
Niedrige Löhne, massive Überstunden – auch die Outdoor-Branche profitiert von schlecht bezahlten Näherinnen in Asien. test hat nach Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in Fertigungsstätten gefragt, Nähfabriken vor Ort überprüft und Arbeiter interviewt. Das Ergebnis: Ob in China, Indonesien oder Vietnam – die Beschäftigten, die die Jacken zusammennähen, erhalten meist nur Billiglöhne. Doch es gibt Lichtblicke.
Unternehmensverantwortung im Test
Neben dem Test der Funktionsjacken selbst Funktionsjacken: Von gut bis mangelhaft hat die Stiftung Warentest auch die gesellschaftliche Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, kurz CSR) der 17 Anbieter von Funktionsjacken untersucht.
Elf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche
Südchina, Provinz Guandong. Ortstermin bei Jiangmen Ltd., einer Textilfabrik, wie es sie hier zu Dutzenden gibt. Eine zierliche junge Frau, nennen wir sie Jiao Wang, sitzt an der Nähmaschine und schneidert Funktionsjacken für Europa – elf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, mitunter auch am Sonntag. So ein Pensum ist verboten, selbst in China. Doch Jiao Wang beklagt sich nicht. Ohne die vielen Überstunden würde ihr Lohn kaum fürs Leben reichen. So kommen am Monatsende immerhin 1 400 Yuan zusammen, das sind umgerechnet etwa 180 Euro. Eine Familie kann sie von diesem Geld allerdings nicht ernähren. Dafür müsste Jiao Wang doppelt so viel arbeiten.
Mit Billiglöhnen abgespeist
Jiao Wang ist kein Einzelfall. Sie ist die Regel. Sie verdient in der Outdoor-Branche auch nicht mehr als zum Beispiel ihre Kolleginnen fürs Nähen einfacher T-Shirts. Das zeigt der Test zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung der 17 Anbieter der Funktionsjacken aus dem Warentest. test hat die Anbieter nach Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in ihren Fertigungsstätten gefragt, Nähfabriken vor Ort überprüft und Arbeiter interviewt. Vorausgesetzt, der Anbieter stimmte zu. Das Ergebnis: Ob in China, Indonesien oder Vietnam – die Fabriken, in denen die Jacken zusammengenäht werden, speisen ihre Beschäftigten meist mit Billiglöhnen ab. Und was in den Zulieferbetrieben vor sich geht, bei den Webern, den Färbern, den Knopfherstellern – davon haben die meisten Anbieter wenig Ahnung.
Vier verweigern die Auskunft
Das größte Engagement lassen noch Adidas, Jack Wolfskin und Schöffel erkennen. Adidas zeigt, dass in einer Nähfabrik gute Produktionsbedingungen möglich sind. Vor allem beim Umweltschutz konnte der Konzern vor Ort überzeugen. Die meisten anderen zeigen dagegen wenig konkretes Engagement. Viele Prüfpunkte bewerteten die Tester mit mangelhaft. Das kann dreierlei heißen: Der Anbieter hat die Produktion nicht im Blick oder er kann seine Angaben zu der Fertigungsstätte nicht belegen oder die Experten der Stiftung Warentest haben vor Ort große Mängel gefunden.
Das Engagement ist bestenfalls befriedigend
Früher hieß die schlechteste Bewertung „Bescheidene Ansätze“. Jetzt lautet sie: mangelhaft. test vergibt nun auch in CSR-Tests die üblichen Noten. Statt „Sehr stark engagiert“ heißt es sehr gut. Diese Traumnote erzielte aber keiner. Die beste Note im Test ist befriedigend. Vier Anbieter verweigern die Auskunft: Berghaus, Columbia, Haglöfs und Patagonia haben weder auf die Fragen der Stiftung Warentest geantwortet noch Einblicke in ihre Fertigungsstätten gewährt. Maier Sports und The North Face haben zwar die Fragebögen beantwortet, öffneten den Testern aber nicht die Tore ihrer Nähfabriken in China und Bangladesch.
Textilien sind ein globales Geschäft
Die Produktion von Funktionsjacken ist ein globales Geschäft. Der Anbieter, zum Beispiel Jack Wolfskin in Deutschland, entwirft das Design der Jacke. Er beauftragt den Konfektionär, in diesem Fall eine Nähfabrik in Vietnam, die Jacke gemäß seinem Prototyp herzustellen. Jack Wolfskin gibt vor, welche Stoffe und zum Teil auch welche Komponenten wie etwa Reißverschlüsse verarbeitet werden sollen. Zudem bestimmt Jack Wolfskin oft, bei welchem Lieferanten der Konfektionär die Teile einkaufen soll, aus denen er die Jacke zusammennäht.
Arbeitsbedingungen nur selten im Blick
Arbeitsbedingungen prüfen die Anbieter nur in der Nähfabrik, die Zustände in den Zulieferbetrieben kennen sie kaum. Oft reicht ihnen die schriftliche Zusage des Konfektionärs, dass die Vorgaben eingehalten werden. Viel wert ist das nicht, da auch der Konfektionär selten vor Ort prüft, ob die Arbeiter in der Weberei anständig bezahlt werden und die Färber beim Umgang mit Chemikalien Schutzkleidung tragen.
Fast 88 Überstunden im Monat
Alle Jacken aus dem Test Funktionsjacken: Von gut bis mangelhaft wurden in Asien genäht, meist in China. Auch die Komponenten kommen oft von dort. Einer der Hauptgründe: geringe Lohnkosten. In der Region Jiangmen zum Beispiel liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 950 Yuan, umgerechnet 122 Euro im Monat für eine 48-Stunden-Woche. Den Mindestlohn zahlen alle besuchten Nähfabriken, manchmal etwas mehr. Der Lohn reicht aber kaum zum Leben. Daher sind Überstunden an der Tagesordnung. Extrembeispiel: In der Nähfabrik, die für Salewa fertigt, machten im März 2012 fast alle Arbeitnehmer 83 bis 87,5 Überstunden – gesetzlich erlaubt sind 36 Stunden im Monat.
Erste Schritte zu mehr Fairness
Die Fair Wear Foundation (FWF) setzt sich dafür ein, solche Zustände in der Textilindustrie zu verändern. Die Mitglieder – aus der Outdoor-Branche sind das Jack Wolfskin, Maier Sports, Mammut, Schöffel und Vaude – verpflichten sich, exzessive Überstunden zu vermeiden und Löhne zu zahlen, die den Lebensunterhalt einer Familie sichern. Das klappt noch nicht – existenzsichernde Löhne zahlt keine Fabrik, Überstunden sind die Regel. Dennoch gilt die 1999 gegründete FWF vielen als beste Adresse, den Prozess voranzubringen. Die Asia Floor Wage Alliance (AFW) hat für asiatische Länder ausgerechnet, wie viel Lohn ein Arbeiter braucht, um den Grundbedarf einer vierköpfigen Familie zu sichern – in einer regulären Arbeitswoche, ohne Überstunden und Zuschläge. Für China liegt dieser Grundbedürfnislohn bei mindestens 2 244 Yuan, etwa 288 Euro. Das ist mehr als das Doppelte des gesetzlichen Mindestlohns im Distrikt Jiangmen.
Fortschritte beim Umweltschutz

Beim Umweltschutz sieht es wenig besser aus. Kaum eine Fabrik hat ein Umweltmanagementsystem. Gravierende Mängel, was den Umgang mit Chemikalien, Energie, Wasser und Abfällen angeht, fanden die Experten nicht. Allerdings halten sich die meisten nur ans Gesetz – echtes Engagement, etwa Energie zu sparen, ist selten. Und auch hier gilt: Wie es beim Färben, Veredeln und Herstellen der Membran zugeht, haben die Anbieter kaum im Blick. Sie verlassen sich wie bei den Arbeitsbedingungen auf die Zusagen ihrer Zulieferer. Immerhin: Einige Produktionsstätten sind nach dem Umweltstandard Bluesign (siehe Logo) zertifiziert, etwa bei Mammut und Vaude. Auch andere planen, diesen Standard umzusetzen. Er macht strenge Vorgaben für die Herstellung von Textilien. Bluesign gilt als großer Wurf, weil sich damit systematisch der Einsatz von Problemstoffen und Ressourcen auf allen Produktionsstufen minimieren lässt.
Auch Positives gesehen
Bei aller Kritik: Die Experten haben in den besuchten Fabriken auch viel Positives gesehen. Die Arbeitnehmer verfügen in der Regel über korrekte Verträge, alle dürfen sich gewerkschaftlich organisieren. Die Werkshallen sind gut belüftet, Notausgänge frei zugänglich, Feuerlöscher vorhanden. Auch der Arbeitsschutz wird in der Regel eingehalten. Was manche Anbieter für ihre Beschäftigten an den Firmensitzen in Europa tun, ist ebenfalls erfreulich. Die meisten bieten flexible Arbeitszeiten, einige eine betriebliche Altersvorsorge, Salewa und Vaude haben einen Betriebskindergarten. Was fehlt, sind anständige Löhne in Asien – 50 Cent mehr pro Stunde wären für Jiao Wang schon ein Segen. Klingt machbar.