
Vom Klettergerüst gefallen oder beim Sport mit einem Mitspieler zusammengestoßen – Kinder und Jugendliche können schnell eine Gehirnerschütterung bekommen. Strikte Ruhe ist dann wichtig, aber nur in den ersten Tagen. Denn eine aktuelle Beobachtungsstudie zeigt, dass es die Heilung unterstützen kann, sich bald wieder zu bewegen.
Harter Treffer mit Folgen
„Ist das hier das Finale?“ fragte Fußballnationalspieler Christoph Kramer den Schiedsrichter während des WM-Finales 2014 in Brasilien. Er wusste nicht mehr, welches Spiel gerade lief. Kurz zuvor hatte ihn die Schulter eines Gegenspielers hart am Kopf getroffen. Diagnose: Gehirnerschütterung. So wird die leichteste und häufigste Form eines Schädel-Hirn-Traumas bezeichnet. Nicht nur Profifußballspieler, auch Kinder und Jugendliche können sich so eine Gehirnerschütterung zuziehen. Knapp jedes vierte Schädel-Hirn-Trauma betrifft Patienten unter 16 Jahren; mehr als 90 Prozent davon sind Gehirnerschütterungen. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, ein beeinträchtigtes Denk-, Erinnerungs- und Konzentrationsvermögen sowie Schwindelgefühl. Manchmal kommt es auch zu Übelkeit. Bewusstlos werden Betroffene dagegen nur in rund 10 von 100 Fällen.
Kanadische Beobachtungsstudie mit 2 400 Kindern
Mit Medikamenten lässt sich eine Gehirnerschütterung nicht behandeln. Zunächst ist vor allem Ruhe wichtig. Bisher galt aus Expertensicht, dass junge Sportler so lange körperlich pausieren sollten, bis sie keinerlei Symptome mehr haben. Eine aktuelle kanadische Beobachtungsstudie, veröffentlicht im Fachjournal Jama, stellt die Dauer des totalen Schonprogramms jetzt in Frage. Das Ärzteteam um Dr. Anne M. Grool vom Children’s Hospital of Eastern Ontario Research Institute in Ottawa untersuchte und befragte mehr als 2 400 Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 18 Jahren.
Früher aktiv, weniger Symptome
70 Prozent dieser jungen Patienten waren innerhalb der ersten 7 Tage nach dem Unfall wieder körperlich aktiv – überwiegend nahmen sie leichte Aktivitäten auf wie Spazierengehen, Schwimmen oder Fahrradfahren auf einem Heimtrainer. Die anderen 30 Prozent pausierten in dieser Zeit dagegen komplett. Von den früh aktiven Kindern litten 28 Tage nach der Verletzung nur noch 25 Prozent an typischen Symptomen, bei den länger Pausierenden waren es dagegen 44 Prozent. Körperliche Bewegung schon wenige Tage nach einer Gehirnerschütterung scheint demnach eine positive Auswirkung auf die Heilung zu haben.
Körperliche Bewegung sorgt vermutlich für besseren Blutfluss im Gehirn
Die Schwere einer Gehirnerschütterung lässt sich aber nicht objektiv messen. Die Kinder, die sich länger schonten, könnten also auch stärker verletzt gewesen sein und hatten deshalb nach 28 Tagen möglicherweise noch mehr Symptome. Trotz dieser Unsicherheit ist das Studienergebnis ein Hinweis, dass eine allzu lange körperliche Schonung nicht empfohlen werden muss, wenn Kinder sich wieder bewegen wollen. Die Studienautoren vermuten, dass sich durch die körperliche Bewegung der Blutfluss im Gehirn bessert und so die Heilung unterstützt. Außerdem kann es sich positiv aufs Wohlbefinden ausüben, wenn Kinder und Jugendliche nicht über längere Zeit unter Hausarrest stehen.
Tipp: Zwei bis drei Tage nach einer Gehirnerschütterung ist völlige Ruhe angebracht. Jede geistige und körperliche Belastung sollte vermieden werden – keine Videospiele, kein Fernsehen, keine Hausaufgaben, keine Computerarbeit, kein Lesen. Auch Musik ist nicht empfehlenswert, weil äußere Reize auf das Gehirn auf ein Minimum reduziert werden sollten. Ihr Kind sollte sich am besten in einem abgedunkelten Zimmer ausruhen. Nach zwei bis drei Tagen kann die geistige und körperliche Aktivität langsam wieder aufgenommen werden. Leichte Bewegungen ohne Unfallrisiko wie zügiges Gehen sind dann erlaubt – wenn sich Ihr Kind dabei wohl fühlt.
Kinder sollten beim Sport länger pausieren als Erwachsene
Bei jungen Menschen dauert die Erholung der Nervenzellen etwas länger als bei Erwachsenen. Sie sollten nach Expertenmeinung mindestens 23 Tage warten bis sie wieder voll in einen Sport einsteigen, bei dem es ein erhöhtes Risiko gibt, dass der Kopf durch einen Aufprall erschüttert wird. Denn: Hat sich das Gehirn bei einer wiederholten Verletzung noch nicht vollständig erholt, kann es zu schweren Komplikationen bis hin zu Hirnschwellungen kommen. Die Rückkehr zu einer normalen Sportaktivität wie zum Beispiel Fußball sollte stufenweise erfolgen. Auf leichte und kurze Sprints unter Aufsicht kann dann die Teilnahme am Mannschaftstraining ohne Körperkontakt folgen. Alle Schritte müssen beschwerdefrei überstanden werden. Das erfordert manchmal viel Geduld und Eigenverantwortung von jungen Sportlern. Patienten sollten nach einer Gehirnerschütterung erst dann wieder voll mitspielen, wenn keine Symptome mehr vorliegen. Außerdem empfiehlt es sich, noch mal einen Arzt zu Rate zu ziehen, bevor es richtig zur Sache geht.
Im Zweifel immer zum Arzt

Bei einem Unfall mit Verdacht auf Gehirnerschütterung sollte am besten ein Arzt aufgesucht werden. Hier gilt: Lieber einmal zu oft ins Krankenhaus, als eine gravierende Verletzung zu übersehen – gerade bei Kindern. Wenn 10 Tage nach der Verletzung immer noch Beschwerden vorhanden sind oder die stufenweise Wiederaufnahme normaler Aktivitäten nicht gelingt, sollte ein Neurologe zu Rate gezogen werden.
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