Firmenverkauf Neue alte Arbeit

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Wenn der Chef die Firma teilweise oder gleich komplett verkauft, stehen seine Mitarbeiter nicht rechtlos da.

Die Freude am Urlaubmachen ist Christine Kern fast vergangen. „Bei der Rückkehr ins Büro gab es als Erstes eine Hiobsbotschaft“, erzählt die 38-jährige Grafikdesignerin. Sie erfuhr, dass die Abteilung verkauft worden war und sie einen neuen Chef hat.

Wenn Unternehmen den Eigentümer wechseln, bekommen die meisten Arbeitnehmer das große Zittern. Auch wenn lediglich einzelne Abteilungen ­einer Firma verkauft werden – das so ­genannte Outsourcing. Kein Wunder, jeder bangt um seinen Job.

Kern hätte sich erst einmal keine Sorgen machen müssen. „Eine Kündigung allein wegen des Betriebsübergangs ist unwirksam“, erklärt die Fachanwältin für Arbeitsrecht Daniela Gunreben von der Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner aus Nürnberg. Der Arbeits­vertrag bleibt beim neuen Arbeitgeber bestehen. So war es auch bei Frau Kern und ihren Kollegen.

„Kündigungen aus betriebs-, verhaltens- oder personenbedingten Gründen sind aber auch während eines Betriebsübergangs möglich“, sagt Gunreben.

Nichts geht verloren

Für einen Unternehmensverkauf gelten Spielregeln, die der Unternehmer beachten muss. Die Arbeitnehmer haben besondere Rechte. Allerdings gelten sie nur, wenn der Verkauf ein Betriebsübergang im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist (siehe „Betriebsübergang“).

„In der Regel handelt es sich beim Verkauf eines Betriebs oder einzelner Abteilungen um einen Betriebsübergang und auch die Gerichte sehen das häufig großzügig“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Fischer vom Arbeitsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins.

Ein neuer Chef darf die Mitarbeiter zum Beispiel nicht zu anderen Arbeiten verdonnern, als sie ursprünglich in ihrem Vertrag vereinbart haben. Zumutbare Änderungen der Tätigkeit sind zwar oft möglich – aber nur im Rahmen des Arbeitsvertrags.

Die Kündigungsfrist des Arbeit­nehmers bleibt bestehen und eine neue Probezeit gibt es nicht. War der Arbeitnehmer in seiner alten Beschäftigung unkündbar, gilt das weiterhin.

Der Mitarbeiter nimmt seine angesammelten Überstunden, den Urlaub und die Ansprüche aus seiner betrieblichen Altersvorsorge mit. „Auch Tarifvereinbarungen gelten in der aktuellen Version meist weiter“, erklärt Anwältin Gunreben. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen darf der neue Unternehmer ein Jahr lang nicht zulasten der Mitarbeiter ändern. Auch nach Ablauf des Jahres ist das nur sehr schwer für den neuen Arbeitgeber möglich.

„Dennoch gibt es Möglichkeiten für Tarifänderungen“, warnt Daniela Gunreben. „Wenn etwa der Arbeitnehmer einer Gewerkschaft angehört und zwischen ihr und dem neuen Arbeitgeber bereits ein anderer Tarifvertrag besteht, der auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, kann dieser Tarifvertrag die alte ­Tarifregelung auch schon vor Ablauf ­eines Jahres vollständig ablösen.“

Streit gibt es immer wieder. „Es kommt vor, dass der neue Arbeitgeber Sachleistungen wie Firmenwagen oder Reise­vergünstigungen nicht übernehmen will“, sagt Anwalt Fischer. Das sollte man sich nicht gefallen lassen. „Sind die Sachleistungen in der neuen Firma nicht möglich, muss es einen finanziellen Ausgleich geben“, rät der Anwalt.

Trotz gesetzlichen Schutzes ist aber nicht jeder Arbeitnehmer mit einem Betriebsübergang einverstanden. „Manche misstrauen der Finanzlage der neuen Firma, andere fürchten die fremde Unternehmenskultur eines ausländischen Käufers oder wollen nicht vom öffent­lichen Dienst in die Privatwirtschaft wechseln“, sagt Anwältin Gunreben.

In so einem Fall kann der Mitarbeiter innerhalb eines Monats, nachdem er vom Verkauf erfahren hat, widersprechen. Ob ein Betriebsübergang ins Haus steht, muss der Mitarbeiter nicht selbst herausfinden. „Der Arbeitgeber muss die Angestellten schriftlich informieren“, erklärt Gunreben.

Arbeitgeber muss informieren

Das Schreiben muss alle Rechtsfolgen ausführlich erklären, sodass der Arbeitnehmer sich ein umfassendes Bild machen und sich beraten lassen kann. „Wenn der Verkauf des Firmenteils nicht als Betriebsübergang bezeichnet wird, sollten Arbeitnehmer dies von einem Fachmann überprüfen lassen“, rät Anwalt Fischer. Sonst geben sie mög­licherweise wertvolle Rechte auf.

Christine Kern und ihre Kollegen wurden nicht informiert. Nachfragen war unerwünscht. „Wir kümmern uns schon darum“, habe es nur geheißen, erinnert sich die Grafikerin. Einen Betriebsrat gab es nicht. Kern und Kollegen hatten keine Ahnung von ihren Rechten und wussten nicht, ob für sie der gesetzliche Schutz überhaupt gilt.

Bleiben kann gefährlich sein

Wer dem Betriebsübergang widerspricht, muss das schriftlich beim alten oder beim zukünftigen Chef machen. „Solange der Arbeitgeber nicht vollständig informiert hat, besteht die Frist zum Widerspruch zunächst unbegrenzt“, erklärt Arbeitsrechtlerin Gunreben. Diese sollte man aber nicht zu sehr ausreizen, sonst kann die Chance zum Widerspruch vorbei sein.

Durch den Widerspruch macht der Mitarbeiter den Betriebsübergang nicht mit und bleibt beim alten Arbeitgeber. Erst einmal. Das Problem ist, dass er seinen Job nur behält, solange es für ihn dort eine Stelle gibt. Das ist nicht selbstverständlich, denn schließlich ist sein ­alter Arbeitsplatz ja mit übergegangen.

Findet sich für den Widersprechenden keine Beschäftigung, kann die alte Firma ihn aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Stehen für eine Position mehrere vergleichbare Arbeitnehmer zur Verfügung, darf der sozial schwächste bleiben. Wesentlich für diese so genannte Sozialauswahl sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und Unterhaltspflichten.

Bleiben nach der Sozialauswahl nur noch der Verweigerer und ein anderer Kollege übrig, fliegt der Mitarbeiter, der widersprochen hat. „Die Gerichte sind da rigoros“, warnt Anwalt Fischer. „Schließlich hat er die Chance, zu einem neuen Arbeitgeber zu wechseln, nicht genutzt.“

In der Regel können Arbeitnehmer ­einem Betriebsübergang gelassen entgegenblicken. „In vielen Fällen arbeiten sie für das neue Unternehmen genauso weiter, wie für das alte“, berichtet Anwältin Gunreben. „Allerdings sind sie häufig von späteren tariflichen Verbesserungen ausgeschlossen.“

Christine Kern und ihre Kollegen hatten allerdings Pech. Sechs Monate nach dem Verkauf ihrer Abteilung wurden sie betriebsbedingt gekündigt. Immerhin braucht die Grafikerin sich jetzt nicht mehr vor Hiobsbotschaften vom Chef zu fürchten. Sie macht sich selbstständig.

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