Beginnende Demenz im Alter stellt Angehörige und Betroffene vor große Probleme. Leif Aertel, Fachanwalt für Sozialrecht in Göttingen, erklärt im Interview, was Angehörige und Betroffene tun können, um sich vor Verträgen zu schützen, deren Inhalt und Folgen sie nicht mehr vollständig überblicken können.
Oft ist der Übergang zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit bei Menschen mit beginnender Demenz fließend. Woran erkennt man, dass ein Demenzkranker geschäftsunfähig ist?
Aertel: Erkennbar ist die fehlende Geschäftsfähigkeit gerade in Grenzfällen meist nicht. Hinweise können Fragen zu örtlicher und zeitlicher Orientierung oder zum Erinnerungsvermögen geben. Verlässlich kann die dauerhaft fehlende Einsichtsfähigkeit aber meist nur ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie feststellen.
Was können Angehörige tun, um zu verhindern, dass Demenzkranke Verträge abschließen?
Aertel: Im Falle einer wirtschaftlichen Selbstgefährdung sollte beim Amtsgericht die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt beantragt werden. Der Betreuer wird dem Betroffenen für bestimmte Aufgabenkreise – zum Beispiel für die Vermögenssorge – an die Seite gestellt und kann in seinem Namen für ihn tätig werden. Dabei wird der Betroffene in seinem eigenen Handeln jedoch nicht eingeschränkt, er kann weiter Rechtsgeschäfte tätigen. Der bei Bedarf zusätzlich vom Gericht angeordnete Einwilligungsvorbehalt macht die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften des Betroffenen dann von der Genehmigung des Betreuers abhängig.
Gelten Verträge, die Menschen mit beginnender Demenz unterschreiben?
Aertel: Der Vertrag eines Geschäftsunfähigen ist von vornherein nichtig. Auf bereits erbrachte Leistungen besteht in der Regel ein Rückgewähranspruch. Die Beweislast für Geschäftsunfähigkeit liegt dabei beim Betroffenen beziehungsweise seinen Angehörigen und ist durch ärztliches Attest oder Gutachten zu erfüllen. Ist der Betroffene dagegen geschäftsfähig, steht aber unter Einwilligungsvorbehalt, ist die Wirksamkeit des Vertrages – ähnlich wie bei Heranwachsenden – von der Genehmigung des Betreuers abhängig.
Wie können Angehörige beweisen, dass eine Demenz vorliegt?
Aertel: In der Regel wird der Hausarzt eine beginnende Demenz erkennen und im Idealfall dokumentieren. Auf gerichtliche Veranlassung kann ein Facharzt mit entsprechenden kognitiven Tests als Sachverständigenbeweis das Vorliegen einer Demenz bestätigen.
Welche Vorsichtsmaßnahmen kann man treffen, wenn man fürchtet, seine Geschäftsfähigkeit zu verlieren?
Aertel: Durch eine von einem Anwalt oder Notar beglaubigte Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung kann man Vertrauenspersonen bestimmen, die im Falle einer Geschäftsunfähigkeit im eigenen Interesse handeln. Dazu gehört die Berufung auf die Nichtigkeit schädlicher Geschäfte des Betroffenen, wie auch die möglichst gewinnbringende, aber nicht spekulative Verwaltung dessen Vermögens.
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@Testdedanke: Dies ist hier nicht der Ort, um für Ihren Fall zu klären, ob sich jemand an Ihrer Finanzierung bereichert hat, bzw. einen ungesetzlichen Vorteil gesichert hat, bzw. sichern wollte. Bitte wenden Sie sich mit einem solchen Begehren an die im Artikel genannten Stellen. (maa)
Kommentar vom Autor gelöscht.
@Testdedanke: Die Kreditbedingungen der KfW sehen mindestens ein tilgungsfreies Anlaufjahr vor. Das heißt: Die erste Rate mit Tilgungsanteil wird frühestens nach einem Jahr fällig. Vorher zahlt der Kreditnehmer nur Zinsen, deshalb verringert sich die Kreditschuld in dieser Zeit nicht. Es handelt sich hier um eine Vorgabe der KfW, die es schon 2005 gab und die von der finanzierenden Bank nicht beeinflusst werden kann. Wir vermuten, dass in Ihrem Fall der Termin des Tilgungsbeginns (und nicht der Auszahlungszeitpunkt!) entsprechend auf den 30.03.2007 festgelegt wurde, was – bei damals vierteljährlicher Ratenzahlung jeweils zum Quartalsende – genau einem tilgungsfreien Anlaufjahr entspricht. (AK)
Kommentar vom Autor gelöscht.
Engagierte Sozialanwälte (wie den genannten) gibt es m.E. wenige, weil sie fast nur mandantenverschuldete Verwaltungs- oder Zivilrechtsklagegründe finden und dann noch auf eine RSV oder (umständliches) PKH-Vorverfahren angewiesen sind. Daher sollte es ab Renten- und Pensionsalter ohne gute Kenntnisse über Geldanlagemodelle und ihre mögl. Rechtsfolgen nicht mehr zu "einsamen" Bankgeschäften von Rentnern etc. kommen. Dazu könnte StiWa etwas beitragen, indem bei allen relevanten Banking-Anlageberichten und -Vorschlägen, die über (fast) zinslose Sichteinlagen hinausgehen, eine Art "Ampel"-Symbol neben die Spaltenüberschrift gesetzt wird: Grün = gut gesichert und unbedenklich, Gelb = nicht ohne vorherige Risikobesprechung mit den möglichen Erben, Rot = nur mit schriftl. Einverständnis der Person(en), die für lfd. Pflege- und alters-/krankheitsbedingte Zusatzkosten (in spe) ggf. aufzukommen hätten, zumeist die Kinder. Merke: schon Fonds brauchen einen mind. zehnjährigen Anlagehorizont...