Gerichtsurteile: Wann müssen Airlines bei Verspätungen zahlen?

Wenn sie keine Entschädigung zahlen wollen, berufen sich Fluggesellschaften oft auf „außergewöhnliche Umstände“. Als außergewöhnlich im juristischen Sinn gelten Umstände, die nicht unmittelbar zum Luftverkehr gehören, aber seine ordnungs- und planmäßige Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Darunter fallen etwa politische Instabilität, Wetterbedingungen und Streiks. Hier erklären wir anhand von Beispielen und aktuellen Urteilen, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen – und wann nicht.
Technische Probleme: Kommt drauf an
Technische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, stellen nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs keine außergewöhnlichen Umstände dar (Az. C 549/07, Urteil vom 22. Dezember 2008, „Wallentin-Hermann“). Schäden an Flugzeugen, die auf Sabotageakte oder terroristische Handlungen zurückgehen, zählen jedoch als höhere Gewalt. Wenn der Generator des Flugzeugs defekt ist, dieses aber planmäßig gewartet wurde, ist die Airline nicht verpflichtet, ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten (Amtsgericht Frankfurt, Az. 31 C 3337/06). Geht aber eine Kraftstoffpumpe vor der durchschnittlichen Lebensdauer kaputt und der Flug verspätet sich um 29 Stunden, kann sich die Fluggesellschaft nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen – sie muss auch für unerwartete Defekte Vorsorge treffen (Az. C-257/14, Urteil vom 17. September 2015, „van der Lans“).
Streik: Kommt auch drauf an

Pilotenstreik
Die Fluggesellschaften berufen sich mitunter gern auf einen Streik von eigenem Flugpersonal oder Beschäftigten am Abflug- oder Zielflughafen, wenn sie eine Flugannullierung begründen und mögliche Entschädigungsansprüche ihrer Kunden abwehren wollen. Sie sind mit diesem Argument in der Vergangenheit vor Gericht auch schon erfolgreich gewesen. Im Jahr 2012 hat der Bundesgerichtshof den Pilotenstreit bei der Lufthansa als „außergewöhnlichen Umstand“ angesehen. Die Folge: Die von Verspätungen und Annullierungen betroffenen Passagiere bekamen keine Entschädigung (Az. X ZR 138/11; X ZR 146/11).
Wichtig: In einem solchen Streikfall bekommen die Fluggäste zwar keine Pauschalentschädigung von der Airline. War der annullierte Flug aber Bestandteil einer Pauschalreise, haben die Urlauber nach dem Reisevertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anspruch auf Reisepreisminderung gegenüber dem Reiseveranstalter. Allerdings ist die Höhe der Rückzahlung vom Reisepreis abhängig und fällt meist geringer aus als die nach Fluggastrechteverordnung fälligen Sätze.
Streik bei den Personenkontrollen
Dass ein Streik jedoch keine Generalausrede für eine Airline ist, zeigt das BGH-Urteil vom 4. September 2018. Hier entschied das Gericht, dass von einer streikbedingten Flugannullierung betroffene Passagiere durchaus einen Entschädigungsanspruch haben können. Konkret ging es um einen Fall im Jahr 2015, wo die für Passagierkontrollen zuständigen Beschäftigten am Hamburger Flughafen in den Streik getreten waren. Ein Ehepaar wollte mit Easyjet von Hamburg nach Lanzarote fliegen. Trotz der Streiks an der Sicherheitskontrolle schaffte es das Paar rechtzeitig zum Abfluggate. Doch die Fluggesellschaft strich den Flug – mit dem Hinweis auf Sicherheitsbedenken – und ließ das Flugzeug ohne Passagiere nach Lanzarote fliegen. Andere Airlines führten ihren Flugbetrieb trotz des Streiks normal weiter. Beide Fluggäste forderten als Entschädigung 400 Euro pro Person, die Easyjet aber nicht zahlte.
Die Sache landete vor Gericht. Dort verteidigte die Airline sich insbesondere damit, dass wegen des Streiks die Gefahr bestanden habe, dass die Passagiere nicht mehr ordentlich kontrolliert würden. Dem BGH reichte das als Begründung jedoch nicht aus. Die abstrakte Gefahr, dass wegen des Streiks vielleicht nicht mehr gründlich kontrolliert werde, rechtfertige die Annullierung nicht (Az. X ZR 111/17, Pressemitteilung des Gerichts). Der BGH verwies den Fall zur abermaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurück. Ob Easyjet dann tatsächliche Anhaltspunkte für ein konkretes Sicherheitsrisiko durch den Streik nennen kann, bleibt abzuwarten. Gelingt das nicht, steht dem Ehepaar die Entschädigung zu.
Warnstreik des externen Abfertigungspersonals („Check-in“)
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage von Passagieren auf eine Ausgleichszahlung wegen einer streikbedingten Flugannullierung im Dezember 2017 abgewiesen. Gestreikt hatte nicht das Personal der Airline, sondern ein Subunternehmen, dass sie zur Abfertigung der Passagiere („Check-in“) eingesetzt hatte. Der gewerkschaftlich organisierte Warnstreik eines solchen externen Abfertigungsdienstleisters stellt nach Ansicht des Gerichts einen außergewöhnlichen Umstand dar, der die Airline von der Pflicht zur Entschädigung befreit. Für die Fluggesellschaft sei der Streikt nicht „beherrschbar“ gewesen. Weil nicht das eigene Personal gestreikt hatte, habe die Airline den Streik selbst durch Zugeständnisse nicht vermeiden können. Ferner habe sie die Annullierungen nicht durch zumutbare Gegenmaßnahmen verhindern können. Eine Fluglinie sei nicht verpflichtet, eigenes Ersatzpersonal in Reserve zu halten, das einspringt, wenn Subunternehmer streiken (Az. 2–24 S 280/18).
Plötzliche Erkrankungswelle („wilder Streik“)
Kündigt eine Fluggesellschaft (im konkreten Fall handelte es sich um Tuifly) ihren Piloten und Flugbegleitern überraschend Umstrukturierungen an und reagiert die Belegschaft darauf mit unüblich vielen Krankmeldungen, durch die es zu Flugausfällen und Ankunftsverspätungen kommt, kann sich die Airline nicht auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen – darf also die Entschädigungszahlungen nicht verweigern.
Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kommen nur solche Ereignisse als außergewöhnliche Umstände in Frage, die von der Fluggesellschaft tatsächlich nicht beherrschbar sind. Der wilde Streik sei aber ein Folge der Unternehmenspolitik gewesen und damit beherrschbar gewesen. Das zeige die Tatsache, dass der hohe Krankenstand endete, nachdem sich Airline und Betriebsrat geeinigt hatten (Urteil vom 17. April 2018; Az. C-195/17 und andere).
Entschädigung für Flugausfall bei Ryanair-Streik
Ryanair-Kunden, deren Flug im Sommer 2018 streikbedingt ausgefallen ist, haben Chancen auf eine Entschädigung. Wie das Fluggastrechteportal Flightright berichtet, hat die Airline in einigen Prozessen die Ansprüche der Passagiere bereits anerkannt. Außerdem hat der Dienst im Januar 2020 für elf wegen des Streiks annullierte Ryanair-Flüge vor dem Landgericht Frankfurt am Main mit Erfolg Entschädigungen erstritten (Az. 2-24 O 117/18). Die Richter hatten Ryanair zur Zahlung verurteilt, weil die Airline noch nicht einmal versucht hatte, für die bestreikten Flugzeuge Ersatzflieger von anderen Airlines anzumieten.
Auch der Fluggast-Sofortentschädiger EUflight hat nach Unternehmensangaben jüngst Streik-Fälle gewonnen. Wer zu den vom Ryanair-Streik betroffenen Kunden gehört und das Geld noch nicht gefordert hat, kann das noch immer tun. Die Ansprüche für das Jahr 2018 verjähren erst Ende 2021.
Unser Rat: Fordern Sie zunächst Ryanair selbst zur Zahlung auf, etwa mit dem Online-Formular der irischen Fluggesellschaft. Zahlt die Airline nicht, wenden Sie sich am besten anschließend an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp). Bleibt auch das erfolglos, können Sie zur Durchsetzung ihrer Rechte eines der hier beschriebenen Fluggastrechteportale oder einen Anwalt einschalten. Oder Sie verkaufen ihren Entschädigungsanspruch gegen einen Abschlag von rund 40 Prozent an einen Sofortentschädiger.
Außergewöhnliche Umstände

In diesen Fällen liegen außergewöhnliche Umstände vor:
Zwischenlandung wegen randalierendem Passagier
Kommen Passagiere mit großer Verspätung an ihrem Zielflughafen an, weil ein Passagier randaliert hat und die Maschine zwischenlanden musste, um den Störer von Bord zu bringen, kann darin ein außergewöhnlicher Umstand liegen, der die Airline zur Ablehnung von Entschädigungsforderungen berechtigt. Allerdings ist die Airline auch in solchen Fällen verpflichtet, sich um Alternativflüge zu bemühen, damit die betroffenen Passagiere frühestmöglich ihr Ziel erreichen, notfalls mit Maschinen anderer Airlines (Europäischer Gerichtshof, Az. C-74/19, Urteil vom 11. Juni 2020, „Fluggäste gegen TAP Air Portugal“). Hat die Airline dies versäumt, steht den von der ungeplanten Zwischenlandung betroffenen Passagieren prinzipiell ein Entschädigungsanspruch zu.
Durch Fremdkörper auf Rollbahn beschädigter Flugzeugreifen
Beschädigt ein Fremdkörper auf der Fahrbahn einen Flugzeugreifen und kommt es wegen der Reparaturarbeiten oder des Austausches des Reifens dann zu einer Ankunftsverspätung um drei Stunden oder mehr, kann die Airline die Zahlung eines Ausgleichsleistung möglicherweise verweigern. Denn ob Fremdkörper auf einer Start- oder Landebahn liegen, ist von der Fluggesellschaft nicht beherrschbar. Die Reinigung der Rollbahn von gefährlichen Gegenständen falle vielmehr in die Zuständigkeit des Flughafenbetreibers (Europäischer Gerichtshof, Az. C-501/17, Urteil vom 4. April 2019, „Pauels“). Der EuGH zieht im „Pauels“-Urteil eine Parallele zu Flugzeugschäden durch Vogelschlag. Auch diese seien für Fluggesellschaften nicht beherrschbar.
Einige deutsche Gerichte hatten zuvor in durch Fremdkörper auf der Rollbahn beschädigte Reifen keinen „außergewöhnlichen Umstand“ gesehen (etwa Landgericht Stuttgart, Az. 10 C 1977/16 oder Amtsgericht Hannover, Az. 462 C 3790/17 und 462 C 2065/17).
Wichtig: Muss ein Reifen aus normalen Verschleißgründen ausgetauscht werden und führt dieser Reifenaustausch zu einer großen Ankunftsverspätung, liegt kein „außergewöhnlicher Umstand“ vor. Verschleißprobleme sind durch regelmäßige Wartung lösbar. Die Wartung der Flugzeuge fällt in den Zuständigkeitsbereich der Airlines.
Systemausfall am Flughafenterminal
Die Technik am Flughafen ist Sache des Flughafenbetreibers, sie gehört nicht zum Aufgabenbereich einer Fluggesellschaft. Verursacht ein mehrstündiger kompletter Systemausfall am Abfertigungsterminal des Startflughafens eine Verspätung am Zielflughafen, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. Hat die Airline bei Abflug alles ihr Zumutbare getan, um die technikbedingte Verspätung zu vermeiden, indem sie etwa die Passagiere möglichst schnell manuell abgefertigt hat, und ist der Flug dennoch mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr am Reiseziel angekommen, ist die Fluggesellschaft entlastet. Sie muss dann keine Entschädigung an die Passagiere auszahlen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden (Az. X ZR 15/18 und X ZR 85/18).
Aschewolke
Fluggäste, die im Frühjahr 2010 wegen der Aschewolke aus dem isländischen Vulkan Eyjafjallajökull an verschiedenen Orten Europas tagelang festsaßen, haben Anspruch auf Ersatz zusätzlicher Hotel- und Verpflegungskosten. Ein Naturereignis entbindet Airlines nicht von der Pflicht, ihre Fluggäste zu betreuen, urteilte der Europäische Gerichtshof (Az. C-12/11). Sie müssen aber keine Entschädigung dafür zahlen, dass sie Flüge gestrichen haben. Die Entschädigungspauschalen nach der EU-Fluggastrechteverordnung (250 bis 600 Euro) entfallen, wenn ein außergewöhnlicher Umstand wie die Aschewolke Grund der Annullierung war.
Vogelschlag
Verspätet sich ein Flug wegen eines Vogelschlags – also Kollisionen mit Vögeln, die gegen die Maschinen prallen oder in Triebwerke geraten – um mehr als drei Stunden oder fällt er ganz aus, haben Passagiere keinen Anspruch auf Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung. So entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall eines tschechischen Ehepaares, das von seiner Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro gefordert hatte. Die Kollision mit einem Vogel sei ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Verordnung, so der EuGH. Das Unternehmen muss jedoch in so einem Fall alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Weiterflug nicht unnötig zu verzögern (Az. C-315/15).
Treibstoff auf der Startbahn
Ist Grund für die Verspätung eines Fluges ausgelaufener Treibstoff auf der Startbahn, schulden Fluggesellschaften dem EuGH zufolge Passagieren keine Entschädigung. Muss die Rollbahn geschlossen werden, stelle dies einen „außergewöhnlichen Umstand“ dar, wenn der ausgelaufene Treibstoff nicht vom Flugzeug der Airline stamme. Darüber hinaus hätte die Fluggesellschaft die Verspätung auch nicht durch „zumutbare Maßnahmen“ vermeiden können. Die Instandhaltung des Rollfelds falle nicht in ihre Zuständigkeit. Die Entscheidung der Flughafenbehörden, ein Rollfeld zu schließen, sei für die Airline zudem verbindlich (Az. C-159/18).
Keine außergewöhnlichen Umstände
Eine Entschädigung musste die Airline in den folgenden Fällen zahlen:
Annullierung wegen Wettervorhersage
Eine Airline darf nicht bloß auf Basis einer schlechten Wetterprognose einen Flug kurzfristig absagen und dann Entschädigungsansprüche der Passagiere mit dem Hinweis auf „außergewöhnliche Umstände“ ablehnen, wenn es zum Zeitpunkt der Annullierung (in diesem Fall: ein Tag vor Abflug) noch keine wetterbedingten Anordnungen der Flugsicherung gab. Der bloße Verdacht der Airline, dass es am Abflugtag Einschränkungen am Flughafen durch ein Unwetter geben könnte, stellt noch keinen außergewöhnlichen Umstand dar (Landgericht Berlin, Urteil vom 28. Mai 2019, Az. 67 S 49/19).
Gepäckwagen beschädigt Flugzeug
Knallt vor dem Start ein ungesicherter Gepäckwagen gegen ein Flugzeug, ist das keine höhere Gewalt. Muss eine Ersatzmaschine kommen und verspätet sich der Flug, haben Passagiere laut Bundesgerichtshof Anspruch auf Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung (Az. X ZR 75/15; Entscheidung im Volltext). Urlauber, die 13 Stunden später als geplant nach Windhuk flogen, bekamen 600 Euro. Der Turbinenstrahl eines anderen Flugzeugs hatte zwei Gepäckwagen weggeblasen.
Erkrankung eines Crewmitglieds
Ein Condor-Flug aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Frankfurt am Main hatte 14 Stunden Verspätung. Dafür hätten die Passagiere von der Fluggesellschaft jeweils 600 Euro als Ausgleich erhalten müssen. Condor berief sich auf außergewöhnliche Umstände und erklärte, dass ein Crewmitglied plötzlich erkrankt sei und die Maschine deshalb nicht starten konnte. Eine Krankheit sei aber kein außergewöhnlicher Umstand, befand das Landgericht Darmstadt (Az. 7 S 122/10).
Fehlendes Enteisungsmittel
Wird ein Flug annulliert, weil nicht genug Enteisungsmittel da ist, haben Fluggäste Anspruch auf die Ausgleichsleistung nach EU-Verordnung 261/2004. Dass im Winter Enteisungsmittel benötigt wird, sei vorhersehbar und kein außergewöhnlicher Umstand, urteilte das Oberlandesgericht Brandenburg (Az. 2 U 3/13).
Erneute Enteisung
Verzögert sich in den Wintermonaten der Start einer Maschine und muss das Flugzeug vor Flugbeginn deshalb erneut enteist werden, liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor (Amtsgericht Frankfurt am Main, Az. 32 C 1014/16). Kommt der Passagier wegen der notwendigen neuen Enteisung schließlich mehr als drei Stunden zu spät am Zielflughafen an, muss die Fluggesellschaft eine Entschädigung (Ausgleichsleistung) zahlen.
Treppenfahrzeug kollidiert mit Flugzeug
Eine Fluggesellschaft kann sich nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, wenn einer ihrer Flüge verspätet startet, weil zuvor ein Treppenfahrzeug mit dem Flugzeug in Parkposition zusammenstieß. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Az. C-394/14). Die Fluglinie muss den Klägern, die deswegen sechs Stunden verspätet in Antalya landeten, einen Verspätungsausgleich zahlen.
Fehlender Passagier
Kommt es zu mehr als drei Stunden Flugverspätung, weil das Gepäck eines Passagiers wieder ausgeladen wird, der nicht zum Boarding erschienen war, steht anderen Fluggästen eine Ausgleichszahlung zu (Amtsgericht Frankfurt/Main, Az. 29 C 1685/15 [21]). Das Ausladen von Gepäck eines nicht erschienenen Fluggastes ist gewöhnlich und kommt häufig vor, weswegen es kein außergewöhnlicher Umstand ist, mit dem sich die Fluggesellschaft einer Haftung entziehen kann.
Flugzeugtoilette verstopft
Die Verstopfung einer Flugzeugtoilette ist kein außergewöhnlicher Umstand. Verzögert sich der Abflug einer Maschine, weil die Verstopfung erst beseitigt werden muss, und verpasst der Fluggast durch den verspäteten Abflug seine Anschlussmaschine, so dass er schließlich mehr als vier Stunden zu spät an seinem Endziel ankommt, hat er einen Anspruch auf eine Entschädigung nach der europäischen Fluggastrechteverordnung (Amtsgericht Frankfurt am Main, Az. 29 C 2454/15 [21]).
Müll auf Rollfeld
Eine Verspätung wegen Mülls auf dem Rollfeld ist kein außergewöhnlicher, unvermeidbarer Umstand, der die Airline von der Zahlung der Entschädigung befreit. Das hat das Amtsgericht Hannover im Jahr 2016 entschieden (Az. 556 C 511/16).
Anschlussflüge von Nicht-EU-Airlines und andere Fälle
Anschlussflug von Nicht-EU-Airline. Reisende haben bei einem verspäteten Anschlussflug außerhalb der EU Anspruch auf Entschädigung, auch wenn der Anschlussflug gar nicht von einer europäischen Airline angeboten wurde. So hat der EuGH entschieden (Az. C-502/18). In dem Fall hatten elf Urlauber bei der tschechischen Fluggesellschaft Ceske aerolinie eine Reise von Prag nach Bangkok gebucht, mit Zwischenstopp in Abu Dhabi. Den ersten Flug von Prag nach Abu Dhabi führte die tschechische Airline ohne Verspätung durch. Der zweite Flug erfolgte mit der arabischen Fluggesellschaft Etihad Airways. Er kam mit 488 Minuten Verspätung in Bangkok an. Grund für die gerichtliche Entscheidung, dass den Passagieren Entschädigungsleistungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zustehen, war, dass sie die gesamte Reise beim tschechischen Luftfahrtunternehmen gebucht hatten und beim ersten Teil der Reise auch tatsächlich eine Maschine des Anbieters nutzten.
Geliehenes Flugzeug. Bei einer großen Verspätung muss die einen Flug anbietende und dafür verantwortliche Fluggesellschaft auch dann Entschädigung an Passagiere zahlen, wenn sie das Flugzeug und dessen Besatzung bei einer anderen Airline gemietet hat. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Fluggäste hatten bei TUIFly einen Flug von Hamburg nach Cancún in Mexiko gebucht. Dafür mietete TUIFly ein Flugzeug samt Besatzung bei der Fluggesellschaft Thomson Airways. Die Buchungsbestätigung wies TUIfly als anbietende Fluggesellschaft und Thomson Airways als den Flug durchführendes Unternehmen aus. Die Entschädigungsforderung wegen einer Verspätung von mehr als drei Stunden traf mit Thomson Airways die falsche Fluggesellschaft. Laut EuGH treffe allein TUIfly als gebuchte Airline die Verantwortung für den Flug (Az. C-532/17).
Umbuchung des Zubringers. Wird bei einer Umsteige-Flugverbindung der erste Zubringerflug auf einen späteren geändert, ergibt sich daraus noch kein Anspruch auf eine Fluggastentschädigung. Diese wird nur bei einer erheblichen Verspätung am Endziel fällig. Ein Passagier war von Jerez in Spanien über Madrid nach Frankfurt am Main geflogen. Der Zubringerflug von Jerez nach Madrid wurde aber gegen seinen Willen auf einen späteren Flug umgebucht. Der Fluggast erreichte in Madrid trotzdem den Anschluss und kam pünktlich in Frankfurt an. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main klagte er dennoch auf eine Entschädigung. Das Gericht legte den Rechtsstreit dem EuGH vor. Dieser betonte zwar, dass die Ausgleichszahlung „große“ Unannehmlichkeiten ausgleichen soll. Der Fluggast habe seinen ursprünglichen Zubringerflug nicht nutzen können. Dennoch habe er aber Frankfurt planmäßig erreicht. Die Unannehmlichkeiten seien daher nicht groß im Sinne der EU-Fluggastverordnung. Ein pauschaler Entschädigungsanspruch scheide daher aus. (Az: C-191/19)
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