Deutschland importiert Fisch meist aus der Ferne. Das heißt oft Massenproduktion und weite Wege. Dabei gibt es fangfrischen Fisch aus der Region – von der Küste und aus Teichen. test stellt acht See- und Süßwasserfische vor, die Sie mit guten Gewissen in die Pfanne hauen können.
Direkt vom Kutter
Leichte Brise, 18 Grad. Sehr viel wärmer wird es heute nicht mehr. Sommer an der Ostsee. Eine große Menge Goldbutt zappelt am frühen Morgen auf der Kieler Förde im Netz. Noch auf See sendet der Kapitän des Kutters Erick Rasmus eine SMS in die Welt: „Möltenort. Heute ab 8.30 Uhr Goldbutt-Verkauf vom Kutter Erick Rasmus bis ca. 13 Uhr.“ Diese Frisch-Fisch-Nachricht erscheint direkt auf der Webseite Fisch-vom-kutter.de. Interessierte lesen sie und machen sich auf den Weg zur Anlegestelle.
Interesse an Lebensmitteln aus der Region steigt
Fangfrischer Fisch sollte an der Küste selbstverständlich sein. Tatsächlich aber bekamen Kunden an Nord- und Ostsee lange Zeit die Fänge der örtlichen Fischer kaum zu Gesicht. Die lieferten direkt an Großhändler, standen so im Wettbewerb mit den großen Fangschiffen. Heute wählen sie immer häufiger lokale Vertriebswege. Denn das Interesse an Lebensmitteln aus der Region steigt – auch an heimischem Fisch.
Lust auf frischen Fisch
Überfischte Meere, riesige Fischfarmen, Mikroplastik in der Nahrungskette, weite Handelswege – die Gründe sind zahlreich, weshalb viele gern mehr deutschen, gut kontrollierten Fisch essen würden. Manchmal ist es auch einfach die Lust auf frischen Fisch. test hat je vier deutsche See- und Süßwasserfische herausgesucht (Aus Süßwasserzucht: Vier Alternativen zum Seefisch), die selbst kritische Verbraucher guten Gewissens kaufen können.
Deutsche essen überwiegend importierte Fische
Hierzulande wird viel Fisch produziert, 244 000 Tonnen etwa im Jahr 2013. Der größere Teil wird exportiert. Rund 85 000 Tonnen jedoch landen auf deutschen Tellern, aus Küsten- und Hochseefischerei, Binnenfischerei und Zucht. Heimischer Fisch macht somit nur rund 8 Prozent des in Deutschland verzehrten Fisches aus.
Immer mehr Fischereien vermarkten direkt
Wie kommen Interessierte an heimischen Fisch? Zu finden ist regionaler See- und Süßwasserfisch eher selten im Supermarkt, schon gar nicht im Tiefkühlregal. Jederzeit, überall erhältlich – diese Erwartung lässt sich kaum erfüllen. Regionaler Frischfisch wird oft wetterabhängig und saisonal vermarktet. Auf Fisch-vom-kutter.de heißt es vorsorglich: „Manchmal verdirbt der Sturm den Fang oder verhindert gar die Fangfahrt, vielleicht herrscht Schonzeit für den Dorsch oder es ist gerade keine Saison für Hering.“ In dem Projekt organisieren sich Fischer aus 23 Anlandeorten der deutschen Ostseeküste, auf Sylt, in Dänemark und den Niederlanden. Auch Internetseiten wie Fischeinkaufsfuehrer.de informieren über regionale Krabbenfischer und Online-Fischhändler. Immer mehr Fischereien vermarkten direkt.
Importfische entsprechen nicht immer europäischen Qualitätsstandards
Fast 90 Prozent des in Deutschland gehandelten Fisches wird importiert – das sind rund 1,8 Millionen Tonnen Fisch und Fischereierzeugnisse im Jahr. Und die kommen immer öfter aus Zucht. Für 2015 sagt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen voraus, dass von weltweit 168 Millionen Tonnen Fisch bereits 78 Millionen aus Aquakultur kommen werden. Die außereuropäischen Qualitätsstandards zu Medikamenteneinsatz, Nachhaltigkeit und artgerechter Haltung entsprechen oft nicht den strengeren europäischen Vorschriften – ein Argument, heimischen Fisch zu essen.
Thunfisch und Red Snapper von Überfischung bedroht
Wild gefangen werden weltweit jährlich etwa 90 Millionen Tonnen. Wer nachhaltig leben will, kann auch bei Wildfisch viel falsch machen: Laut Einkaufsratgebern von WWF und Greenpeace sind nach wie vor viele Arten wie Thunfisch und Red Snapper von Überfischung bedroht.
Hinweis: Bedrohungssituationen ändern sich. Aktuelle Angaben finden Sie im laufend aktualisierten Ratgeber Fischkauf auf test.de.
Ist der europäische Aal noch zu retten?
Manche Art stirbt gar aus: So bezweifelt das Thünen-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, dass der europäische Aal noch zu retten ist.
Energieaufwendige Kühlketten
Zwei weitere Probleme betreffen Wild- wie Zuchtfisch: Die Kühlketten auf langen Handelsrouten sind sehr energieaufwendig. Und Millionen Tonnen von schwerölhaltigem Schiffsdiesel belasten die Umwelt.
6 000 deutsch Aquakulturbetriebe
Abseits der Küste frischen Fisch zu bekommen, heißt Süßwasserfisch kaufen. Der ist zwar kein Jodlieferant und im Schnitt nicht ganz so reich an Omega-3-Fettsäuren wie Meeresfisch, hat aber ebenso hochwertiges Eiweiß. In ganz Deutschland wird er überwiegend gezüchtet. In Teichen, Fließkanälen und Netzgehegen ziehen Fischwirte Forellen, Karpfen, Saiblinge, Welse, aber auch Zander und Hechte heran. Die Produktion in den 6 000 deutschen Aquakulturbetrieben ist 2014 um 3 Prozent auf etwa 26 000 Tonnen Fisch und Muscheln gestiegen.
Fischzucht-Wasser als Dünger für Pflanzen
Die Zucht könnte bald lukrativer werden. Jedes EU-Land hat sich verpflichtet, nationale Strategiepläne zur Förderung heimischer Aquakultur umzusetzen. In Berlin und Hamburg wird gar mit Aquaponik-Systemen experimentiert: Hierbei kommt das nährstoffreiche Wasser der Fischzucht als Dünger für Pflanzenzucht zum Einsatz.
Bundesweites Verzeichnis fehlt
Praktisch für die Kunden wäre künftig ein bundesweites Verzeichnis regionaler Züchter. Noch gibt es das nicht. Wer regionalen Fisch aus Seen und Teichen kaufen will, direkt beim Züchter „ab Hof“, muss beim örtlichen Fischereiverein anfragen.
* Quelle: WWF.