Flug­gast­rechte Die neuen Flug­gast­helfer

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Fluggesell­schaften miss­achten oft die Rechte ihrer Flug­gäste. Junge Firmen helfen Kunden, Entschädigungen zu bekommen.

Selten kommt es vor, dass eine Fluggesell­schaft schon nach dem ersten Schreiben von Antje Hars­dorff zahlt. Die Rechts­anwältin und ehemalige Flug­begleiterin aus Frank­furt am Main hilft Flug­gästen, ihre Rechte durch­zusetzen, wenn deren Flug zum Beispiel ausgefallen oder erst nach Stunden gestartet ist.

„Viele Air­lines bewegen sich erst dann, wenn Klage einge­reicht ist“, sagt die Rechts­anwältin Hars­dorff.

Wo Anwälte nur mit Hartnä­ckig­keit weiterkommen, hat Otto-Normal­flug­gast auf eigene Faust kaum eine Chance. Mit fertigen Text­bausteinen wimmeln viele Flug­linien Forderungen ihrer Kunden ab.

„Die recht­lichen Erläuterungen in den Briefen sind oft haar­sträubend falsch“, sagt Rechts­anwalt Holger Hopperdietzel aus Wiesbaden. Dabei ist die Rechts­lage in vielen Fällen recht klar – und verbraucherfreundlich: Wer sein Reiseziel aufgrund einer Verspätung beim Abflug mindestens drei Stunden zu spät erreicht, kann je nach Fall bis zu 600 Euro verlangen. Dieselben Entschädigungs­pauschalen gelten, wenn der Flug gestrichen oder über­bucht ist, sodass der Kunde nicht reisen kann.

Neue Dienst­leister am Markt

Flug­gast­rechte - Die neuen Flug­gast­helfer

Weil viele Passagiere keine Lust haben, selbst zu streiten, übergeben sie ihren Fall einem Anwalt. Für Kunden mit Rechts­schutz über­nimmt die Versicherung die Anwalts- und Gerichts­kosten. Der Kunde bezahlt aber meist einen Selbst­behalt, oft 150 Euro.

Genervte Flug­gäste, die ohne Versicherung zum Anwalt gehen, riskieren höhere Kosten. Verklagen sie die Fluggesell­schaft mithilfe des Anwalts auf 600 Euro Entschädigung und verlieren den Fall, müssen sie für das gesamte Verfahren mindestens 400 Euro zahlen.

Für Kunden, die dieses Risiko scheuen, gibt es eine interes­sante Alternative. Firmen wie EUclaim, Flight­right und Fairplane helfen, eine Entschädigung zu bekommen. Zahlt die Air­line trotz der Bemühungen der Dienst­leister nicht, hat der Flug­gast anders als beim Anwalt keine Kosten. Fließt eine Entschädigung, muss er rund 30 Prozent davon abgeben.

Die Idee, mit Flug­gast­rechten Geld zu verdienen, ist recht jung. EUclaim ist seit 2009 am Markt. Flight­right hat im Früh­jahr 2010 begonnen, Fairplane erst im März 2011.

Alle drei Firmen arbeiten mit einer kleinen Mann­schaft. Ihr Geschäft geht nur dann auf, wenn sie viele Fälle an Land ziehen können und die Flug­linien mit wenig Aufwand zu Zahlungen bewegen können.

Bevor sie einen Fall annehmen, prüfen sie daher streng, ob er Aussicht auf Erfolg hat. Dabei helfen ihnen Daten­banken mit Wetter- und Flug­daten sowie Urteile. So können sie fest­stellen, ob wirk­lich das Wetter schuld an einer Verspätung war, und sehen mitunter, dass ein angeblich defektes Flugzeug woanders einge­setzt wurde.

EUclaim nimmt zurzeit aber keine Ryanair-Fälle mehr an. Die Recht­sprechung der Gerichte an den Ryanair-Stand­orten sei zu verbraucherunfreundlich, sagt EUclaim-Geschäfts­führer Robert Weist auf Anfrage.

Komplizierte Streitig­keiten wie solche um verschwundene Koffer nehmen die Dienste grund­sätzlich nicht an. Sie helfen auch nicht, wenn die Flug­linie Hotel­über­nachtungen nicht zahlt, wie nach der Aschewolke aus Island massenhaft geschehen.

Dienst­leister sind nicht perfekt

Auf den Internet­seiten der Dienst­leister gibt der Flug­gast seine Flug­daten ein. Nach nur wenigen Sekunden erhält er am Computer eine kostenfreie Grobeinschät­zung seiner Chancen auf Entschädigung. Danach entscheidet sich der Kunde, ob er dem Dienst­leister den Auftrag gibt, Geld einzutreiben.

EUclaim aus Berlin und die in Hennings­dorf bei Berlin ansässige Firma Flight­right sind Inkasso­dienste. Sie versuchen zunächst außerge­richt­lich, die Fluggesell­schaft durch mehrere Schreiben zum Zahlen zu bewegen. Gelingt das nicht, übergeben sie den Fall einem Part­ner­anwalt, der dann Klage einreicht. Bei Fairplane aus Österreich legen dagegen sofort Anwälte los.

Will sich ein Kunde nach erfolg­losem Inkasso durch EUclaim oder Flight­right nicht vom Part­ner­anwalt des Dienst­leisters vertreten lassen, kann er sich selbst einen Anwalt suchen. Er muss dann aber eine Bearbeitungs­gebühr zahlen. EUclaim will pauschal 25 Euro, bei Flight­right hängt die Gebühr von der geforderten Entschädigung ab. Für eine 600-Euro-Forderung sind rund 96 Euro fällig.

Perfekt sind die Dienst­leister nicht. Finanztest hat in einer Stich­probe Mitte Dezember Fehler in den Daten­banken fest­gestellt. Die Daten­bank von Fairplane und EUclaim kannte die Flugline Sun Express Deutsch­land nicht. Die Gesell­schaft fliegt immerhin schon seit Sommer 2011. Erst nach unserem Hinweis wurde die Flug­linie in die Daten­bank aufgenommen.

Warten auf eine Schlichtungs­stelle

Seit Jahren reden die Betreiber der deutschen Flug­linien davon, eine Schlichtungs­stelle einzuführen. Bis heute ist aber nichts passiert. Die Schlichtungs­stelle für den öffent­lichen Personen­nahverkehr würde sich der Flug­gäste annehmen, wird aber von den Fluggesell­schaften nicht akzeptiert.

Vor wenigen Wochen kamen Vertreter mehrerer Bundes­ministerien und des Bundes­verbands der Deutschen Luft­verkehrs­wirt­schaft über­ein, dass es eine Schlichtungs­stelle geben wird. Alles weitere ist noch offen.

Wenn Kunden aus Deutsch­land Ärger mit einer Gesell­schaft aus einem anderen EU-Staat haben, können sie ihr Glück beim Europäischen Verbraucherzentrum in Kehl versuchen (www.eu-verbraucher.de). Manche Gesell­schaften wie die nieder­ländische KLM sind zur Schlichtung bereit. Der Billigflieger Ryanair boykottiert sie dagegen.

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steini54 am 27.07.2017 um 12:13 Uhr
EUClaim ist unseriös

Ich habe einen Claim eingereicht wegen einer Flugverspätung von 5 Stunden. Zuerst hat man mir nur 50% der tatsächlich zustehenden Entschädigung angeboten, dies aber nach Rückfrage korrigiert. Dann hat man eigenmächtig ohne Rücksprache die Begründung des Claims auf „Flug annulliert“ anstatt „Flug verspätet“ gesetzt und mir die Vollmachterklärungen zur Unterschrift zugesandt. Ich habe nie angegeben, dass der Flug annulliert wurde und es trifft auch nicht zu. Da die Erfolgschancen bei falscher Begründung fast Null wären, habe ich 3 Mal in einem Zeitraum über 2 Wochen gebeten mir dies zu erklären bzw. zu korrigieren. Es kam nie eine Antwort. Dies kann ich nur als äußerst unseriös und unprofessionell einstufen.

avoideuclaim am 25.07.2017 um 19:40 Uhr
EUclaim unbedingt vermeiden

Entsprechend unserer Erfahrung wickelt EUclaim Entschädigungsfälle NUR dann ERFOLGREICH ab, sofern diese von Anfang absolut UNSTRITTIG sind!
Und solch Fälle kann jeder betroffene Fluggast:
- eigenständig bzw. beim Ticket-/Travel Dealer direkt bei der Airline
- mit weniger organisatorischem Aufwand (als bei EUclaim)
- ohne allfälligen Spesen für Porto, Kopien etc.
- UND vor allem ohne Abzug der Provision bei 100% Anspruch
ganz einfach selbst erledigen.
Und sollte bereits nach erster Sichtung der zu Verfügung gestellten Unterlagen für EUclaim feststehen, es besteht kein Anspruch auf Entschädigung, haben Sie trotzdem keine Hemmungen den Kunden den ganzen nachgezogenen organisatorischen Aufwand & SPESEN aufzuerlegen (d.h. Vollmachten ausstellen, per POSTWEG retour zu schicken etc..)
Frei nach dem Motto: …schaun ma mal?

dielro am 17.04.2017 um 08:19 Uhr
Flightright war nur die Hälfte wert

Ich hatte Flightright beauftragt, den Flugpreis für einem frühmorgendlich stornierten Flug mit Air Berlin sowie die mir zustehend Entschädigung durchzusetzen. Die Entschädigung kam dann auch nach einigen Wochen, die Fluggesellschaft weigerte sich jedoch ohne weitere Begründung zunächst, auch den Flugpreis zurückzuerstatten. Es kam von Flightright daraufhin nur eine lapidare Mail, für Sie sei (natürlich nach vorheriger Abbuchung der Provision für den Entschädigungsbetrag) die Angelegenheit erledigt, und ich solle mich selbst um die Rückerstattung des Flugprieses kümmern. Dies habe ich nach zahlreichen Schriftwechseln schließlich auch durchgesetzt, doch Flightright hat bei dieser 2. Hälfte des Anspruchs keinen Finger gerührt. Ich werde daher künftig auf die Dienste dieser Firma verzichten.

CL904 am 30.10.2015 um 11:43 Uhr
EUClaim wirklich nicht empfehlenswert

Meine Erfahrung bestätigt Kampfhamster1 Erfahrungen leider.
Ich hatte einen Flug, welcher 23 Monate vor meiner Anfrage getätigt wurde. Hier wurde eine Bearbeitung abgelehnt, weil der Fall laut EUCLaim nicht mehr rechtzeitig bearbeitet werden könnte.
Ich frage mich ernsthaft, was man dort innerhalb eines Monats alles nicht tun kann, außer bei einer Bevollmächtigung auf die Fluggesellschaft zuzugehen und den Anspruch geltend zu machen. Zudem endet die Frist mit Ende des Kalenderjahres wie hier bei TEST zu lesen ist. Das klingt nicht so als ob sie wüssten, was sie da tun.
Zudem identifiziert die Webseite Flüge der KLM nicht als zuständigkeitsgebiet der EUClaim (trotz Statement, dass sie Fälle aus D, GB und NL vertreten).
Mein Eindruck: lieber zur Konkurenz gehen. Die möchten jedenfalls lieber Provision verdienen als EUClaim und treten Vertrauenswürdiger auf. Und: Wer nicht will, der hat schon...

kampfhamster1 am 08.01.2015 um 08:57 Uhr
EUclaim absolut nicht empfehlenswert!

Bereits im August 2014 habe ich mich wegen eines Entschädigungsfalles gegenüber Germanwings mit EUclaim in Verbindung gesetzt und tatsächlich auch eine Bestätigungsmail erhalten. Obwohl ich sämtliche geforderten Unterlagen hingeschickt habe, wurde keine meiner Mails mehr beantwortet. Diese verhallten alle im Nirwana.
Die Bewertungsseite von EUclaim ist wohl ein Fake. Dort kann man nur Bewertungen abgeben, sofern man auch eine Bearbeitungsnummer angibt. Eine solche habe ich jedoch nie erhalten.......
Mein Fazit: NICHT EMPFEHLENSWERT !