
Eine pauschale Entschädigung von bis zu 600 Euro steht Fluggästen zu, wenn sie von einem Flughafen der EU abheben und ihr Reiseziel um drei Stunden oder mehr verspätet erreichen. Was gilt aber für Flüge mit Zwischenlandung? Wenn die Verspätung gar nicht beim Abflug vom EU-Flughafen entsteht, sondern erst bei einem planmäßigen Anschlussflug im Nicht-EU-Ausland? Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Auch dann haben Passagiere Anspruch auf bis zu 600 Euro.
Von Berlin nach Agadir in Marokko
Die Gerichte haben zur Fluggastentschädigung schon viele Rechtsfragen geklärt. Aber dieses Problem war bis jetzt immer noch ungelöst: Gilt die europäische Fluggastrechteverordnung auch dann, wenn die Verspätung am Reiseziel gar nicht beim Abflug innerhalb der Europäischen Union entstanden ist, sondern erst bei einem Anschlussflug außerhalb der EU?
Dem Landgericht Berlin lag im Herbst 2017 ein solcher Fall vor: Eine Frau hatte einen Flug von Berlin-Tegel nach Agadir in Marokko mit der Fluggesellschaft Royal Air Maroc gebucht. Die Flugbuchung sah jedoch keinen Direktflug vor, sondern eine Zwischenlandung im marokkanischen Casablanca. Dort sollte sie in eine andere Maschine von Royal Air Maroc umsteigen und ans Ziel weiterfliegen. Doch das Umsteigen klappte nicht. Die Airline weigerte sich, die Frau mitzunehmen, ihr Sitzplatz sei schon vergeben. Erst mit einer späteren Maschine wurde sie dann von Royal Air Maroc nach Agadir gebracht und kam mit vier Stunden Verspätung an.
Wann gilt Europarecht für Nicht-EU-Airlines?
Die Frau klagte schließlich auf eine Verspätungsentschädigung nach der europäischen Fluggastrechteverordnung in Höhe von 400 Euro. Da die Fluggesellschaft Royal Air Maroc ihren Sitz nicht in der Europäischen Union hat und der verspätete Anschlussflug von Casablanca nach Agadir ebenfalls außerhalb der EU lag, hatte das Landgericht Berlin die Frage zu klären, ob die europäische Fluggastrechteverordnung in diesem Fall überhaupt anwendbar ist. Die Berliner Richter legten die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor (Az. 88 S 196/16). Dieser hat nun entschieden (Az. C-537/17; Urteil im Volltext).
Nach Auffassung des EuGH handelte es sich beim Flug von Deutschland nach Marokko um einen einzigen Flug im rechtlichen Sinne. Dass die Flugbuchung eine Zwischenlandung in Marokko vorgesehen habe, ändere daran nichts. Trotz geplanter Zwischenlandung handele es sich um einen einzigen Beförderungsvorgang, wenn der Fluggast nur eine einzige Buchung vorgenommen habe. Da dieser eine Beförderungsvorgang auf einem Flughafen der EU begonnen habe, habe die Kundin einen Anspruch nach der europäischen Fluggastrechteverordnung, so das Gericht. Auf Basis dieser dieser Grundsatzentscheidung wird das Landgericht Berlin nun den konkreten Fall zu beurteilen haben. Die Frau wird ihre 400 Euro bekommen.
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Wer selbst Umsteigeflüge bucht, hat Pech
Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich damit auch, welche Passagiere nicht von den europäischen Fluggastrechten profitieren: Wer etwa von Deutschland nach Australien reisen will und auf eigene Faust zuerst einen Flug von Deutschland nach Bangkok bucht und dann in einer zweiten Buchung einen Flug von Bangkok nach Sydney, hat keinen Anspruch nach der europäischen Fluggastrechteverordnung, wenn der Flug von Bangkok nach Sydney mit einer erheblichen Verspätung ankommt. Wegen der selbst gewählten beiden Flugbuchungen, liegt kein einheitlicher Beförderungsvorgang im Rechtssinne vor.
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- Bis zu 600 Euro müssen Airlines bei Verspätung, Flugausfall oder Überbuchung zahlen. Hier lesen Sie, was Ihnen zusteht – und wie Sie Ihre Rechte als Fluggast durchsetzen.
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- Bahnfahrer können Entschädigung fordern, wenn sie am Ziel eine Verspätung von mindestens 60 Minuten haben – auch, wenn Streiks oder Unwetter der Grund dafür waren.
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- Wer wegen einer langen Schlange vor dem Check-in-Schalter oder bei der Sicherheitskontrolle seinen Flug verpasst, kann eventuell Ersatz für die Umbuchungskosten fordern.
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@Schweberß8: Schauen Sie bitte in unserem aktuellen Spezial Fluggastrechte nach, wir haben hier ausführliche Informationen zum Thema Entschädigung bei Flugverspätung und -ausfall zusammengestellt inkl. Musterschreiben. Dieses Spezial finden Sie hier https://www.test.de/Fluggastrechte-Der-Weg-zur-Entschaedigung-4667375-0/ . (spl)
Meine Frau und Ich hatten bei Ryanair 2 Flüge mit mit 2 Buchungsnummern gebucht.
1.Buchung Rijeka (Kroatien) - London
2.Buchung London - Dortmund
Der erste Flug sollte um 10:05 starten, wurde aus technischen Gründen nach Triest (Italien)verlegt.
3 Stunden Busfahrt. Start in Triest 15:40 Landung in London 16:40 (engl.Zeit)
Der 2. Flug sollte um 13:00 (engl. Zeit) starten.
Raynair hat uns für den nächsten Morgen einen Ersatzflug gegeben plus Übernachtung im Hotel.
Meine Frage ist: Welche Entschädigung bekommt man für die insgesamt über 20 stündige Verspätung
@Convpp: Der EuGH hat in dieser Entscheidung konkret nur die Frage geklärt, was beim planmäßigen Start innerhalb der EU nebst Verspätung beim Anschlussflug im Nicht-EU-Ausland gilt. Die Frage des Entschädigungsanspruches für den Rückflug hat der EuGH nicht geklärt. Nach der bisherigen Rechtsprechung gibt es in diesen Fällen keine Entschädigung, wenn die Verspätung auf die verspätete Zwischenlandung außerhalb der EU zurückzuführen ist.
Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte das EuGH-Urteil auf die Ansprüche der Rückreisenden analog anwenden.
Sie können ja versuchen, die Entschädigung unter Berufung auf das EuGH-Urteil einzufordern, und dann das Schlichtungsverfahren anrufen, wenn Sie den Flug als einen Flug gebucht haben. (maa)
Ich habe über Lufthansa eine Flugkombination
1) Türkisch Airlines: Singapur - Istanbul
2) Lufthansa: Istanbul - Frankfurt
gebucht.
Der Flug Singapur - Istanbul war zu spät, so das ich den LH Anschluss nicht bekommen habe und 6 Stunden zu spät in Frankfurt war.
Lufthansa fühlt sich nicht zuständig, Türkisch Airlines ist keine europäische Gesellschaft. Gilt die neue Regelung auch für Flüge in die EU. Und wie ist es wenn verschiedene Flugunternehmen beteiligt sind.