Früh­erkennung bei Prostata­krebs Wie gut Ärzte beraten

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Spezielle Unter­suchungen sollen Tumore früh entdecken, sind aber umstritten. Männer müssen die Vor- und Nachteile kennen. Aber die Ärzte im Test berieten schlecht.

„Hat Ihre Frau Sie geschickt?“, wundert sich die Ärztin. Unser Tester hat ihr gerade eröffnet, er wolle sich zur Früh­erkennung von Prostata­krebs informieren. Die Frage der Medizinerin kommt nicht von ungefähr. Gemäß einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts nehmen Frauen Unter­suchungen zur Krebs­früh­erkennung deutlich häufiger wahr als Männer. Das kann, muss aber kein Vorteil sein. Denn viele dieser Unter­suchungen sind umstritten.

Auch über Sinn und Unsinn regel­mäßiger Checks auf Prostata­krebs diskutieren Experten. Die Tests können nicht klar zwischen aggressiven und harmlosen Tumoren unterscheiden. So führen viele Diagnosen dazu, dass Männer sich unnötig sorgen und auf körperlich belastende Therapien gefasst machen müssen; medizi­nische Vorteile bringt das Ganze nicht.

Die deutsche Ärzte-Leit­linie zu Prostata­krebs empfiehlt daher, dass Mediziner über die Vor- und Nachteile der Früh­erkennungs­unter­suchungen aufklären. Nur mit diesem Wissen können Männer abwägen und frei für sich entscheiden, ob bei ihnen die individuelle Angst vor unent­decktem Krebs über­wiegt – oder die vor unnötigen Sorgen und riskanten Behand­lungen.

Zu Besuch bei 20 Ärzten

Beraten Ärzte so gut, dass Männer eine informierte Entscheidung treffen können? Sind ihre Auskünfte voll­ständig, korrekt und im Einklang mit der Leit­linie? Um das zu erfahren, suchten Ende 2014 geschulte Tester zwischen 49 und 67 Jahren zehn Allgemeinmediziner und zehn Urologen in Bayern auf.

Alle stellten dieselbe Eingangs­frage: „In meinem Bekann­tenkreis wird jetzt öfter über Prostata­krebs gesprochen. Muss ich mir deshalb Sorgen machen?“ Dann hörten sie genau zu und fragten, wenn nötig, gezielt zu wichtigen Aspekten nach. Später protokollierten sie alle Auskünfte. Eine medizi­nische Gutachterin prüfte die Angaben.

Ergebnis: Kein Arzt beriet umfassend und ausgewogen. Viele boten über­flüssige Tests an oder machten fachliche Fehler. Und meist kam zu kurz, dass Früh­erkennungs­unter­suchungen auch Risiken bergen. Konkret dazu befragt, meinte ein Allgemein­arzt: „Was soll das für Nachteile haben? Das ist doch nur Diagnostik.“ Dass Männer informiert entscheiden, erscheint auf dieser Grund­lage kaum möglich.

Auffallend waren die Unterschiede zwischen den Fach­gruppen. Die Urologen im Test berieten etwas ausführ­licher als die Allgemeinmediziner, aber häufiger werbend für die Unter­suchungen. Viele stellten den Nutzen zu positiv dar, die Krankheit selbst als über­trieben bedrohlich.

Nicht alle Tumore sind gefähr­lich

Prostata­krebs ist in Deutsch­land der häufigste bösartige Tumor bei Männern (siehe Unter­artikel Prostata - eine empfindliche Drüse). Er entsteht aber meist erst in späteren Lebens­jahren und wächst so lang­sam, dass er selten Probleme bereitet. Betroffene sterben oft nicht an der Geschwulst, sondern alters­bedingt an etwas anderem. Diesen Zusammen­hang stellten sieben Allgemeinmediziner korrekt dar, aber nur drei Urologen.

Kein Arzt nannte den Testern ein konkretes Erkrankungs­risiko im Hinblick auf das individuelle Alter – dabei gibt es dazu Tabellen (www.krebsdaten.de). Männer unter 45 Jahren haben den Tumor so gut wie nie. Hingegen findet er sich laut Autopsie­studien an Europäern, die aus anderen Gründen gestorben waren, bei etwa 90 Prozent der über 90-Jährigen.

Doch es gibt auch aggressive Formen der Krankheit. Zudem fallen mögliche Symptome wie Blut im Urin oder Schmerz meist erst auf, wenn ein Tumor fort­geschritten und nicht mehr so gut behandel­bar ist.

Viele bieten teure Kombi-Checks an

Früh­erkennung bei Prostata­krebs - Wie gut Ärzte beraten

Ultra­schall. Die Aufnahmen sind zur Früh­erkennung von Prostata­krebs nicht geeignet. © Your Photo Today / Phanie; Stiftung Warentest (M)

Als Möglich­keiten der Früh­erkennung nannten die Ärzte im Test die Tastuntersuchung, den sogenannten PSA-Test und Ultra­schall. Die erste Methode zahlt die Kasse. Dabei tastet der Arzt mit einem Finger vom Enddarm aus die Prostata ab. Das Verfahren ist simpel, spürt aber kleine Tumore nicht auf. Entsprechend meinten viele Mediziner, dass dieser Check allein nicht ausreicht.

Sieben Urologen und zwei Allgemeinmediziner empfahlen statt­dessen „Komplett­pakete“ aus Tast­unter­suchung, PSA-Test, Ultra­schall. Die Kosten: 50 bis 300 Euro.

Auffallend: Gesamt­pakete bekamen mehr­heitlich jene Tester angeboten, die sich als Privatpatienten angemeldet hatten. Gesetzliche Kassen zahlen PSA-Test und Ultra­schall nur, um einen bestehenden Krebs­verdacht abzu­klären.

Der Nutzen von Ultra­schall zur Früh­erkennung ist kaum untersucht. Die Aufnahmen zeigen meist erst größere Tumore, die Ärzte auch durch Abtasten finden. Die Leit­linie zum Thema betont, Ultra­schall sei allgemein zur Früh­erkennung „nicht geeignet“. Etliche Ärzte im Test störte das kaum.

Umstrittener PSA-Test

Ob mit oder ohne Ultra­schall: Alle Ärzte brachten einen Test ins Gespräch, bei dem per Blut­probe nach prostata­spezi­fischem Antigen (PSA) gesucht wird. Allein kostet er in den geprüften Praxen 10 bis 35 Euro. Er kann Prostata­krebs früh entdecken, hat aber einige Risiken (mehr dazu im Unter­artikel zum PSA-Test). Die Ärzte-Leit­linie empfiehlt ihn kombiniert mit der Tast­unter­suchung – und nur, wenn Männer ihn nach der Aufklärung über die Vor- und Nachteile wünschen. Bei unauffäl­ligen Ergeb­nissen reichen Wieder­holungen alle vier Jahre. Sechs Urologen und drei Allgemeinmediziner empfahlen aber von vorn­herein PSA-Prüfungen im Jahres­takt. Ein Tester erfuhr: „Kommen Sie alle sechs Monate.“ Das ist nicht im Sinn der Leit­linie.

Unzu­reichend erfüllten die Mediziner auch ihre zentrale Aufgabe, über die Vor- und Nachteile des PSA-Tests aufzuklären. Fast alle stellten den Nutzen zu positiv dar. So wiesen bloß zwei Urologen und vier Allgemeinmediziner darauf hin, dass eindeutige wissenschaftliche Belege dafür fehlen, dass der PSA-Test die Sterb­lich­keit an Prostata­krebs verringern kann. Nach jetzigem Forschungs­stand nützt er höchs­tens einem Bruch­teil der Nutzer.

Harmlose Tumore, unnötige Therapien

Der geringe Erfolg des PSA-Tests hängt damit zusammen, dass Prostata­krebs meist lang­sam wächst, also Männern auch unent­deckt nicht schadet. Größer ist der Nutzen bei den aggressiven Varianten. Diese kommen allerdings insgesamt selten vor und können zudem so schnell voran­schreiten, dass sie der Früh­erkennung durch die Maschen gehen.

Zudem lässt sich bisher schwer vorher­sagen, wie sich kleine, per PSA entdeckte Tumoren zukünftig entwickeln. Viele werden unnötig behandelt. Auf die Gefahr solcher Über­therapien wiesen nur sechs Ärzte hin. Dabei bergen die Behand­lungen Risiken. So können Operation und Bestrahlung sich negativ auf Mannes­kraft und Harn­fluss auswirken, also impotent und inkontinent machen. Bloß drei Ärzte sagten das.

Konkret zu Nach­teilen befragt, wiegelten mehrere Ärzte ab, etwa so: „Darüber reden wir, wenn es so weit ist.“ Einer meinte: „Ich kann jetzt keine Lehr­ver­anstaltung machen.“ Eine Urologin beendete das gesamte Gespräch nach acht Minuten: „Keine weiteren Fragen? Ich habe noch kranke Patienten, die auf mich warten!“

Viele Ärzte wirkten bestimmend und stellten PSA-Test oder Komplett­paket als alternativlos dar. Das passt nicht zum heutigen Verständnis, wonach Arzt und Patient sich auf Augen­höhe begegnen. Demnach sollen Mediziner zur Früh­erkennung informieren – und Männer als mündige Bürger selbst über die Teil­nahme entscheiden lassen. Schwacher Trost: Immerhin war die Stimmung in den Praxen meist freundlich.

Wissen um den Krebs im Körper

Welche Folgen eine arglos durch­geführte Früh­erkennung haben kann, zeigt der Fall von Manfred Böhm*. Vor etwa einem Jahr ging der 67-Jährige zur Routine­unter­suchung bei der Haus­ärztin. Beiläufig fragte sie: „Wollen Sie den PSA-Test gleich mitmachen?“ Böhm sagte zu. Einige Tage später der Anruf: „Ihr Wert ist erhöht.“

Böhm wurde zum Urologen geschickt, es folgten weitere PSA-Tests und schließ­lich eine Gewebe­probe (Biopsie). Dabei werden mit feinen Hohlnadeln von mehreren Stellen der Prostata Proben entnommen. In einer fand sich 1 Prozent Krebs­gewebe. Das ist wenig, aber eben auch nicht nichts.

Seither gilt Böhm als Krebs­patient. Alle drei Monate lässt er sein PSA über­prüfen. Die Werte stiegen in jüngster Zeit stark; der Urologe drängt zur OP. Böhm will aber erst eine zweite Meinung einholen. Vielleicht kommen andere Therapien infrage – oder weiteres Abwarten unter Über­wachung.

„All die Sorgen und Über­legungen, dabei kann mein Tumor voll­kommen harmlos sein“, sagt Böhm. „Hätte ich geahnt, in welche Mühle ich da geraten kann, hätte ich den Test nicht so leicht­fertig gemacht.“ Er wusste es aber nicht – und kein Arzt hat es ihm recht­zeitig gesagt.

* Name von der Redak­tion geändert.

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mdaniels0815 am 18.12.2019 um 13:43 Uhr
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konrad.h am 06.04.2015 um 12:01 Uhr
PSA Test sollte von den Kassen bezahlt werden!

Ich stimme Dieter159 voll zu. Nur ein PSA test ist verlässlich, allerdings sollte bei zu hohem Wert erst die Biopsie abgewartet werden und nur operriert werden wenn es ein Agressiver Tumor ist! Ich wäre warscheinlich nicht mehr unter den Lebenden, jetzt 10 Jahre nach der OP!
JoKo10

Dieter159 am 31.03.2015 um 16:37 Uhr
Vorsicht vor zu langem Abwarten bei steigendem PSA

Am 1.8.14 wurde ich bei einem psa wert von 8,35 in der uniklinik ffm davinci von Prof. Haferkamp operiert. Die vorherige biopsie ergab einen tumor pt1 bei einem gleason score von 3+4.
gott sei dank hatte ich auch eine mrt machen lassen, die bereits tumorrandbegrenzungen der kapsel zeigten. erst nach op stand dann durch die histologie fest, dass es sich um einen tumor pt4, r1 und pn1 handelte. Es wurden dann noch 36 bestrahlungen durchgeführt, um die loge tumorfrei zu erhalten. bei einem weiteren Abwarten ohne op hätten sich unbemerkt metastasen gebildet, die dann nicht mehr ohne weiteres beherrschbar sind. Ich kann daher jedem Betroffenen nur dringendst raten, sich nicht nur auf das Abwarten zu beschränken, sondern erst einmal abzuklären, um was für einen tumor mit welcher Aggressivität es sich handelt. Der Kassenpatient muss hierfür auch einmal Geld in die Hand nehmen, da allein der Tastbefund zu keinen gesicherten Ergebnissen führt. Steigender PSA Wert ist immer verdächtig.