Seit Wochen liefert Russland weniger Gas als vereinbart. Das treibt die Preise nach oben. Jetzt reagiert die Regierung mit einer neuen Umlage. Sie gilt ab 1. Oktober.
Weil Russland seine Lieferverträge bricht und weniger Gas liefert, müssen Gasimporteure derzeit zu sehr hohen Preisen nachkaufen. Die Mehrkosten für diese Ersatzbeschaffung werden jetzt über eine neue Umlage gleichermaßen auf alle Gaskundinnen und -kunden verteilt, ähnlich wie bei der inzwischen abgeschafften EEG-Umlage. Die Idee: Die Kosten eines Haushalts oder eines Unternehmens sollen nicht allein von der Beschaffungsstrategie ihres Versorgers abhängen. Die neue Umlage beträgt 2,419 Cent pro Kilowattstunde und wird vom sogenannten Marktgebietsverantwortlichen, der Trading Hub Europe, berechnet. Das ist ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Gas-Fernleitungsnetzbetreiber.
Die neue Gas-Umlage gilt ab 1. Oktober 2022 und ist bis zum 1. April 2024 befristet. Sie kann alle drei Monate von der Trading Hub Europe aktualisiert werden. Die Bundesnetzagentur begleitet als unabhängige Behörde das Verfahren und prüft die Berechnungen auf Plausibilitäten. „Die Umlage muss und wird von einem weiteren Entlastungspaket begleitet werden“, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Welche Mehrkosten kommen auf die Haushalte zu?
Das hängt vom Verbrauch ab. Für einen Haushalt mit einer 100-Quadratmeterwohnung und einem Jahresverbrauch von 12 000 Kilowattstunden, steigen die Kosten um 241,90 Euro jährlich. Wer ein großes oder womöglich schlecht gedämmtes Haus und einen Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden hat, zahlt 483,80 Euro mehr. Nach jetzigem Stand fällt auf die neue Umlage, so wie es auch bei der EEG-Umlage war, die Mehrwertsteuer von 19 Prozent an.
Aktuelle Marktsituation und Maßnahmen der Regierung
Droht ein Stopp der kompletten Gaslieferungen aus Russland?
Danach sieht es derzeit nicht aus. Zwar drosselt der russische Staatskonzern Gasprom seit Mitte Juni die Liefermengen nach Deutschland, zunächst auf 40 Prozent der maximalen Kapazität und nach der Wartung der Pipeline Nordstream 1 auf derzeit 20 Prozent.
Bislang kann der Engpass aber noch durch andere Lieferungen ausgeglichen werden, wenn auch zu deutlich höheren Preisen.
Die Bundesnetzagentur stuft die Situation im Lagebericht vom 15. August 2022 als „angespannt“. „Eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden“. Die Bundesnetzagentur sagt aber auch, die Versorgungssicherheit sei weiter gewährleistet – Haushalte und Unternehmen müssen sich jedoch auf „deutlich steigende Gaspreise einstellen“. Aktuell können die reduzierten russischen Gaslieferungen noch durch andere Lieferanten kompensiert werden, wenn auch zu hohen Preisen. Dennoch ist die Lage so angespannt, dass die Bundesnetzagentur, wo es nur möglich ist, zum Energiesparen aufruft.
Gut zu wissen: Auch durch die zweite Pipeline Transgas fließt nach wie vor Gas nach Europa, seit Mitte Juni allerdings in geringeren Mengen. Außerdem hat Deutschland seinen Gasbedarf aus Russland reduziert. Deckten russische Lieferungen im Jahr 2021 unseren Gasbedarf noch zu etwa 55 Prozent, lag der Anteil Ende Juni laut Bundeswirtschaftsministerium bei 26 Prozent. Das liegt daran, dass andere Länder, wie Belgien, Niederlande und Norwegen mehr Gas liefern.
Welche Maßnahmen ergreift die Regierung, um den Preisanstieg zu bremsen?
Weniger Gas für die Stromproduktion. Um Preisdruck aus dem Markt zu nehmen, soll weniger Gas in die Stromproduktion fließen. Im ersten Quartal 2022 stammten 13 Prozent des Stroms aus Gaskraftwerken. Am 8. Juli 2022 billigte der Bundesrat das Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken. Kraftwerke, die Strom aus Stein- oder Braunkohle sowie Mineralöl produzieren, können jetzt bis Ende März 2024 weiterlaufen oder wieder in Betrieb genommen werden.
Gasspeicher füllen. Bereits im Juni 2022 gewährte die Bundesregierung der Trading Hub Europe GmbH einen 15 Milliarden Euro Kredit, um die Gasspeicher in Deutschland aufzufüllen. Derzeit liegen die Füllstände bei etwas über 76 Prozent (Stand: 15. August 2022). Ein neues Gesetz verlangt einen Füllstand von 90 Prozent zum 1. November 2022.
Bau von Flüssiggas-Terminals und mögliche Staatshilfen. Energieunternehmen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, wie große Gasimporteure, sollen bei drohender Pleite gestützt werden – entweder durch eine staatliche Beteiligung am Unternehmen oder durch Bürgschaften. Außerdem wird der Bau von Flüssiggastermin beschleunigt, um unabhängiger vom russischen Pipeline-Gas zu werden.
Notfallplan in Kraft. Wegen der Lieferengpässe hat die Bundesregierung die Alarmstufe ausgerufen. Das ist die zweite Stufe des Notfallplans.
Alarmstufe ist die zweite Stufe des Notfallplans
Warum hat das Bundeswirtschaftsministerium die Alarmstufe ausgerufen?
Gazprom, Russlands staatlicher Energiekonzern, hat die Gaslieferungen nach Deutschland seit Mitte Juni 2022 stark gedrosselt auf zuletzt etwa 20 Prozent der Maximalleistung. Diese Situation haben das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur als erhebliche Verschlechterung und Störung der Gasversorgungslage bewertet. Beides sind Voraussetzungen, um die Alarmstufe auszurufen. Derzeit ist der Markt aber noch in der Lage, die Situation selbst, ohne staatliche Eingriffe, zu bewältigen. Die Alarmstufe ist die zweite von drei Stufen des Notfallplans Gas.
Welche Stufen umfasst der Notfallplan Gas?
Der Notfallplan umfasst insgesamt drei Stufen. Ende März hatte das Bundeswirtschaftsministerium die erste Stufe ausgerufen, die Frühwarnstufe. Sie ist eine Art Vorwarnstufe, dass es künftig zu einer erheblichen Verschlechterung der Versorgung kommen könnte. Stufe zwei, die Alarmstufe, greift, wenn es bereits zu Lieferengpässen kommt, der Markt aber noch in der Lage ist, die Störung allein zu bewältigen.
In der Notfallstufe greift der Staat in Abstimmung mit den Netzbetreibern direkt in die Gasverteilung ein. Dabei wird die Bundesnetzagentur zum „Bundeslastverteiler“. Sollte es hierzu kommen, dürften Kürzungen der Versorgung zunächst vor allem die Industrie betreffen. Die privaten Haushalte, auf deren Konto etwa 30 Prozent des Gasverbrauchs gehen, gehören zu den geschützten Kunden, ebenso wie soziale Einrichtungen.
Preiserhöhungen kommen
Dürfen Versorger wegen der Alarmstufe höhere Preise an die Verbraucher weiterreichen?
Grundsätzlich kann die Preisbindung während der Alarmstufe aufgehoben werden, auch für Kunden, die einen Vertrag mit Preisgarantie haben. Dies regelt Paragraf 24 des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG). Wichtig: Es muss nicht nur die Alarmstufe ausgerufen werden, sondern zusätzlich muss die Bundesnetzagentur eine erhebliche, stetige Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland feststellen und im Bundesanzeiger veröffentlichen. Dies ist derzeit nicht der Fall.
Wem droht eine Preiserhöhung?
Die neue Umlage wird alle Haushalte treffen, auch die mit Preisgarantie. Auf Kunden, deren Preisgarantie ausgelaufen ist, kann außerdem noch eine Preiserhöhung durch den Versorger zukommen. Im Juli erhöhrte sich der Erdgaspreis für Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber dem Vorjahresmonat um 75,1 Prozent, wie das Dashboard Deutschland des Statistischen Bundesamts zeigt. Die Bundesnetzagentur sagt: „Es ist davon auszugehen, dass es zu weiteren Preissteigerungen kommen wird. Höhere Preise an den Gasmärkten werden zeitlich nachgelagert auch Auswirkungen auf die Verbraucherpreise haben.“
So reagieren Haushalte auf eine Gaspreiserhöhung
Wie finde ich einen günstigen Gasversorger?
Schickt der Versorger eine Preiserhöhung, ist es erst einmal wichtig, sie zu prüfen. Oft finden Verbraucherinnen und Verbraucher aktuell gar kein günstigeres Angebot am Markt. Dann ist es am besten, die Erhöhung zu akzeptieren. Beim Preisvergleich hilft unser kostenloser Vergleichsportal-Test. Grundsätzlich sollten Kunden auch die Tarife bei ihrem Grundversorger vor Ort prüfen. In vielen Städten ist der Grundversorgungstarif derzeit am günstigsten. Ob dies der Fall ist, lässt sich leicht mithilfe der Vergleichsportale Check24 oder Verivox erkennen. Weisen sie in der Ergebnisliste nur einen Preis und keine Ersparnis aus, ist der Grundversorger vor Ort am günstigsten. Verbraucher sollten aber bedenken: Der Grundversorgungstarif hat keine Preisgarantie.
Was bedeutet die Gaskrise für Mieter und Mieterinnen mit Gaszentralheizung?
Möglicherweise entscheidet der Vermieter, die Raumtemperatur zu drosseln. Der Wohnkonzern Vonovia kündigte zum Beispiel an, die Raumtemperatur in Häusern mit Gas-Zentralheizungen nachts zwischen 23 Uhr und 6 Uhr auf 17 Grad zu drosseln. In den übrigen Zeiten könnten die Mieter wie gewohnt heizen.
Der Vermieter darf die Heizung jedoch nicht unbegrenzt drosseln: „Es gibt bestimmte Temperaturgrenzen, die in der Wohnung gewährleistet sein müssen“, sagt Jutta Hartmann, Pressesprecherin des Deutschen Mieterbundes. Diese Grenzen sind nicht explizit im Gesetz genannt, jedoch wurden in der Rechtsprechung Mindesttemperaturen von 20 bis 22 Grad tagsüber und 17 bis 18 Grad nachts festgelegt (z.B. Landgericht Berlin, Az. 63 S 423/11; Amtsgericht Köln, Az. 1 C 1320/96). „Werden diese Grenzen unterschritten, ist die Drosselung der Temperatur unzulässig, und es liegt ein Mietmangel vor“, sagt Hartmann. Mieterinnen und Mieter sollten vor einer Mietminderung das Gespräch mit dem Vermieter suchen und ihn über den Mangel unterrichten. Tut sich trotzdem nichts, sollten sie rechtlichen Rat einholen und ankündigen, die Miete unter Vorbehalt zu zahlen.
Wer als Mieter oder Mieterin selbst keinen Vertrag mit einem Gasversorger geschlossen hat, sondern über eine Gaszentralheizung mit Wärme versorgt wird, rechnet seine Heizkosten meist über seine Mietnebenkosten ab. Er spürt die derzeitige Preiswelle womöglich erst später, wenn die Nachzahlung für die laufende Abrechnungsperiode kommt. Wichtig ist, jetzt schon Geld für eine Nachzahlung zurückzulegen. Sie kann bei größeren Wohnungen durchaus im vierstelligen Bereich liegen. Künftig wird außerdem der monatliche Nebenkostenabschlag steigen.
Tipp: Unser Nachzahlungsrechner hilft Ihnen dabei, die Kosten einzuschätzen.
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Können Sie ein paar Informationen zur praktischen Umsetzung und den Rechten der Mieter ergänzen? Gibt es für den Gaszähler des Hauses eine Zwischenablesung zum Beginn der Gasumlage? Als Mieter haben wir einen Warmwasserzähler und Heizkörperzähler, bei denen der Jahresverbrauch normalerweise im Januar abgelesen wird. Haben wir Anspruch auf eine Zwischenablesung zum 1.10., oder empfehlen Sie die selbst vornehmen? Wir haben vor, in diesem Winter deutlich weniger zu verbrauchen als im letzten. Falls es wie gewöhnlich nur eine Jahresablesung gibt, lässt sich ja überhaupt nicht feststellen, was wir vor und nach dem 1.10. an Heizung und Warmwasser gebraucht haben.
Mit der Gasumlage will die Bundesregierung die Beschaffung stabilisieren. Die Gasumlage soll auf die privaten Gaskunden und -kundinnen verteilt werden. Doch ist das verfassungskonform? Gas nutzen nicht nur private Gaskunden und -kundinnen, Gas wird auch zur Erzeugung von Strom eingesetzt und wird u.a. von Stromkunden und -kundinnen genutzt und dient in der Industrie als Energiequelle.
In der Einleitung heißt es: "Seit Wochen liefert Russland weniger Gas als vertraglich vereinbart. Das treibt die Preise nach oben." Das ist aus der Sicht eines objektiven Dritten nur die halbe Wahrheit. Auch die vielen Spekulanten an den Börsen treiben die Preise für Energie (Gas, Öl, Strom) nach oben. Außerdem sollte man anmerken, dass die Europäische Union (und Deutschland an der Speerspitze) Russland bei den Energie- und Warenlieferungen auf der einen Seite boykottiert, um Russland wegen der Ukraine in die Knie zu zwingen. Auf der anderen Seite beklagt man sich dann darüber, wenn Russland zu wenig Gas nach Europa bzw. Deutschland liefert. Das ist ein Zielkonflikt, denn es passt logischerweise nicht zusammen.
@Frazermint: Ich würde darauf verzichten Heizlüfter anzuschaffen. Von dieser Idee habe ich nun schon öfters gelesen und gehört, was einem mit ein wenig Bauchschmerzen auf den nahenden Winter schauen lässt. Stellen Sie sich vor, jeder mit einer Gasheizung würde nun zu gleichen Zeitpunkten (es ist ja in einer Stadt überall quasi gleich kalt) einen Heizlüfter einschalten. Ich denke wir sollten vorsichtig sein, nicht das uns noch Stromausfälle drohen. Dann doch lieber einen Pulli und eine Decke mehr!
@Frazermint: Vielen Dank für Ihre Anregung, die wir gern im Hause weiterleiten. In der Kürze, wie Sie das für eine Kaufentscheidung sich wünschen, können wir leider nicht mit den gewünschten Testergebnissen dienen.
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Können Sie ein paar Informationen zur praktischen Umsetzung und den Rechten der Mieter ergänzen?
Gibt es für den Gaszähler des Hauses eine Zwischenablesung zum Beginn der Gasumlage?
Als Mieter haben wir einen Warmwasserzähler und Heizkörperzähler, bei denen der Jahresverbrauch normalerweise im Januar abgelesen wird. Haben wir Anspruch auf eine Zwischenablesung zum 1.10., oder empfehlen Sie die selbst vornehmen?
Wir haben vor, in diesem Winter deutlich weniger zu verbrauchen als im letzten. Falls es wie gewöhnlich nur eine Jahresablesung gibt, lässt sich ja überhaupt nicht feststellen, was wir vor und nach dem 1.10. an Heizung und Warmwasser gebraucht haben.
Mit der Gasumlage will die Bundesregierung die Beschaffung stabilisieren.
Die Gasumlage soll auf die privaten Gaskunden und -kundinnen verteilt werden. Doch ist das verfassungskonform?
Gas nutzen nicht nur private Gaskunden und -kundinnen, Gas wird auch zur Erzeugung von Strom eingesetzt und wird u.a. von Stromkunden und -kundinnen genutzt und dient in der Industrie als Energiequelle.
In der Einleitung heißt es: "Seit Wochen liefert Russland weniger Gas als vertraglich vereinbart. Das treibt die Preise nach oben."
Das ist aus der Sicht eines objektiven Dritten nur die halbe Wahrheit. Auch die vielen Spekulanten an den Börsen treiben die Preise für Energie (Gas, Öl, Strom) nach oben.
Außerdem sollte man anmerken, dass die Europäische Union (und Deutschland an der Speerspitze) Russland bei den Energie- und Warenlieferungen auf der einen Seite boykottiert, um Russland wegen der Ukraine in die Knie zu zwingen. Auf der anderen Seite beklagt man sich dann darüber, wenn Russland zu wenig Gas nach Europa bzw. Deutschland liefert. Das ist ein Zielkonflikt, denn es passt logischerweise nicht zusammen.
@Frazermint: Ich würde darauf verzichten Heizlüfter anzuschaffen. Von dieser Idee habe ich nun schon öfters gelesen und gehört, was einem mit ein wenig Bauchschmerzen auf den nahenden Winter schauen lässt.
Stellen Sie sich vor, jeder mit einer Gasheizung würde nun zu gleichen Zeitpunkten (es ist ja in einer Stadt überall quasi gleich kalt) einen Heizlüfter einschalten. Ich denke wir sollten vorsichtig sein, nicht das uns noch Stromausfälle drohen.
Dann doch lieber einen Pulli und eine Decke mehr!
@Frazermint: Vielen Dank für Ihre Anregung, die wir gern im Hause weiterleiten. In der Kürze, wie Sie das für eine Kaufentscheidung sich wünschen, können wir leider nicht mit den gewünschten Testergebnissen dienen.