
© Die Kleinert / Christian Sommer
Menschen, bei denen das Geld im Alter nicht reicht, haben Anspruch auf Sozialhilfe. Sie sollten ihren Bedarf anmelden.
Ob aus Scham oder Unwissenheit – Hunderttausende Rentner beantragen keine Grundsicherung im Alter. Das schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in einer aktuellen Studie. Dabei hat jeder auf die Grundsicherung Anspruch, der das Rentenalter erreicht hat und dessen Rente gering ist und zum Leben nicht reicht. Das sollte man ohne Scham in Anspruch nehmen.
Unser fiktiver Beispielfall ist typisch: Johannes Schneider hat in seiner Jugend eine Lehre als Koch gemacht und mehrere Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Aber der Beruf ist hart. Gehört man nicht zur Spitzenklasse, ist er relativ mau bezahlt. Gehälter um 2 000 Euro brutto sind nicht selten. Damit lassen sich keine ordentlichen Rentenansprüche aufbauen. Rund 21 Euro Rente bringt ein Jahr Arbeit bei diesem Gehalt. Selbst wer 40 Jahre arbeitet, kommt nur auf 840 Euro Rente. Geld für die private Vorsorge können Köche so ebenfalls schwer zur Seite legen.
Unterbrochene Jobhistorie
Viele Menschen kommen zudem nicht auf 40 Erwerbsjahre, in denen sie in die Rentenversicherung einzahlen. Zeiten der Arbeitslosigkeit, längere Kinderpausen oder Phasen der Selbstständigkeit reißen Lücken in die Rentenbiografie und führen zu Minirenten.
So ist das auch bei Johannes Schneider. Er wollte nach 20 Jahren Arbeit in stressigen Restaurantküchen mit miesen Arbeitszeiten sein eigener Herr sein und hat sich mit einem Imbiss selbstständig gemacht. Er kam damit über die Runden. Da er Kredite für seinen Laden tilgen musste, blieb aber nicht genug Geld übrig, das er in die Altersvorsorge hätte stecken können.
Das Ergebnis: Jetzt mit 65 Jahren bekommt er in ein paar Monaten eine gesetzliche Rente von 500 Euro. Davon gehen die Beiträge für Krankenkasse und Pflegeversicherung ab, es bleiben 445 Euro.
Grundsicherung beantragen
Hat Schneider keine weiteren Zahlungen und kein Vermögen, hätte er Anspruch auf die Grundsicherung im Alter. Dafür berechnet das Sozialamt die Differenz zwischen der Rente und dem Bedarf.
Grundsätzlich setzt sich der Bedarf aus einer Pauschale für den Lebensunterhalt (Regelsatz) von 424 Euro und dem benötigten Geld für Unterkunft und Heizung zusammen, sofern die Miete dem Sozialamt angemessen erscheint.
Angenommen Schneider würde für seine Wohnung und die Heizkosten 450 Euro zahlen. Zusammen mit dem Regelsatz von 424 Euro käme er auf einen Bedarf von 874 Euro. 445 Euro bekäme er von der Rentenkasse, es bleibt also eine Differenz von 429 Euro, die das Sozialamt als Grundsicherungsleistung übernehmen würde.
Kleines Vermögen nutzen
Ein paar Monate vor seinem Renteneintritt hat Schneider seinen Imbiss verkauft. Jetzt hat er auf dem Konto ein bescheidenes Vermögen von 40 000 Euro .
Der Freibetrag für Vermögen, den Antragsteller behalten dürfen, bevor sie die Grundsicherung bekommen, liegt allerdings nur bei 5 000 Euro. Wer darüber liegt, muss erst einmal sein Vermögen verbrauchen, bevor der Staat einspringt. Verstecken oder verschenken bringt meistens nichts: Das Sozialamt prüft die Finanzflüsse vor dem Antrag der Grundsicherung sehr genau .
Eine Möglichkeit gibt es jedoch: Für Renten aus einer Riester-Rente, Betriebsrente oder privaten Rente gibt es einen eigenen Freibetrag. Seit dem Jahr 2018 bleibt ein Betrag von 100 Euro im Monat anrechnungsfrei. Übersteigt die zusätzliche Rente 100 Euro, werden weitere 30 Prozent des darüberliegenden Betrages nicht zum Einkommen gezählt. Von einer Rente von 200 Euro blieben also 130 Euro anrechnungsfrei. Die zusätzliche Rente ist 2019 auf 212 Euro gedeckelt.
Da Schneider bisher keine privaten Renten bekommt, kann er diesen Freibetrag noch nutzen, indem er sein kleines Vermögen in eine monatliche Rentenzahlung umwandelt.
Aufstocken erlaubt
Johannes Schneider kann seine Nettobezüge durch eine kleine private Rente trotz Grundsicherung etwas aufstocken.

© Stiftung Warentest
Kleine Rentenergänzung ist drin
Bei der Versicherungsgesellschaft Europa, unserem Sieger im aktuellsten Test für sofort beginnende, private Renten aus dem Jahr 2017, bekäme Schneider eine garantierte Rente von 117 Euro monatlich, wenn er 35 000 Euro einzahlt (Sofortrente). Davon dürfte er 105 Euro behalten. Damit würden seine monatlichen Bezüge immerhin von 874 Euro auf 979 Euro steigen.
Eine noch höhere Rente könnte er durch freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rente erzielen. Während die privaten Rentenversicherungen durch die niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten gebeutelt sind, steht die gesetzliche Rente gut da. Freiwillige Beiträge von Pflichtversicherten in die Rentenversicherung fallen nicht unter den Freibetrag. Bei freiwilligen Beiträgen von Selbstständigen ist das anders. Daher ist das keine Option für Schneider.
Wer als Angestellter in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist, kann freiwillige Einzahlungen leisten, die dann nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. Angestellte können zum Beispiel Beiträge einzahlen, um Abschläge auszugleichen, die entstehen würden, wenn sie früher in Rente gingen. Gehen sie nicht früher in Rente, erhöhen die Einzahlungen einfach die reguläre Rente. Der Teil der Rente wird auf dem Rentenbescheid getrennt ausgewiesen und wird dann nicht auf die Grundsicherung angerechnet.
Steuern kein Problem
Da Schneider mit seinen geringen Einkünften deutlich unterhalb des Grundfreibetrags von 9 168 Euro liegt und die Grundsicherung steuerfrei ist, muss er sich um Steuern keine Sorgen machen. Mit dem Leistungsbescheid vom Sozialamt kann er sich zudem von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen.
Antrag auf Grundsicherung stellen
Die Grundsicherung im Alter fließt nur auf Antrag. Schneider kann die Leistung beim Sozialhilfeträger beantragen. Das sind meist die Kommunalbehörden, also Städte, Kreise, Landschaftsverbände, Bezirke oder Landessozialämter. Schneider kann den Antrag aber auch bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Sie leitet ihn dann an die zuständige Stelle weiter.
Grundsicherung: Hier finden Sie Hilfe
Die Grundsicherung ist keine Rente. Die Deutsche Rentenversicherung berät Sie trotzdem kostenlos zu diesem Thema und hilft Ihnen frühzeitig einzuschätzen, ob Sie im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein werden. Termine können Sie telefonisch (0 800/10 00 48 00) oder online (www.eservice-drv.de) vereinbaren.
Gibt es Probleme mit dem Sozialamt oder Unstimmigkeiten mit der Berechnung, können Sozialverbände wie VdK (vdk.de) oder SoVD (sovd.de) helfen. Sie beraten aber nur Mitglieder. Der Mitgliedsbeitrag liegt zwischen 6 und 10 Euro im Monat. Hilfe bieten auch Rechtsanwälte für Sozialrecht. Internetportale wie anwaltsauskunft.de oder anwalt24.de helfen bei der Suche.
Mehr Informationen zum Thema finden Sie in unserem Special Grundsicherung im Alter.
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renteneintrittsmöglichkeiten werden in den vielen artikeln ausnahmslos für gut - mittel- und schlechtverdiener dargestellt. was immer fehlt, aber auf ein millionenpublikum zutrifft, ist,:mit welcher rente man rechnen darf, wenn man mit rente unter der grundsicherung abgespeist wird. nach 35 oder mehr jahren einzahlung in die rentenversicherung. es fehlt das rechenbeispiel, wie man fährt, mit 63 jahren und rente unter grundrente einzutreten, oder mit 67 jahren unter grundrente in die rente einzutreten. ob es egal wäre, da die rente immer bis zur grundsicherung aufgestockt wird, oder ob man vorteile hat, wenn man sich bis 67 für fast nichts krumm arbeitet. kann mir ein leser antwort geben? und wie und wo kann ich die antwort lesen ?
freundliche grüße
@Haarmeyer: Es gibt kein generelles Recht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, durch freiwillige Beitragseinzahlungen die Renten zu erhöhen.
Wer vorzeitig in Rente geht, darf aber die damit verbundenen Abschläge durch freiwillige Einzahlungen ausgleichen.
Wer abschlagfrei vorzeitig in Rente geht, darf bis zum Erreichen der Altersrente sich freiwillig in der Rentenversicherung versichern und auf diesem Weg zusätzliche Entgeltpunkte sammeln: www.ihre-vorsorge.de/magazin/lesen/neu-seit-2017-fruehrentner-koennen-freiwillige-beitraege-zahlen.html * (PH)
Lustig,lustig , tralalalala und ewig schweigen die Lämmer. Ora et labora et noli contristari.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Ich bin 64 Jahre und möchte bis ich in Rente gehe noch in meine gesetzliche Rente einzahlen. Wieviel darf man einzahlen ?
Habe bei der Rentenversicherung für eine Rentenberatung gebeten und auch nachgefragt, ob man zusätzliche Zahlungen zur Rentenaufbesserung machen kann.
Man sagte mir, dass dieses nicht möglich wäre. So wie ich bei Ihnen gelesen habe, ist dieses doch möglich.
M. Haarmeyer