Die Aktie lebt
[20.09.2011] 25 Prozent in vier Wochen. So hoch waren die Kursverluste an den Börsen im August. Lohnen sich Aktien noch? Finanztest findet, ja.
Gut ist das nicht. Wer vor zehn Jahren deutsche Aktien gekauft hat – erzielte gemessen am deutschen Aktienindex Dax – pro Jahr ungefähr ein Plus von 1 Prozent. Schuld an dem miesen Ergebnis ist die Finanzkrise, die nun schon zum zweiten Mal zuschlägt. Sind Aktien out? Wir sind der Frage nachgegangen.
Am 31. August 2001 stand der Dax bei 5 188 Punkten, zehn Jahre später auf 5 785 Punkten. Das liegt nicht weit auseinander. Aber dazwischen spielten sich Dramen ab. Zählte der deutsche Leitindex im März 2003 gerade noch 2 203 Punkte, waren es vier Jahre später 8 105 Punkte, der bisherige Rekord. Im März 2009, ein halbes Jahr nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers, hatte sich der Dax aber schon wieder halbiert.
Die Zahlen zeigen zweierlei. Erstens: Wer sich von der Hausse an den Börsen anstecken ließ, hat viel Geld verloren. Zweitens: Mit dem richtigen Timing konnten Anleger ihr Geld um ein Vielfaches vermehren. Das Problem ist nur: Es ist mehr oder weniger Glückssache, den richtigen Zeitpunkt für den Ein- und Ausstieg zu erwischen. Nicht umsonst werden Aktien als langfristige Geldanlage empfohlen. Aber lohnt es sich langfristig wirklich, wenn die Kurse genauso schnell einbrechen, wie sie gestiegen sind?
Als Aktionär am Wachstum beteiligt
„Die Grundparameter der Aktie haben sich nicht geändert“, sagt Michael Schmidt von der Fondsgesellschaft Union Investment. „Als Aktionär ist der Anleger am Produktivkapital beteiligt und damit an realem Wachstum. Über längere Zeit folgt der Kurs einem aufwärtsgerichteten Pfad“, sagt Schmidt, räumt jedoch ein: „Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Ich kann verstehen, dass die Anleger enttäuscht sind, wenn trotzdem nichts oder nur wenig dabei herumkommt.“
Unsere Finanztest-Langfristanalyse über vier Jahrzehnte zeigt genau das: Die Kurse sind gestiegen, und zwar um ein Vielfaches (siehe Grafik). Ein paar Zahlen gefällig? Amerikanische Aktien sind 15-mal so viel wert wie 1971, deutsche 20-mal so viel, und Schweizer Aktien haben sich sogar fast vervierzigfacht – das allerdings aus Sicht des deutschen Anlegers, der vom starken Anstieg des Schweizer Franken profitiert hat. Aus lokaler Sicht, sprich im Depot eines Schweizers, haben sich Schweizer Aktien ähnlich entwickelt wie deutsche. Dagegen wäre ohne die schlechte Dollarentwicklung der amerikanische Markt der beste gewesen.
Die langfristige Analayse zeigt aber außerdem, dass in Japan der Aufwärtstrend nicht mehr funktioniert. Japanische Aktien haben sich seit Anfang der 90er Jahre nur noch seitwärts entwickelt. Seitwärts heiß: trotz Aufs und Abs unterm Strich nichts gewonnen.
Dieser Trend wird noch deutlicher in unserer Analyse der verschiedenen Zehnjahreszeiträume. Und es zeigt sich, dass er auch vor Deutschland und den USA nicht haltmacht. In den 90er Jahren war der Aufwärtstrend noch ungebrochen, doch in den vergangenen zehn Jahren ähnelt die Entwicklung der deutschen, der Schweizer und der amerikanischen Börse verblüffend der Japans. Stehen uns nun längerfristig japanische Verhältnisse ins Haus?
Auch in Japan begann die Stagnation damit, dass eine Blase am Immobilienmarkt platzte. Wie in den USA. Auch Japan hat hohe Staatsschulden, und auch die japanischen Banken ächzen unter einem Berg uneinbringbarer Kredite. „Aber der große Unterschied zu Japan ist, dass der Westen viel schneller auf seine Krise reagiert hat. Die Notenbanken haben rasch die Zinsen gesenkt, die Banken wurden sofort rekapitalisiert“, sagt Nils Ernst von der Fondsgesellschaft DWS. So konnte die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen. Japan hat seine Probleme dagegen auf die lange Bank geschoben. Die Folge: Das Land litt jahrelang unter Deflation, sinkenden Preisen. Dadurch fehlten die Anreize zum Konsum und letztlich auch zu Investitionen. Das Wachstum blieb aus.
Rezession nein, Flaute ja
Aber auch wenn die westlichen Volkswirtschaften nicht in der Krise versinken, eine rosige Zukunft sieht anders aus. Michael Schmidt geht zwar nicht davon aus, dass sich die Rezessionsängste bestätigen, aber mit einem auch mittelfristig geringeren Wachstum rechnet er schon. „Trotzdem werden die Erträge aus Aktien höher sein als die aus Anleihen.“
Auch für Nils Ernst ist eine weltweite Rezession noch lange keine ausgemachte Sache. Er ist Manager des Fonds DWS Global Growth, zurzeit einer der besten Aktienfonds Welt (siehe Finanztest-Bewertung im Produktfinder Investmentfonds). Den Einbruch am Aktienmarkt hat er erwartet und findet, dass er ihm Gelegenheit bietet, ausgesuchte Titel mit guten Wachstumsaussichten nun günstig zu kaufen, etwa aus dem Gesundheitssektor oder der Konsumgüterbranche. Auch Vermögensverwalter Bert Flossbach setzt auf Firmen, die wenig abhängig von der Konjunktur sind. Sein Fonds Flossbach von Storch Aktien Global zählt ebenfalls zu den besten Weltfonds. Flossbach nennt als Beispiele Coca Cola, Procter & Gamble oder Nestlé.
Fonds widerstehen dem Trend
Eine erfolgreiche Einzeltitelauswahl kann dem Börsentrend trotzen. Während der Weltaktienindex MSCI Welt auf Zehnjahressicht 0,5 Prozent pro Jahr verloren hat, schaffte der Fonds aus dem Hause Flossbach von Storch 3,8 Prozent Plus pro Jahr. Auch UniGlobal von Union Investment liegt mit plus 1,0 Prozent pro Jahr noch vor dem Weltindex, wenn auch nicht mehr so deutlich. Der Fonds entwickelt sich sehr ähnlich wie der Index. Dagegen hat der Fonds Carmignac Investissement seit zehn Jahren seinen Aufwärtstrend nicht verlassen. Er hat in dieser Zeit ein Plus von sage und schreibe 11,4 Prozent pro Jahr geschafft. Der DWS Global Growth ist noch keine zehn Jahre alt.
Mit der Unsicherheit leben
Zwei Jahre nach dem Frühjahrstief von 2009 hatte sich der Dax schon wieder verdoppelt, ehe er im August erneut abstürzte. Michael Schmidt geht davon aus, dass die extremen Aufs und Abs noch eine Weile weitergehen. Doch im Grunde sieht er die deutsche Wirtschaft gut gerüstet. „Die deutschen Unternehmen haben sich für die Wachstumsmärkte gut aufgestellt“, sagt er. „Sie sind jetzt weniger anfällig für eine Schwäche der USA.“
Als Exportnation sind die Deutschen auf Alternativen angewiesen. Auch Südeuropa fällt als Wachstumsmotor aus. Die Hoffnung liegt auf den Schwellenmärkten. „China wird nicht wegbrechen, auch wenn das Wachstum dort schwächer wird“, sagt Schmidt.
Um über die unruhigen Zeiten hinwegzukommen, empfiehlt er: „Nicht jeden Tag gucken, und sich vor allem nicht ins Bockshorn jagen lassen.“ Das ist nämlich ein grundlegendes Problem der Börse. Läuft sie gut, wollen alle kaufen, auch wenn es dann teuer ist. Brechen die Kurse ein, ist dummerweise keiner so richtig in Kauflaune.
Unser Rat
Strategie. Behalten Sie Ihre Anlagestrategie auch während einer Börsenkrise bei. Langfristig orientierte Anleger sollten wegen eines Kurseinbruchs nicht verkaufen.
Top-Fonds. Gute aktiv gemanagte Fonds können auch in schlechten Zeiten gute Renditen erwirtschaften.
Nervenberuhigung. In extrem unsicheren Börsenphasen können Sie das Risiko Ihres Depots durch Kauf eines Short-Indexfonds erheblich senken. Solche Fonds eignen sich aber kaum als Daueranlage.
Reißleine. Stop-Loss-Kurse sind kein Patentrezept. Anleger können per Auftrag an ihre Depotbank verhindern, dass ihre Aktien oder Fonds immer weiter an Wert verlieren. Das kann bei Einzelaktien oder speziellen Fonds sinnvoll sein. Für breitstreuende Fonds ist diese Methode aber wenig sinnvoll.