
Das neue Kapitalanlagegesetzbuch regelt erstmals Fonds aller Art gemeinsam. Anleger müssen sich an neue Begriffe gewöhnen. Strengere Regeln gelten spätestens ab 22. Juli 2013 für offene Immobilienfonds und für geschlossene Fonds.
Der Projektor wirft Paragrafen an eine Wand des Tagungsraums in der Patriotischen Gesellschaft von 1765 in Hamburg. Der Referent erklärt Wortungetüme und Abkürzungen wie AIF und OGAW. Sie stammen aus dem Kapitalanlagegesetzbuch, das spätestens am 22. Juli 2013 in Kraft tritt.
Die Zuhörer sind Anwälte, die sich auf Kapitalanlagerecht spezialisiert haben. Ihre Köpfe rauchen. Denn der Gesetzgeber hat Fonds aller Art in das Gesetz gepresst, von Aktienfonds bis zu geschlossenen Fonds – das sind Unternehmensbeteiligungen, an die sich Anleger oft für viele Jahre binden.
Was ändert sich für Anleger durch das neue Kapitalanlagegesetzbuch?
Das hängt von der Art des Fonds ab. Bei Aktien-, Renten- oder Mischfonds müssen sich Anleger nur an neue Begriffe gewöhnen. Sehr viel mehr ändert sich bei offenen Immobilienfonds und geschlossenen Fonds.
Was ist bei Investments in offene Immobilienfonds zu beachten?
Wer künftig Anteile an offenen Immobilienfonds kauft, muss sie mindestens zwei Jahre halten und zwölf Monate vor dem Ausstieg kündigen. Das gilt auch für wieder angelegte Erträge aus bestehenden Investments. Wer jetzt schon Anteile hat, darf pro Kalenderhalbjahr bis zu 30 000 Euro abziehen. Alternative: ein Verkauf über die Börse.
Wer braucht künftig eine Erlaubnis, um Anlegergeld einzusammeln?
Eine Erlaubnis brauchen die Anbieter von Investmentaktiengesellschaften, die den bisherigen Investmentfonds ähneln, und von Investmentkommanditgesellschaften , die an die bisherigen geschlossenen Fonds angelehnt sind. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erteilt die Erlaubnis nur, wenn die Anbieter Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel nachweisen, dass sie Risiken im Blick haben.
Für kleine Anbieter mit weniger als 100 Millionen Euro Anlegergeld gelten laxere Vorgaben. Das soll Bürgerwindparks und -solarparks vor einer Überforderung bewahren. Nachteil: Unseriöse Anbieter dürften die Ausnahme ebenfalls nutzen.
In welche Werte dürfen geschlossene Fonds für Privatanleger investieren?
Erlaubt sind Sachwerte wie Immobilien, Schiffe, Flugzeuge, Anlagen für erneuerbare Energien sowie Anteile an anderen Fonds und Projektgesellschaften im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften. Nicht erlaubt sind Investments in „immaterielle Vermögenswerte“ wie Patente.
Fonds für Profis unterliegen keinen Beschränkungen. Da Publikumsfonds sich an ihnen beteiligen dürfen, haben Privatanleger indirekt weiter Zugang zu fast allen Investments.
Der Gesetzgeber besteht auf Risikomischung. Wie sollen die Fondsanbieter das umsetzen?
Geschlossene Fonds sollen mindestens drei Investitionsobjekte haben. Aber: „Auch bei der Investition in nur einen Windpark mit mehreren Windrädern kann der Grundsatz der Risikomischung erfüllt sein“, erklärt Michael Leisinger vom Bürgerreferat des Finanzministeriums. Investieren Fonds ausnahmsweise doch nur in ein einziges Schiff oder einen Büroturm, müssen die Anleger mindestens 20 000 Euro investieren.
Ein Schutz vor Verlusten sind die neuen Regeln nicht. Schon bisher setzten Anbieter oft Mindestanlagesummen in dieser Größenordnung fest und auch Fonds mit mehreren Objekten gerieten in Schieflagen.
Welche Grenzen gibt es für die Kreditaufnahme geschlossener Fonds?
Kredite dürfen nur noch 60 Prozent des Fondsvolumens ausmachen. Denn Kredite müssen auch bedient werden, wenn die Geschäfte schlecht laufen. Das macht Fonds mit hohen Krediten krisenanfälliger. Verbraucherschützern ist die Vorgabe zu lasch.
Darlehen in fremder Währung sind auf 30 Prozent begrenzt. Eine Schranke war überfällig: Etliche Immobilienfonds oder Schiffsfonds nahmen zum Beispiel Darlehen in Schweizer Franken auf, wickelten ihre Geschäfte aber in Euro oder Dollar ab. Als sich die Wechselkurse ungünstig entwickelten, gerieten sie in Probleme.
Können Fondsbetreiber Anleger zu Nachzahlungen zwingen?
Fondsbetreiber dürfen Anleger nicht zu Nachschüssen verpflichten, sie also nicht zwingen, mehr als ihre Einlage zu zahlen. Unklar ist noch, ob sie weiterhin Ausschüttungen zurückfordern können, die nicht aus erwirtschafteten Gewinnen, sondern aus den Einlagen der Anleger stammten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann dazu noch keine verbindliche Auskunft geben, weil die Frage einer eingehenden Prüfung bedürfe.
Ändern sich die Chancen der Anleger auf Schadenersatz, wenn im Fondsprospekt Fehler waren?
Nein, sagen Bundesfinanzminsterium und Bafin. Der Anlegeranwalt Klaus Rotter aus Grünwald bei München ist anderer Auffassung. Denn die Haftung für Fehler in den Verkaufsprospekten ist nun anders formuliert: Anleger haben Anspruch auf Schadenersatz, wenn sie „aufgrund“ der Fehler investiert haben. „Das ist eine Riesenhürde“, sagt Rotter. Es sei schwer, „Gerichte davon zu überzeugen“. Das sei für Anleger eine deutliche Verschlechterung. Bislang konnten sich Anleger sogar auf Fehler berufen, wenn sie den Prospekt gar nicht hatten.
Hat das neue Kapitalanlagegesetzbuch Lücken?
Ja, mit der Höhe von Kosten befasst sich das Gesetz nicht. Das ist schade, denn gerade bei den geschlossenen Fonds sind sie oft hoch.
Vom Gesetz nicht erfasst werden außerdem Anbieter von Genussrechten und Namensschuldverschreibungen, die nicht der Finanzbranche angehören, sondern andere Geschäfte betreiben. Der Genussrechteanbieter Prokon zum Beispiel fällt nach eigener Einschätzung nicht unter die neue Regulierung. Er hat seine Unternehmensstruktur umgebaut. Nun bietet eine Gesellschaft die Genussrechte an, die unter anderem auch Windparks entwickelt.
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