
Die Biotechnologin Katrin Backofen (27), hat gerade ihren ersten Arbeitsvertrag bei einem Berliner Vertrieb für Arzneimittel unterschrieben. Ob der Vertrag gut oder schlecht ist, konnte die junge Frau nicht einschätzen. Eugénie Kowalski (33), Rechtsredakteurin im Team Versicherungen und Recht von Finanztest, gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Auch Anfänger haben einen Verhandlungsspielraum
Katrin Backofen: Ich habe gerade meinen ersten festen Arbeitsvertrag unterschrieben. Ich fand es schwer zu beurteilen, ob das, was da drinsteht, gut oder schlecht ist. Habe ich überhaupt einen Verhandlungsspielraum als Berufsanfängerin?
Finanztest: Einen Arbeitsvertrag vor dem Unterschreiben zu hinterfragen, ist auch für eine Berufsanfängerin legitim. Das kann Ihnen beim Arbeitgeber sogar Respekt verschaffen. Natürlich sollten Sie nicht gleich querulant wirken. Aber Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Überstundenregelung und Höhe der Vergütung – brutto und mit Sonderzahlungen – sollten Sie klar erkennen und akzeptieren können.
Mein Gehalt ist niedriger, als es mir vorher mündlich in Aussicht gestellt wurde. War es ein Fehler, dass ich das ohne Nachfragen hingenommen habe?
Ja, Sie hätten ruhig nachfragen können. Jetzt sollten Sie das nach dem Ende der Probezeit bei Ihrem Arbeitgeber ansprechen. Es ist durchaus üblich, zu diesem Zeitpunkt ein Gespräch zu führen, in dem es ja auch um Ihre Leistungen geht.
Der Arbeitsvertrag
Muss ich immer eine schriftliche Vereinbarung haben oder würde auch ein mündlicher Vertrag zählen?
Grundsätzlich zählen auch mündliche Vereinbarungen. Sie müssen allerdings genauso sorgfältig und mit den gleichen Regelungen wie ein schriftlicher Vertrag von beiden Seiten getroffen werden. Ein einfacher Zuruf auf dem Gang reicht nicht. Zu empfehlen ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag, auf den Sie sich im Streitfall auch berufen können. Achten Sie darauf, dass zwei Vertragsexemplare ausgefertigt und von beiden Parteien unterschrieben werden. Ein Exemplar bleibt beim Arbeitgeber, ein Exemplar bekommen Sie. Arbeitsverträge auf Basis eines Standardvordrucks, auf dem etwa nur angekreuzt wird, sind nicht schön, weil darin individuelle Regelungen oft auf der Strecke bleiben.
Bekomme ich noch andere Unterlagen mit dem Arbeitsvertrag?
Ja, alles was für Ihr Arbeitsverhältnis von Belang ist. Das kann zum Beispiel eine Verschwiegenheitserklärung sein, die Ihnen verbietet, außerhalb der Firma über Interna zu sprechen. Möglich sind auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die Regelungen im Arbeitsvertrag ergänzen. Solche Vereinbarungen können sich zum Beispiel auf die private Nutzung von Telefon und Internet in einem Unternehmen beziehen oder auf eine zusätzliche Altersversorgung.
Probezeit und Kündigungsfristen
Welche Kündigungsfristen gelten für mich?
Ist eine Probezeit vereinbart, kann das Arbeitsverhältnis während dieser Zeit beiderseitig mit einer Frist von zwei Wochen zu jedem Wochentag gekündigt werden. Anschließend gelten in der Regel die gesetzlichen Kündigungsfristen – in den ersten zwei Jahren gilt für beide eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats*.
Wie lang ist die Probezeit?
Das müsste in Ihrem Vertrag stehen. Meist dauert sie sechs Monate.
Kann ich mir in dieser Zeit auch mal einen Tag freinehmen?
Ja, es gibt zwar keine gesetzliche Urlaubssperre in der Probezeit, viele Arbeitgeber halten trotzdem daran fest. Ein sehr langer Urlaub ist bestimmt nicht sinnvoll, ein paar freie Tage sind meist kein Problem. Fragen Sie einfach Ihren Arbeitgeber, ob er einverstanden ist, wenn Sie mal einen Tag nicht kommen. Dagegen kann er nur schwer etwas einwenden.
Welche Sicherheit habe ich im Falle einer Schwangerschaft?
Eine große Sicherheit, wenn Sie einen unbefristeten Vertrag haben. Bis einschließlich vier Monate nach der Entbindung kann Ihnen Ihr Arbeitgeber nicht kündigen. Sind Sie befristet angestellt, läuft Ihr Arbeitsverhältnis wie vorgesehen aus. Daran ändert eine Schwangerschaft nichts.
* Korrigiert am 26. Mai 2016.
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