Ärzte bieten zunehmend diagnostische Verfahren an, die Patienten selbst bezahlen müssen. Welchen Nutzen haben sie und wie gut beraten die Ärzte? Im ersten Teil unserer Serie geht es um Prostatakrebs und den PSA-Test.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Seit einigen Jahren gibt es einen Bluttest, der einen Tumor in einem sehr frühen Stadium aufspüren kann. Wenn das Prostataspezifische Antigen (PSA) erhöht ist, schrillen die Alarmglocken. Dass gesunde Männer ohne Beschwerden den PSA-Test machen, ist jedoch umstritten. Die Krankenkassen haben ihn nicht in ihrem Katalog der gesetzlichen Früherkennungsuntersuchungen. Wer den Test machen will, muss ihn selbst bezahlen. Er kostet zwischen 30 und 45 Euro. Die Stiftung Warentest wollte wissen, wie Ärzte verunsicherte Männer beraten.
20 Urologen aufgesucht
„Ich überlege, ob ich einen PSA-Test machen lassen soll. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der mir etwas bringt.“ Mit dieser Aussage konfrontierte unser Ratsuchender 60-jähriger Tester 20 Berliner Urologen. Zwei typische Antworten: „Da gibt es gar nichts zu überlegen, den Bluttest müssen Sie in ihrem Alter machen lassen“, sagte ein Urologe und wischte die Bedenken des Patienten mit seiner fachlichen Autorität vom Tisch. Eine Ärztin dagegen nahm die Zweifel des Patienten ernst. „Das muss auch sehr sorgfältig überlegt werden, da haben Sie völlig Recht. Sie müssen Vor- und Nachteile sorgsam gegeneinander abwägen.“ In einem ausführlichen Gespräch erläuterte sie die fachlichen Zusammenhänge, ging sensibel auf die Sorgen des Patienten ein.
Wenige haben sich Zeit genommen
Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich die Qualität der ärztlichen Beratung. Einige Urologen informierten den Patienten ausführlich und richtig über den PSA-Test. Doch die meisten Ärzte erläuterten die Problematik nur lückenhaft und einige sogar falsch. Kein einziger der besuchten Fachärzte sprach die in der wissenschaftlichen Leitlinie der urologischen Fachgesellschaften genannten Beratungsinhalte von sich aus an. Sie informierten nur ganz allgemein über den Eiweißstoff PSA, den Normalwert und den Sinn eines Tests.
Wenigstens freundlich
Selbst bei den guten Beratungen konnte unser Tester erst durch mehrfaches Nachfragen die Informationen von den Ärzten bekommen. Dabei ging es unter anderem darum, wie sicher ein PSA-Test Krebs findet, ob erhöhte PSA-Werte immer auf einen Krebs deuten und ob ein bestätigter Krebs immer behandelt werden muss (siehe auch „Diese Informationen haben wir erwartet“). Zwar war es manchmal mühsam, alle wichtigen Fragen anzusprechen, doch die meisten Ärzte waren zumindest freundlich. Einige hatten aber Mühe, sich dem Patienten zuzuwenden – ein Arzt schaute überwiegend auf seinen Computerbildschirm, eine Ärztin vor allem zu Beginn des Gesprächs aus dem Fenster.
Zwei Urologen beendeten das Gespräch schon nach sechs Minuten, einer stand sogar schon nach vier Minuten auf, mit der Bemerkung „So, das wärs dann“. Einige zusätzliche Fragen konnte unser Proband dann noch im Stehen stellen. Fünf weitere Ärzte nahmen sich kaum einmal zehn Minuten Zeit, nur bei sechs Urologen dauerte das Gespräch mindestens 20 Minuten. Kein Wunder, dass diese Ärzte besser auf die Bedenken des Patienten eingingen und die Probleme des PSA-Tests ausführlicher erläuterten. Das schlug sich auch – berechtigterweise – in einem höheren Preis nieder.
Wissende und Gläubige
Die getesteten Ärzte lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen. Etwa ein Drittel der Urologen war mit „evidenzbasierter Medizin“ vertraut – sie machten also die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zur Grundlage ihrer Beratung. Rund zwei Drittel von ihnen, die zweite Gruppe, hatte aber offenbar kein gesichertes Wissen über den Nutzen von Früherkennungsuntersuchungen. Ihren Äußerungen zufolge glaubten sie daran, dass eine früh erkannte Erkrankung grundsätzlich die Heilungschancen verbessere.
Für einen Teil der Patienten kann eine frühzeitige Diagnose und Therapie von Prostatakrebs zweifellos lebensrettend sein. Doch von einer Behandlung profitieren weniger als die Hälfte der Männer, die anderen leben weder länger noch besser. Und einige werden durch Früherkennungsuntersuchungen plötzlich zu Patienten, obwohl sie beschwerdefrei sind und der Krebsherd so klein ist oder so langsam wächst, dass sie gar nicht behandelt werden müssten. Stattdessen werden sie nun einer komplikationsreichen Operation oder Bestrahlung ausgesetzt.
Die Urologen, die mit diesen schwierigen Zusammenhängen nicht vertraut waren, vermittelten dem Patienten den Eindruck, dass der grundsätzliche Nutzen des PSA-Tests wissenschaftlich bewiesen sei. Dass ein Test auch Nachteile haben kann, war ihnen offenbar weitgehend fremd. Doch Patienten, die zunächst mit einem Krebsverdacht konfrontiert werden, durchleben oft eine qualvolle Zeit der Ungewissheit. Bei anderen werden überflüssige Therapien angeordnet.
Die Beratungsqualität klaffte weit auseinander – eigentlich gab es nur wissenschaftlich orientierte und „gläubige“, aber unwissende Ärzte. Dabei hatte unser Proband nicht den Eindruck, dass die „Gläubigen“ die Beratung mit unbewiesenen Behauptungen füllten, weil sie am PSA-Test Geld verdienen wollten. Eher ist zu vermuten, dass diese Gruppe es nicht besser wusste und sich mit kritischen Denkansätzen zur Früherkennung bisher nicht auseinander gesetzt hatte.
Gute Beratung selten
Insgesamt berieten nur 2 der 20 Urologen unseren Tester sehr gut: Herausragend und insgesamt der Beste des Testfelds war ein habilitierter Klinikchef. Doch auch bei den niedergelassenen Ärzten fand sich eine Urologin, die unseren Probanden sehr gut beriet. Bei vier weiteren Urologen war die Beratung befriedigend. Erschreckend ist jedoch, dass 14 von 20 Ärzten nicht einmal die Anforderungen erfüllten, die die Leitlinien der eigenen Fachgesellschaften festlegen. Ernüchternde Schlussfolgerung unserer Praxisbesuche: Es gab zwar herausragend gute Ärzte, aber sie waren äußerst selten.
Ein Patient kann die Qualität des Arztes kaum einschätzen. Ratsuchenden Männern ist deshalb unbedingt zu empfehlen, vor dem Arztbesuch erste Informationen über den PSA-Test zusammenzutragen, um dann im Beratungsgespräch gezielte Fragen stellen zu können. Sie sollten den Arzt auch nach den Konsequenzen eines „positiven“ Testergebnisses fragen, zum Beispiel welche weiteren Untersuchungen fällig werden, wie die Behandlungsmöglichkeiten und -risiken aussehen. Erst dann sollten sie sich für oder gegen die folgenträchtige Prüfung entscheiden.
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