
Die meisten Autokäufer nehmen einen Gebrauchtwagen.
Wenn der neue Wagen ein gebrauchter sein soll, haben Kunden die Wahl: Von privat oder beim Händler? In beiden Fällen sollten sie sich wappnen, um nicht übers Ohr gehauen zu werden. test.de sagt, worauf Sie bei Besichtigung, Probefahrt und Kaufvertrag achten sollten, und woran Sie unseriöse Händler erkennen.
Sechs von sieben Käufern entscheiden sich für einen Gebrauchten
Endlich ein neues Auto? Da nehmen sechs von sieben Käufern einen Gebrauchtwagen. Der kostet im Schnitt 10 180 Euro, zeigen Zahlen des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes aus dem Jahr 2015. Fragt sich nur: Wo kaufen? Es gibt drei Möglichkeiten: private Verkäufer, Gebrauchtwagenhändler und Vertragshändler einer Marke.
Kauf von privat
Günstiger als vom Händler. 39 Prozent der Kunden entschieden sich 2015 für den Kauf von privat, so die Deutsche Automobil Treuhand (DAT). Die Autos waren im Schnitt 93 170 Kilometer gelaufen, waren 8,2 Jahre alt und kosteten 6 990 Euro. Damit waren sie etwa 8 Prozent günstiger als gleichwertige Händlerwagen, stellt der ADAC fest.
Gekauft wie gesehen. Nicht nur Preis und Alter des Pkw spielen eine Rolle bei der Entscheidung, von wem der Kunde kauft. Der wichtigste Unterschied ist die Gewährleistung. Das bedeutet: Privatverkäufer müssen nicht dafür einstehen, dass der verkaufte Wagen technisch in Ordnung ist. Vielmehr dürfen sie die Gewährleistung komplett ausschließen. Dann steht zum Beispiel „unter Ausschluss jeglicher Gewähr“ im Kaufvertrag.*) Fast jeder private Verkäufer nutzt so eine Klausel. Wichtig: Wenn er sie vergisst, übernimmt er die Gewährleistung.
Tipp: Kaufen Sie von einem privaten Verkäufer? Dann schauen Sie sich diesen gut an. Macht er einen ordentlichen, verlässlichen Eindruck? Beschreibt er den Wagen ehrlich? Kann er schlüssig begründen, warum er verkauft?
Kauf vom Händler
Gesetzliche Gewährleistung. Mehr Sicherheit bieten Händler. Als Profis müssen sie laut Gesetz zwei Jahre Gewährleistung geben. Bei Gebrauchten dürfen sie sie auf ein Jahr verkürzen. Das muss aber im Kaufvertrag stehen, sonst gelten zwei Jahre.
Sicht- und Funktionsprüfung. Außerdem müssen Händler das Auto checken, zumindest mit einer Sicht- und Funktionsprüfung. Zeigen sich Anhaltspunkte für Schäden, müssen sie ihnen auf den Grund gehen oder dem Kunden sagen, dass nicht weiter geprüft wurde.
Gebrauchtwagenhändler vs. Vertragshändler. Bleibt noch die Frage: Gebrauchtwagenhändler oder Vertragshändler? Oft gibt der Preis den Ausschlag. Autos vom Gebrauchtwagenhändler sind häufig etwas billiger. Im Schnitt kostete ein Wagen dort 8 730 Euro, war 6,8 Jahre alt und war 81 190 Kilometer gelaufen. Dennoch entschieden sich 2015 nur 19 Prozent der Kunden dafür. Die meisten, nämlich 42 Prozent, gingen zum Vertragshändler: Ihre Autos kosteten im Schnitt 14 820 Euro, waren 4,2 Jahre alt und 53 320 Kilometer gelaufen.
Wozu der ADAC rät
Was empfehlenswerter ist, lässt sich pauschal kaum sagen. Der Gebrauchtwagenhandel hat bei vielen Kunden kein gutes Image. Doch letztendlich kommt es auf den Händler an und auf die Qualität seines Angebots. Gut ist es, wenn Bekannte mit einem Anbieter gute Erfahrungen gemacht haben und ihn empfehlen können. Der ADAC hat beobachtet, dass Missgriffe seltener vorkommen, wenn es sich um ein Markenautohaus handelt oder der Händler folgende Kriterien erfüllt:
- Innung. Der Betrieb ist in der Kfz-Innung. Das zeigen die Schilder: „Meisterbetrieb der Kfz-Innung“ oder „Mitgliedsbetrieb der Kfz-Innung“. Dann können Käufer im Streitfall eine Innungs-Schiedsstelle einschalten.
- Gecheckt. Das Auto ist werkstattgeprüft oder hatte jüngst eine große Inspektion.
- Anzeige. Der Text der Anzeige stimmt mit dem Kaufvertrag überein.
- Mängel. Ein Protokoll listet alle Mängel auf. „Fahrzeug in super Zustand“ oder „Motor und Getriebe okay“ ist zu pauschal.
Tipp: Schwierig sind Versteigerungen im Internet. Sehen Sie sich ein Auto unbedingt vorher selbst an. Fotos reichen nicht. Geben Sie trotzdem ein Gebot ab, müssen Sie dafür einstehen. Achtung: Eine E-Mail: „Ich kaufe Ihren Pkw“ gilt juristisch als Vertragsangebot. Der Verkäufer muss nur noch „Ja“ sagen – schon ist der Kaufvertrag perfekt.
Ausschluss der Gewähr begrenzt
Ob privater Verkäufer oder Händler, ob Gewährleistung oder nicht: Grundsätzlich müssen die Angaben zum Auto stimmen, auch mündliche. Bei „Lederausstattung“ dürfen die Kopfstützen nicht aus Kunstleder sein (Landgericht Saarbrücken, Az. 9 O 188/08). Als ein Verkäufer im Vertrag nur einen Vorbesitzer nannte, obwohl es drei waren, zog er den Kürzeren (OLG Naumburg, Az. 1 U 35/12). Auch die Kilometerzahl muss zutreffen. Doch Vorsicht: Heißt es „Kilometerstand laut Vorbesitzer“ oder „soweit bekannt“, ist die Angabe unverbindlich (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 287/09).
Falsche Angaben aus dem Inserat werden Vertragsbestandteil
Angaben im Inserat sind verbindlich. Das half einem Käufer, dessen Fiat der Verkäufer eine Klimaanlage angedichtet hatte. Sie stand zwar nicht im Vertrag, doch falsche Angaben aus dem Inserat werden Vertragsbestandteil (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. I-12 U 113/06). Einige Eigenschaften müssen gar nicht im Kaufvertrag stehen. Der Kunde darf sie voraussetzen, etwa, dass das Auto unfallfrei ist. Falls nicht, muss der Verkäufer das von sich aus sagen – auch ein privater, wenn er davon weiß (OLG Braunschweig, Az. 8 U 163/13). Sonst darf der Kunde den Preis mindern oder – bei erheblichen Mängeln – vom Kauf zurücktreten, erklärt Autorechtsexperte Kurt Reinking aus Bergisch Gladbach.
Unfall keine Bagatelle
Unfallauto. Der Hinweis „Unfallauto“ reicht nicht. Vielmehr muss der Verkäufer das volle Ausmaß des Schadens nennen. Er darf ihn nicht bagatellisieren. Ein „reparierter Blechschaden“ darf nur oberflächlich sein (OLG Düsseldorf, Az. I-3 U 10/13). „Erneuerte Teile“ dürfen allenfalls wenige Monate alt sein (Kammergericht Berlin, Az. 23 U 170/09).
Bagatellschäden. Nicht angeben muss der Verkäufer Bagatellschäden, also Äußerlichkeiten wie kleine Lack- oder Blechschäden, urteilte der Bundesgerichtshof. In dem Fall war bei einem drei Jahre alten Mercedes aber die Heckklappe verbeult und musste neu lackiert werden. „Kein Bagatellschaden“, meinten die obersten Richter (Az. VIII ZR 253/05).
Mietwagen. Auch wenn der Wagen vorher als Mietwagen lief, sollte der Verkäufer dies von sich aus sagen. Die Käuferin eines VW durfte das Auto zurückgeben, weil der Verkäufer nichts davon gesagt hatte (OLG Stuttgart, Az. 19 U 54/08). Das sehen aber nicht alle Richter so. Das Landgericht Kaiserslautern meinte, heute würden so viele Pkw zunächst als Mietauto zugelassen, dass das kaum ihren Wert mindere (Az. 2 O 498/08).
Mangel oder Verschleiß?
Das Hauptargument für den Kauf beim Händler – die Gewährleistung – hat auch Schattenseiten. In der Praxis gibt es häufig Streit, ob ein Mangel vorliegt oder nur der übliche Verschleiß. Für den gilt die Gewähr nicht.
Beispiele für Verschleiß:
- Defekter Auspuff eines Opel mit 113 000 Kilometern (OLG Celle, Az. 7 U 30/04).
- Seltenes Blinken der ABS-Leuchte ohne Grund bei einem 16 Jahre alten Nissan Serena (LG Aschaffenburg, Az. 32 O 290/14).
- Verstopfter Dieselpartikelfilter bei einem Opel Zafira mit 116 000 Kilometern (Landgericht Düsseldorf, Az. 23 S 156/13).
- Abgenutzte Bremsscheiben bei 63 500 Kilometern (LG Aachen, Az. 6 S 99/03).
In diesen Fällen musste der Händler nicht haften. Dagegen handelte es sich in folgenden Fällen um
Mängel, für die der Verkäufer gerade stehen musste:
- Kabelbrand eines Opel mit 52 746 Kilometern. Kabel sind keine Verschleißteile (Amtsgericht Marsberg, Az. 1 C 143/02).
- Motorschaden bei 88 000 Kilometern (OLG Frankfurt/Main, Az. 24 U 198/04).
- Defekt an Motorsteuergerät und Drosselklappe eines Opel Zafira mit 133 000 Kilometern. Beides sind keine Verschleißteile (AG Schwäbisch Hall, Az. 5 C 557/11).
- Verbrauch von 1,43 Liter Öl auf 1 000 Kilometer bei einem Nissan mit 60 500 Kilometern (AG Halle/Saale, Az. 93 C 2126/10).
Beweiserleichterung
Kommt es zum Streit, gilt für Kunden in den ersten sechs Monaten eine Beweiserleichterung: Dann muss der Händler beweisen, dass das Problem nicht schon zum Kaufzeitpunkt vorlag. Oft ist das kaum möglich. Fein raus war deshalb eine Holländerin, deren Auto vier Monate nach dem Kauf ausbrannte. Ob es ihre Schuld war oder schon beim Kauf ein technischer Mangel vorlag, konnte kein Sachverständiger mehr feststellen. Der Europäische Gerichtshof entschied: Der Händler haftet (Az. Rs. C-497/13).
*) Korrigiert am 12.04.2016.