Zwei Lufthansa-Kunden stornieren krankheitsbedingt ihre Flüge im Wert von 2 766 Euro. Die Lufthansa erstattet nur 267 Euro Steuern und Gebühren. Zu Recht, sagt nun der Bundesgerichtshof. Fluggesellschaften wie Ryanair oder Easyjet verweigern selbst die Erstattung von Steuern und Gebühren. Stornodienstleister wie geld-fuer-flug.de gehen gegen diese Praxis vor.
BGH erlaubt Ausschluss der Stornierbarkeit
Aus Krankheitsgründen stornieren zwei Lufthansa-Kunden im Frühjahr 2015 – zwei Monate vor Abflug – ihre Flüge in die USA. Die Lufthansa erstattet ihnen von den insgesamt gezahlten rund 2 766 Euro nur 267 Euro. Das ist die Summe für Steuern und Gebühren im Gesamtpreis eines Flugtickets, die nicht anfällt, wenn ein Fluggast nicht mitfliegt. Doch da die Passagiere offenbar keine Reiserücktrittversicherung haben, klagen sie auf die volle Summe. Sie berufen sich auf Paragraf 648 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Danach darf eine Airline nach einem Flugstorno zwar grundsätzlich den Ticketpreis behalten, muss aber zum Beispiel das Geld erstatten, was sie durch den Weiterverkauf der zurückgegebenen Tickets eingenommen hat.
Bei Lufthansa Wahl zwischen Tarif mit Erstattung und ohne
Die Lufthansa argumentiert: Der Kunde habe bei der Buchung die Wahl gehabt zwischen einem Basic-Tarif ohne Erstattungsmöglichkeit und einem (teureren) Flex-Tarif mit Erstattung. Die Kunden hätten sich bei der Buchung für den Basic-Tarif, also ein Angebot ohne Erstattungsmöglichkeit entschieden. Rechtlich hätten Fluggesellschaft und Kunde damit den Ausschluss der Erstattbarkeit individuell ausgehandelt. Damit könne sich der Kunde auf Paragraf 648 BGB nicht mehr berufen. So sieht es nun auch der Bundesgerichtshof (Az. X ZR 25/17; Pressemitteilung des Gerichts). Die Lufthansa hat nach Ansicht des Gerichts mit den betroffenen beiden Passagieren den Paragraf 648 BGB quasi wegverhandelt.
Stornodienstleister Ticketrefund stellt Dienst vorerst ein
Vor dem jüngsten BGH-Urteil zugunsten der Lufthansa gab es einige fluggastfreundliche Urteile, die Kunden im Storno-Fall eine Erstattung von bis zu 100 Prozent des Ticketpreises brachten (Storno Flugreise: Fluggast bekommt vollen Reisepreis zurück). Diese Rechtsprechung hat nun vom BGH einen erheblichen Dämpfer bekommen. Storno-Dienstleister Ticketrefund, der bislang Kunden – gegen Erfolgsbeteiligung – bei der Durchsetzung von Erstattungsansprüchen geholfen hat, nimmt deswegen vorerst keine weiteren Fälle zur Bearbeitung an (Erklärung von Ticketrefund).
Auch andere Airlines dürften sich künftig auf den BGH berufen
Denn nicht nur die Lufthansa, auch die anderen Fluggesellschaften werden künftig vermutlich auf das BGH-Urteil hinweisen, wenn Kunden zum Beispiel aus privaten Gründen einen teuren Flug nicht antreten können, die Buchung stornieren und einen Teil der Ticketkosten zurückverlangen. Ob sich alle Airlines tatsächlich auf das Urteil berufen können, bleibt abzuwarten. Die Entscheidungsgründe des BGH sind noch nicht veröffentlicht. Womöglich hat sich die Transparenz im Buchungsprozess zugunsten der Lufthansa ausgewirkt. Sicher nicht jede Airline weist so deutlich auf die Erstattungsunterschiede der jeweiligen Flugtarife hin.
Billigairlines verweigern Erstattung von Steuern und Gebühren
Im obigen Fall haben die Lufthansa-Kunden immerhin die im Flugpreis enthaltenen Steuern und Gebühren zurückerhalten. Unter Reiserechtlern und den Gerichten besteht bislang weitgehend Einigkeit, dass dieser Teil der Ticketkosten zu erstatten ist. Denn Steuern und Gebühren erhebt die Airline nur, um sie an den Flughafen weiterzuleiten, nachdem der Passagier geflogen ist. Fliegt dieser aber gar nicht mit, muss die Fluggesellschaft auch kein Geld des Passagiers abführen. Ärgerlich: Billigairlines wie Ryanair, Wizz Air oder Easyjet verweigern dennoch die Erstattung dieser Beträge. Die Wettbewerbszentrale klagt deswegen momentan gegen Easyjet.
Landgericht Frankfurt erklärt Easyjet-Klausel für unwirksam
Das Landgericht Frankfurt hat die Billigairline auch verurteilt und diese Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam erklärt: „Steuern und Gebühren, die von einem Flughafenbetreiber direkt von Easyjet erhoben werden, sind nicht erstattungsfähig, selbst wenn sie auf der Anzahl an beförderten Fluggästen basieren.“ (Az. 2–24 O 8/1, Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale). Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Easyjet hat Berufung eingelegt.
So können Reisende Steuern und Gebühren teilweise zurückholen
Solange der Bundesgerichtshof die Praxis bei den Billigairlines noch nicht für unwirksam erklärt hat, werden Verbraucher selbst etwas unternehmen müssen. Wegen der vergleichsweise geringen Summen klagt aber offenbar niemand. Es sollte auch niemand seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen, um etwa 50 Euro Steuern und Gebühren auf dem Gerichtsweg zurückzufordern. Eine Alternative für Betroffene könnten Internetdienste wie geld-fuer-flug.de sein.
Dienstleister geld-fuer-flug.de kauft Passagieren Ansprüche ab
Das Unternehmen kauft Passagieren die Ansprüche auf Erstattung von etwa Steuern und Gebühren ab und geht dann im eigenen Namen gegen die Airlines vor. Der Kunde bezahlt den Dienst aber mit einem Abschlag, den das Portal von Fall zu Fall bestimmt. Steht einem Kunden nach einem Flugstorno etwa die Erstattung von 50 Euro zu, kauft das Portal dem Kunden seinen Anspruch vielleicht nur für 40 Euro ab. Dafür muss der Kunde sich nach der Abtretung der Ansprüche um nichts mehr kümmern.
Achtung: Für Pauschalreisen gelten andere Storno-Regeln
Urlauber, die eine Pauschalreise inklusive Flug buchen und diese vor Reisebeginn stornieren, sind von dem Urteil des BGH übrigens nicht betroffen, weil für sie andere Regeln gelten. Die Buchung (nur) eines Flugs ist rechtlich ein Werkvertrag. Eine Pauschalreise, also das Angebot von mehreren Reiseleistungen (Flug, Hotel, etc.) durch einen Veranstalter, ist ein Reisevertrag. Für den Reisevertrag gelten spezielle Storno-Regeln, die nicht wegverhandelt werden können, insbesondere der Paragraf 651i BGB. Er sorgt dafür, dass der Veranstalter nach dem Storno eines Kunden immer wenigstens einen Teil des Reisepreises zu erstatten hat. Freilich kann die Erstattung gering ausfallen, wenn der Pauschalurlauber zum Beispiel erst in der Woche vor Reisebeginn storniert.
Reiserücktrittsversicherung abschließen
Egal ob Nur-Flug-Reisender oder Pauschalurlauber: Wer sich für die Flug- oder Reiseabsage wegen Krankheit, Unfall oder Tod eines Angehörigen absichern will, sollte eine Reiserücktrittsversicherung abschließen. Die Versicherung ersetzt den Teil des Reisepreises, den der Veranstalter oder die Fluggesellschaft nach der Absage des Kunden nicht erstattet. Welche Angebote gut und günstig sind, verrät unser Test Gute Policen für Reiserücktritt und Reiseabbruch.
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- Betroffene eines Flugausfalls können einen zeitnahen Ersatzflug oder Erstattung des Ticketpreises fordern. In bestimmten Fällen haben sie Anspruch auf Entschädigung.
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Es ist keine Übervorteilung, da ich als Kunde mich freiwillig vor Vertragsabschluss entschieden habe, diese Bedingungen zu akzeptieren ... im Gegenzug zu einigen oder einigen mehr Euro Ersparnis.
Wenn ich in einem Elektromarkt angeboten bekomme, für €50 mehr die Garantie auf vier Jahre zu verlängern und darauf verzichte, weil ich sparen will, werde ich auch nicht übervorteilt, wenn der Händler dann nach drei Jahren mit den Schultern zuckt und sich die Kosten für ein Austauschgerät nun spart.
Das Lesen und Verstehen selbst simpelster Verträge (noch simpler geht es im vorliegenden Fall ja kaum: günstig, dafür keine Erstattung oder teurer, dafür mit Erstattung) scheint heute nicht nur etliche Mitmenschen zu überfordern. Es gibt dann auch noch genügend Organisationen (im vorliegenden Fall weiß ich dies allerdings nicht), die solche Leute in ihrer Beschränktheit (andere würden es Dreistigkeit nennen) auch noch bestärken.
@Remember_Carthage
Ja, Sie sind eine Ausnahme, und ich bezweifle, dass Ihre Gedanken zu dem Thema "normaler" sind als die anderer. Die Tatsache, dass der Fluggesellschaft die Möglichkeit gegeben wird, dieselbe Leistung zweimal zu verkaufen, aber nur einmal erbringen zu müssen, stellt eine grobe Übervorteilung der Kunden da. Wir reden hier über eine Stornierung 2 Monate (!) vor Abflug und nicht einen Tag vor Abflug. Wenn die Fluglinie die Plätze nachweislich nicht weiter verkaufen kann, kann man sicher auch darüber diskutieren, was zurückerstattet wird.
Es gibt gute Gründe, warum Unternehmen mit großer Regelmäßigkeit per Gericht gezwungen werden, bestimmte Geschäftspraktiken zu unterlassen, insbesondere Telko-Anbieter und Versicherungen. Um die Sinnhaftigkeit dahinter zu verstehen, muss man kein Streithansel sein.
Zu beachten allerdings: Die Verweigerung der Erstattung ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs wohl nur rechtmäßig, wenn Kunden tatsächlich die Wahl hatten, ein Ticket mit oder ohne Erstattung zu kaufen. Gab's nur Tickets ohne Erstattung des Preises bei Storno, dürfte die Fluggesellschaft doch in der Pflicht sein.
Das Urteil ist absolut folgerichtig. Nun mag zwar jeder vor Gericht ausprobieren, ob er eine Rechtslücke findet. Aber abgesehen von formaljuristischen Schlaglöchern sollte jedem normal denkenden Menschen klar sein, dass dieses Urteil nicht anders ausfallen konnte.
Wenn ich Geld spare, weil ich ein Ticket kaufe, welches nicht erstattbar ist, trage ich das Nichtantrittsrisiko. Simpel, einfach und eigentlich jedem klar, außer einigen Streihanseln. Möchte ich das Risiko nicht tragen, so muss ich mehr bezahlen oder eben eine Rücktrittsversicherung abschließen.
Aber wahrscheinlich bin ich wieder eine absolute Ausnahme, da ich glaube, dass ein freiwillig abgeschlossener Vertrag auch für beide Seiten gilt.