Fisch Mit gutem Gewissen

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Der Appetit auf Fisch wächst. Doch viele Fischbestände sind gefährdet, Zuchtbetriebe arbeiten oft unökologisch. Wer richtig wählt, schützt bedrohte Fische und die Umwelt.

Der Karpfen ist ein Ausnahmefisch, denn es geht ihm gut. In der europäischen Zucht lebt er oft am Grund jahrhundertealter Teiche, frisst Algen und Insekten. Ab und zu bekommt er etwas Extragetreide ins Wasser. Die meisten Karpfen werden zu Weihnachten und Silvester gefischt. Da kommt ihr nussiges Fleisch in vielen Familien auf den Festtagstisch. Die Umweltorganisationen Greenpeace und World Wide Fund For Nature (WWF) empfehlen den traditionellen Jahresendzeitfisch ganzjährig. Seine Zucht gilt als umweltverträglich.

Doch der ökologisch korrekte Karpfen leidet an seinem Ruf als Schlammfisch. Dabei können Züchter Muff- und Modernoten heute durch kluge Wässerung beheben. Nur etwa 160 Gramm Karpfen im Jahr isst der Bundesbürger im Jahr. Das entspricht einem Prozent seines gesamten Fischverzehrs, der 2009 auf den Rekord von 15,7 Kilogramm stieg. Lediglich 15 Prozent davon stammten aus heimischer Fischerei, der Rest aus Importen. Die Deutschen kaufen zu zwei Drittel Seefisch, sonst noch Süßwasserfisch und Meeresfrüchte.

Alaska-Seelachs ist der Verkaufshit

Alaska-Seelachs ist seit Jahren der Verkaufshit in Deutschland. Meist als Fischstäbchenfüllung, Schlemmer- oder pures Tiefkühlfilet stellt er 20 Prozent des verkauften Fischs, gefolgt von Hering (19 Prozent) und Lachs (13 Prozent). Doch die Marktführer stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung, einige ihrer Bestände gelten als bedroht. Sie sind entweder überfischt, es wurden also mehr Tiere gefangen als nachwachsen können, oder der Klimawandel droht ihnen die Nahrungsgrundlage zu entziehen wie manchem jungen Hering.

Die Welternährungsorganisation FAO mahnt: 28 Prozent der Fischbestände sind weltweit ernsthaft gefährdet. Weitere 52 Prozent werden bis an ihre Grenzen befischt. Ein Problem ist auch der Beifang, der durchschnittlich 40 Prozent eines Fangs ausmacht. Das sind kleine Fische, aber auch Haie, Delfine, Wale, Seevögel und Schildkröten, die sich in Netzen oder den Langleinen verheddern. Die Tiere werden wieder von Bord geworfen, viele sterben.

Die Fischbestände zu schützen, liegt bei der Politik, die jedes Jahr neue Fangquoten festlegt. Im Durchschnitt liegen sie bei 38 Prozent, was Wissenschaftler noch für zu halten. Sie loben aber, dass heute einige staatliche Managementpläne für bestimmte Bestände greifen. So konnte sich der einst stark überfischte Dorsch in der östlichen Ostsee seit 2008 wieder erholen, auch weil dort die illegale Fischerei bekämpft wurde.

Verbraucher machen Meerespolitik

Auch Verbraucher können Meerespolitik betreiben und sich zum Beispiel bei zwei Fischarten zurückhalten, die stark gefährdet sind: der Aal und der Rote Thun. Meist ist aber nicht die ganze Fischart bedroht, sondern nur einzelne Bestände in bestimmten Regionen.

Verbrauchern fällt es aber oft schwer, unkritischen Fisch zu erkennen. Auf Packungen und Schildern müssen nämlich nur die Art und das Fanggebiet stehen. Und das ist oft nur sehr pauschal benannt, etwa mit Nordostatlantik. Der erstreckt sich aber über ein Riesengebiet von Grönland bis Portugal, wo es gleichzeitig bedrohte und gesunde Bestände einer Art gibt. Die Fisch-Einkaufsratgeber von WWF und Greenpeace bieten konkretere Hilfe, da sie die Fischgründe präzisieren. Auch die deutsche Fischindustrie beginnt, genauer zu informieren – im Internet (www.fischinfo.de) und auf 1 000 Fischprodukten. Bis Jahresende will der ganze Handel nachziehen.

WWF und Greenpeace teils uneinig

Doch die Fischratgeber widersprechen sich zum Teil. So rät Greenpeace ganz vom Verzehr von Alaska-Seelachs ab: Die Bestände seien trotz leichter Erholung noch in einem schlechten Zustand. Der WWF hält nur Alaska-Seelachs aus dem Nordwestpazifik für kritisch, aus dem Nordostpazifik für eine gute Wahl (siehe Tabelle). Der WWF empfiehlt grundsätzlich Fischprodukte mit dem MSC-Siegel, Greenpeace nicht. MSC steht für Marine Stewardship Council, was auf Deutsch etwa „Verantwortungsrat für die Meere“ bedeutet. Die unabhängige Organisation wurde 1997 vom WWF gemeinsam mit dem Lebensmittelkonzern Unilever gegründet. MSC-zertifizierte Fischereien fangen nur so viel Fisch wie nachwachsen kann – und das mit umweltverträglichen Methoden. So wird etwa MSC-zertifizierter Kabeljau aus der Beringsee mit Langleinen gefangen. Die schädigen den Meeresboden kaum, was mit den sonst üblichen Grundschleppnetzen der Fall sein kann. Die MSC-Fischereien müssen auch achtgeben, dass nur wenig Beifang in den Netzen landet.

Landschaften für Pangasius geopfert

Doch eine nachhaltige Fischerei allein reicht nicht, um den wachsenden Hunger auf Fisch zu stillen. Einen Ausweg verheißt die Aquakultur, also die Fischzucht. Dort gibt es zwar keine Überfischung, dafür hat die weitverbreitete Massentierhaltung unter Wasser oft andere ökologische Haken: Nahrungsreste, Kot, Antibiotika und Parasiten gelangen in die benachbarten Gewässer. Zudem zerstören aus dem Boden gestampfte Aquakulturen in den Tropen und Subtropen uralte Ökosysteme. Besonders schlimm ist die Lage in Vietnam, wo seit etwa zehn Jahren ganze Flusslandschaften den Aquakulturen für Pangasius geopfert werden. Bereits etwa 47 Prozent des weltweit verzehrten Fisches stammen aus Zuchtbetrieben, jeder dritte liegt in China.

Auch für die bei uns so beliebten Zuchtlachse und -forellen wird die Natur geplündert, da sie viel tierisches Futter brauchen. Laut WWF werden für 1 Kilogramm Zuchtfisch im Mittel 4 Kilogramm Wildfisch verfüttert, meist als Fischmehl aus Wittling und Hering. Dieser Futterfisch stammt selten aus nachhaltigen Fängen. Der WWF entwickelt zurzeit ein Nachhaltigkeitssiegel für Aquakulturen. Nach Vorbild des MSC heißt es ASC: Aquaculture Stewardship Council. Mitte 2011 sollen die ersten Pangasius- und Tilapia-Farmen zertifiziert werden. Dort soll auf ökologische und auch auf soziale Standards geachtet werden.

Lachs und Dorade mit Biosiegel

Strenger als die Richtlinien für das ASC-Siegel bleiben die für Biozuchtfisch. Als erster deutscher Öko-Anbauverband hat Naturland in den 90er Jahren Richtlinien für Biozuchtfisch entwickelt, die heute für elf Arten gelten. Naturland beachtet stärker als andere Biofarmer, dass benachbarte Ökosysteme geschützt und die Fische nicht allzu eng leben. Der Futterfisch stammt aus Resten der Speisefischverarbeitung, um Wildfische zu schonen. Noch hat die junge Biozucht weltweit einen Promilleanteil. Knapp 300 Betriebe arbeiten nach Ökorichtlinien, gut 20 davon in Deutschland.

Norma wirbt mit nachhaltigem Fisch

Mittlerweile engagiert sich auch der Handel in Sachen Nachhaltigkeit. So listen große Fischanbieter wie Deutsche See, Friedrichs, Frosta und Iglo MSC-Produkte. Und viele Handelsketten wie Edeka und Rewe oder einige Discounter wie Norma werben mit nachhaltiger Einkaufspolitik.

Tipp: Verbraucher sollten bewusst und seltener Fisch kaufen und den höheren Preis für zertifizierte Ware bezahlen. Nur dann können sie noch lange Fisch essen, der auch gesund ist. Immerhin liefert jede Art leicht verdauliches Eiweiß, Seefisch obendrein noch Jod und Omega-3-Fettsäuren, die Herz und Hirn schützen. Und Herz und Hirn sind gefragt, um das Schreckensszenario der Welternährungsorganisation FAO zu verhindern. Es besagt: Der Speisefisch der Meere könnte bis 2050 weggefischt sein.

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michelvoss am 29.11.2010 um 00:52 Uhr
Auch Öko-Fische ersticken elend.

1. Marine Stewardship Council, Suche "Tierschutz": 0 Artikel gefunden.
2. Fische fühlen zweifellos Schmerzen - die sogar durch Morphium aufgehoben werden können. (Do Fish Feel Pain? V.Braithwaite. Oxford University Press, 2010)
3. Wissenschaftliche Zeitschriften lehnen die Veröffentlichung von Untersuchungen an unbetäubten Fischen ab: "... will not normally publish the results from studies that involve procedures on sentient, un-anaesthetized animals paralysed by chemical agents, such as muscle relaxants;"Ethical justification for the use and treatment of fishes in research, Journal of Fish Biology (2006) 68, 1–2, freier Volltext: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.0022-1112.2006.01035.x/pdf