Die Tobin-Tax: Mit Steuern gegen Spekulanten
Womöglich kommt sie nun doch: Die EU-Kommission will eine Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte einführen. Besteuert werden sollen Aktien-, Anleihen- und Devisengeschäfte. Die Idee ist eigentlich uralt: Bereits vor vierzig Jahren hatte der US-Ökonom James Tobin eine Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen, die allerdings nur für Devisengeschäfte gelten sollte: die so genannte Tobin-Tax.
Finanzbranche soll bei Geschäften zahlen
Die EU-Kommission will Geschäfte zwischen Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften besteuern, private Anleger sollen nicht betroffen sein. Dem Vorschlag zufolge sollen Aktien- und Anleihegeschäfte mit einer Abgabe von 0,1 Prozent vom Kurswert belegt werden, Devisentransaktionen mit 0,01 Prozent. 57 Milliarden Euro pro Jahr sollten so eingesammelt werden. Mit der Steuer wollen die EU-Kommissare zum einen die Finanzbranche an den Kosten für die Finanzkrise beteiligen und zum anderen Spekulationen eindämmen, die das Finanzsystem aufs Neue gefährden könnten. Sie soll möglichst ab 2014 gelten.
Eine Steuer gegen Spekulanten
James Tobin, amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger, hatte eine solche Finanztransaktionssteuer bereits 1972 vorgeschlagen, um Devisenspekulanten abzuschrecken. Damals begann das System fester Wechselkurse zu zerbröseln, das 1944 in Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire ausgehandelt worden war. Tobin ahnte, dass deshalb – und wegen des Vormarschs des Computers an den Devisenbörsen – der Devisenhandel rasant wachsen würde. Und er fürchtete Währungskrisen, weil Spekulanten versuchen würden, aus dem Auf und Ab der Devisenkurse Gewinn zu schlagen. Die Tobin-Steuer steht weit oben auf der Wunschliste derer, die bei Wirtschaftsgipfeln gegen die Globalisierung auf die Straße gehen. Parlamentarier aller Herren Länder unterstützen die Idee mit ihren Unterschriften.
Devisenhandel 15 mal größer als Weltwirtschaft
Tatsächlich wird heute an den Devisenmärkten ein Vielfaches des Kapitals umgeschlagen, das für den internationalen Handel notwendig ist. Im Millisekundentakt werden Milliarden umgesetzt. Täglich sind es weltweit zirka 4 Billionen US-Dollar. Das entspricht mehr als dem 1 000-Fachen des Tagesumsatzes mit Aktien des Dax an der Frankfurter Börse. Der Handel ist vielfach computergesteuert und oft nur noch darauf aus, winzige Kursunterschiede auszunutzen. Mit der realen Wirtschaft hat das nichts mehr zu tun. Auf 955 Billionen Dollar beziffert Der Spiegel den Umsatz mit Devisengeschäften in einem Jahr. Zum Vergleich: Die Wirtschaftsleistung der gesamten Welt beträgt 63 Billionen Dollar (Angaben für 2010). Auch die von Tobin befürchteten Währungskrisen sind Wirklichkeit geworden.
Wenn die Lawine einmal rollt
Wie verheerend solche Krisen wirken können, zeigte 1997 die Asienkrise. Vor dem Kollaps hatten viele Anleger in der Wachstumsregion investiert. Dann jedoch verloren sie ihr Vertrauen in die Politik der Regierungen und Zentralbanken der Region. Sie verkauften ihre Aktien, Anleihen und sonstigen Geldanlagen und tauschten den Erlös zurück in ihre eigene Währung, allen voran in den Dollar. Die asiatischen Landeswährungen verloren wegen des plötzlichen Überangebots an Wert, ihre Wechselkurse verfielen. Wie Lawinen können solche Krisen anwachsen. Nicht nur die Investoren wollten ihr in den asiatischen Tigerstaaten eingesetztes Kapital noch retten. Den Trend verstärkten Spekulanten wie zum Beispiel Hedgefonds, die Profit aus der Krise schlagen wollten.
Steuer für mehr Sicherheit
Vor allem solche Spekulanten hoffte Tobin mit seiner Steuer abzuschrecken. Kapitalgeber und Investoren mit langfristigen Interessen seien schließlich für die Stabilität einer Volkswirtschaft weniger gefährlich. Denn wer mit langfristigen Investitionen eine Fabrik in einem Land aufgebaut hat, wird sich nicht sofort wieder zurückziehen. Tobins Idee wurde vor allem von Globalisierungskritikern aufgenommen. Beispielsweise ist sie zentrale Forderung der Nichtregierungsorganisation attac, deren Name sich im Übrigen davon ableitet: attac steht für „association pour une tax Tobin pour l’aide aux citoyens“, auf deutsch: Verein für eine Tobin-Steuer zum Nutzen der Bürger.
Banken gegen Kommissionsvorschlag
Tobin hatte die Idee, die Steuer international einzuführen. Auf diese Weise würde verhindert, dass die Finanzinstitute dorthin abwandern, wo sie die Steuer umgehen können. Die Banken hierzulande fürchten denn auch, dass die einseitige Einführung der Steuer in der Eurozone die Finanzplätze Frankfurt und Paris schwächen könnte. Großbritannien hat die Finanztransaktionssteuer aus diesem Grund nicht einführen, um den Finanzplatz London weiterhin wettbewerbsfähig zu halten.
Kritiker stellen Nutzen der Steuer infrage
Schon die ursprüngliche Tobin-Tax stand in der Kritik. Die Steuer würde den internationalen Kapitalverkehr unnötig verteuern, argumentieren Gegner. Und um eine Krise wie die in Asien zu verhindern, sei sie im Übrigen viel zu niedrig. Dabei hatte Tobin sogar einen Satz von 1 Prozent vorgeschlagen. Die Tobin-Kritiker sehen die Ursache von Währungskrisen eher darin, dass Anleger von plötzlichen Veränderungen überrascht werden. Wenn alle, die ihr Kapital international einsetzen, über alle notwendigen Informationen verfügten und keine Zentralbank die Wechselkurse zu steuern versuchte, dürfte es gar nicht erst zu Währungskrisen kommen, argumentieren sie. Es gelte also nicht, den internationalen Kapitalverkehr zu bremsen, sondern die Informationen zu verbessern.