungen gekündigter Anteile in Millionenhöhe ausstanden. Geplant war ein Notverkauf eines Hotels auf Mallorca. Co.net äußerte sich nicht dazu, ob der Verkauf geklappt hat und die Zahlungen geleistet wurden.

Problematische Verflechtungen

Beispiel vier, die Wohnungs­baugenossen- schaft WSW Wohn­Sach­Werte aus Weiden: Bei ihr flossen kaum Mittel in Immobilien. Eine einzige Wohnung konnten Ermittler ihr zuordnen. Millionen Euro wurden dagegen für andere Zwecke ausgegeben.

Seit 18. Oktober 2023 stehen die Vorständin der WSW, ihr Sohn und ihr Ehemann unter anderem wegen Betrugs an mehr als 20 000 Mitgliedern vor dem Land­gericht Weiden. Der Sohn war für die WSW tätig, der Ehemann sollte als Aufsichts­rats­vorsitzender die Vorständin kontrollieren. Die WSW ist damit ein Negativbei­spiel für Verflechtungen.

„Wir werden hierzu jedoch derzeit jedenfalls nicht Stellung nehmen“, ließ einer der Verteidiger der Vorständin mitteilen, die der anderen Angeklagten äußerten sich nicht.

Mitglied im selben Prüfungs­verband

Bemerkens­wert: Alle vier Genossenschaften gehören dem Deutsch-Europäischen Genossen­schafts- und Prüfungs­verband (DEGP) aus Dessau an. Er fiel uns schon 2019 auf, weil er mehrere Genossenschaften prüfte, deren unseriöses Gebaren wir damals beschrieben. Der DEGP äußerte sich inhalt­lich nicht dazu. Eckpunkte des Bundes­justiz­ministeriums vom Sommer 2023 sehen nun Maßnahmen gegen unseriöse Genossenschaften vor. Eine davon besteht darin, die Aufsicht über die Prüfungs­verbände zu stärken.

Tipp: Unseriöse Angebote. Den oben erwähnten Artikel aus Finanztest 4/2019 lesen Sie unter test.de/genossenschaften.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • KathrinPflanz am 23.02.2022 um 12:39 Uhr
    Liebe Veronika Panzer, bitte melden Sie sich

    Sehr geehrte Frau Veronika Panzer. Wir haben im System leider Ihren Namen so nicht finden können. Insofern können wir den hier getätigten Vorwurf nicht resümieren. Bitte melden Sie sich bei der GF unter den auf Ihren Schreiben abgedruckten Kontaktdaten. Laut Satzung Artikel 5 Absatz 1 ist eine Kündigung möglich und wird selbstverständlich auch bearbeitet. Wenn Sie so freundlich wären offizielle Kanäle oder Telefonnummern zu wählen können wir sicher ein eventuelles Missverständnis aufklären, respektive aber auf jeden Fall helfen. Mit freundlichen Grüßen. Kathrin Pflanz (Vertriebsleitung)

  • Denowie2009 am 11.03.2021 um 20:50 Uhr
    Agronaro-Geno

    Hallo Robinsoncrussow,
    wie sind Sie an die Geno-Anteile gekommen?
    Über einen Finanzvermittler oder direkt über die Agronaro-Geno oder sonst wie?
    Danke für Ihre Antwort.
    Freundlichen Gruß
    Denowie2009

  • veronika.panzer am 20.12.2020 um 21:01 Uhr
    agronaro (HVG druzstvo)

    @Robinsoncrussow: Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung nur raten, die Finger davon zu lassen. Einzahlungen werden schnell bearbeitet, aber sobald man kündigt und eine Auszahlung fordert, wird man plötzlich ignoriert und der Auseinandersetzungsanteil ist trotz vorher kommunizierter toller Entwicklung plötzlich angeblich 0. Ich wäre heilfroh, wenn ich irgendwann einen Bruchteil meines Investments wieder sehen würde. Daher leider ganz klar "schwarzes Schaf"

  • Brummo am 19.07.2019 um 14:59 Uhr
    Im Nachhinein warnen ist einfach, aber vergebens.

    Als ich Sie vor 3 Jahren – bevor ich mich bei der AVG beteiligt hatte – bei Ihnen nach einer Bewertung erkundigt hatte, konnten sie mir NICHTS darüber erzählen.
    Jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, brauchen Sie auch nicht mehr vor dem Hochwasser zu warnen. Eine Genossenschaft in Liquidation kann sowieso keine Mitglieder mehr aufnehmen!
    Ich hatte mir damals von Ihnen zumindest eine grobe Einschätzung der Risiken gewünscht. Leider wurde ich enttäuscht.

  • gunnar.zucker am 29.06.2019 um 12:07 Uhr
    Bilanz prüfen

    Hallo zusammen,
    ich würde vor dem Kauf von Anteilen jeden dringend empfehlen die Bilanzen der letzten Jahre der Genossenschaft zu prüfen. Die meisten Genossenschaften sind dazu verpflichtet Ihre Bilanzen auf der Internetseite https://www.bundesanzeiger.de zu publizieren.
    Darüber hinaus sollte man sich im Vorfeld auch etwas Fachliteratur zu legen in den beispielsweise die wichtigsten Finanzkennzahlen von Genossenschaften vorgestellt werden. Hier kann ich beispielsweise, dass Buch - Raus aus der Niedrigzinsfalle empfehlen:
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    *Link vom Moderator gelöscht