Gaspreis-Klauseln im Test

So fordern Sie Ihr Geld zurück

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Viele Gasversorger verwenden nach wie vor Klauseln, die den Anforderungen des EuGH nicht genügen und sind daher nicht berechtigt, die Preise zu erhöhen. Außerdem müssen sie Hundert­tausenden von Kunden auf unzu­lässige Preis­erhöhungen entfallende Beträge zurück­zahlen – zum Teil über viele Jahre hinweg. test.de erklärt, wie Sie sich die Erstattung sichern.

Darf mein Gasversorger die Preise erhöhen?

Der EuGH hat geur­teilt: Energieversorger haben nur dann ein Recht auf Preis­erhöhungen, wenn sie in ihren Bedingungen klar regeln, unter welchen Voraus­setzungen sich die Preise ändern und wie das zu geschehen hat. test.de fand aktuell bei 30 Gasangeboten keine einzige Preis­änderungs­klausel, die den Anforderungen eindeutig genügt. Tabelle: Recht zur Preiserhöhung Die RWE Vertrieb AG etwa regelt für Gas-Sonder­verträge. „Änderungen der Preise werden jeweils zum Monats­beginn (...) wirk­sam (...) Ändert das RWE die Preise, kann der Kunde den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungs­frist kündigen“. Ebenso unwirk­sam sind Klauseln wie die der E.on Bayern Vertrieb GmbH: „Für Änderungen der Brutto­preise gelten § 5 Abs. 2 und 3 Gasgrund­versorgungs­ver­ordnung (GasGVV) entsprechend.“ Schon besser: Anbieter, die sich wie EnBW dazu verpflichten, die Preise nur zu erhöhen, wenn ingesamt gestiegene Kosten das nötig machen, und umge­kehrt auch alle Kostensenkungen an Kunden weiterzugeben. Doch die Klauseln sind schwammig und wenig trans­parent. Offen bleibt, welche Kosten relevant sind und wie und wann sie zu ermitteln sind. Stiftung Warentest hält auch diese Klauseln für unwirk­sam. Urteile dazu gibt es allerdings nicht; möglicher­weise werden Gerichte das anders sehen.

Was mache ich, wenn mein Anbieter trotz unwirk­samer Klausel eine Preis­erhöhung fordert?

Zwei Möglich­keiten:

  • Wider­spruch. Sie können der Preis­erhöhung sofort wider­sprechen. Bestehen Sie darauf, Ihren monatlicher Abschlag weiterhin auf Grund­lage der alten Preise zu zahlen. Kündigen Sie an, Last­schriften zu stornieren, wenn sich der Versorger daran nicht hält. Beachten Sie: Der Gasversorger ist berechtigt, den Vertrag mit Ihnen zu kündigen. Wenn er’s tut, müssen Sie sich – etwa mit Hilfe des Gastarif-Vergleichs aus Finanztest 10/2013 – einen neuen Gasversorger suchen. Gas bekommen Sie so oder so weiter. Wenn Sie nicht recht­zeitig einen neuen Anbieter finden, erhalten Sie es auto­matisch vom jeweiligen Grund­versorger. Das ist allerdings in aller Regel ziemlich teuer.
  • Abwarten. Sie machen zunächst gar nichts und warten ab. Sie können dann im letzt­möglichen Zeit­punkt wider­sprechen und das bis dahin über­zahlte Geld zurück­fordern, ohne das Risiko einzugehen, dass Ihnen der Energieversorger kündigt. Wie das genau geht, beschreibt test.de weiter unten im Detail. So können Sie so lange wie möglich profitieren, wenn für Sie aktuell ein besonders güns­tiger Gaspreis gilt. Beachten Sie: Kaum ein Gasversorger wird freiwil­lig zahlen. Auch dazu liefert test.de unten genaue Hinweise.

Wie fordere ich Erstattung, wenn mein Versorger seine Preise bereits rechts­widrig erhöht hat?

Wenn Sie zu viel gezahltes Geld erstattet haben wollen, müssen zunächst der Rechnung wider­sprechen, in der ihr Versorger erst­mals erhöhte Preise verlangt. Dafür gibt der BGH Ihnen drei Jahre ab Erhalt der Rechnung Zeit. Sie können also noch Abrechnungen wider­sprechen, die sie ab Spätsommer 2010 erhalten haben. Es gilt dann der Preis, wie er vor der Preis­erhöhung galt, der sie wirk­sam wider­sprochen haben. Soweit Sie in dieser und den folgenden Rechnungen höhere Preise gezahlt haben, hat der Energieversorger den Betroffenen die Differenz zu erstatten. Bei der Formulierung des Wider­spruchs und der Rück­forderung hilft ein Musterschreiben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Tipp: Schi­cken Sie Ihr Forderungs­schreiben per Einschreiben mit Rück­schein an den Energieversorger.

Wie geht es weiter, wenn der Anbieter die Erstattung verweigert?

test.de ist sich sicher: Kaum ein Anbieter wird ohne weiteres zahlen. Diese zwei Möglich­keiten haben Sie dann:

Verbraucherinkasso. Ganz neue Option: Sie können die Metaclaims Sammelklagen GmbH einschalten. Sie hält unter www.gasurteil-inkasso.de ein Online-Formular bereit. Wenn Sie alle erforderlichen Daten liefern und der Fall geeignet ist, versucht Metaclaims, das über­zahlte Geld für Sie einzutreiben. Wenn Ihr Gasversorger zahlt, erhalten Sie 80 Prozent Ihrer Erstattungs­forderung, den Rest behält Metaclaims. Wenn der Gasversorger nicht zahlt, wird Metaclaims prüfen, ob das Unternehmen eine Sammelklage gegen den Gasversorger startet. So lange der Gasversorger nicht zahlt, entstehen Ihnen keine Kosten jenseits des Portos für den Versand der Unterlagen.

Rechts­anwalt. Der sicherste Weg zum Erfolg: Sie schalten einen in derartigen Sachen erfahrenen Rechts­anwalt ein. Beachten Sie: Für Rechts­anwälte lohnt sich das nur, wenn sie entweder genügend Parallelfälle bearbeiten oder die Erstattungs­forderung hoch genug ist. Folgende Kanzleien fordern für Verbraucher Erstattung rechts­widrig erhöhter Gaspreise:

Wenn sich weitere Kanzleien mit nach­weislichen Erfolgen in vergleich­baren Sachen melden, wird test.de sie ebenfalls nennen.

Tipp: Sofern Sie eine Rechts­schutz­versicherung haben, über­nimmt diese die Kosten – auch wenn Sie verlieren sollten. Wenn Sie gewinnen, muss der Energieversorger am Ende alle Gerichts- und Anwalts­kosten über­nehmen. Suchen Sie am besten nach einem Rechts­anwalt, der Erstattungs­ansprüche wie Ihren schon mit Erfolg durch­gesetzt hat.

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Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 09.05.2014 um 18:32 Uhr
Re: Neuer Vertrag nach Ankündigung...

Bitte um Verständnis: Rechtsberatung im Einzelfall ist Rechtsanwälten und Menschen mit besonderer Genehmigung vorbehalten. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein. Danach gilt: Wer bei Abgaber einer Willeneserklärung im Irrtum über wesentliche Folgen war, dann die Erklärung anfechten. Dies muss allerdings unverzüglich erfolgen, nur bei arglistiger Täuschung ist bis zu ein Jahr Zeit.
Nett wäre, wenn Sie sich bei mir unter c.herrmann@stiftung-warentest.de melden, möglicherweise ist das ein Fall, über den wir - wenn Sie einverstanden sind - gern berichten würden.

Boris.H am 09.05.2014 um 17:47 Uhr
Neuer Vertrag nach Ankündigung einer Preiserhöhung

Mein Anbieter Maingau schickte im Nov. 13 eine Preisanpassung um ca.20%. Mit dabei war ein Angebot mit 12 Monaten Preisgarantie zu einem etwas günstigeren Preis.
Dieses habe ich leider angenommen, um nun festzustellen, dass die Preise aktuell sogar gesunken sind.
Hat man eine Möglichkeit nachträglich etwas zu machen, da die Ankündigung der Preiserhöhung mich zum Abschluss des neuen Vertrags "verleitet" hat?
Vielen Dank und Grüße

Picard777 am 08.01.2014 um 09:56 Uhr
weitere Möglichkeit bei Weigerung

Mein ehemaliger Anbieter Maingau Energie GmbH, von dem ich in 2012 ganz normal weggewechselt war, hat sich zuerst auch geweigert, dabei aber -wohl pflichtgemäß- auf die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens (www.schlichtungsstelle-energie.de) hingewiesen. Das Schlichtungsverfahren kann komplett online über ein Onlineverfahren kostenlos gestartet werden, der Schlichterspruch ist allerdings für den Gasanbieter unverbindlich. Bei mir jedenfalls hat die Schlichtungsstelle meine Beschwerde an den Anbieter weitergeleitet, der daraufhin sofort meine Bankverbindung erfragt und dann erstattet hat.
Ob der Grund für das schnelle Einlenken war, dass es "nur" um ca. 100 € ging und ich auch vorher schon kein Kunde mehr war, weiß ich natürlich nicht.

Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 08.10.2013 um 17:14 Uhr
Re: Rückforderung abgewiesen und gekündigt

So haben wir es erwartet. Wer Erstattung fordern will, muss mit Widerstand rechnen. Viele Versorger haben schon signalisiert: Freiwillig zahlen sie nicht. Wer sich die Mühe macht, die Erstattung mit Fristsetzung zu fordern und anschließend einen Rechtsanwalt oder Metaclaims einschaltet, hat gute Aussichten sich durchzusetzen. Klar: Etwas Geduld ist dann auch noch nötig...

Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 08.10.2013 um 17:07 Uhr
Re: Fristablauf für Widerspruch?

Die Frist beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit Erhalt der ersten Abrechnung, in der der Versorger die erhöhten Preise verlangt hat.