
Wer als Gast den Internetanschluss seines Gastgebers nutzt, muss von diesem nicht über illegales Filesharing belehrt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. test.de erläutert das Urteil, informiert über die aktuelle Rechtslage in Sachen Filesharing und erklärt, warum der Bundestag die sogenannte Störerhaftung abgeschafft hat. NEU: Das vom Bundestag beschlossene Gesetz ist in dieser Woche in Kraft getreten.
Volljährige Gäste müssen nicht belehrt werden
Es ist fast schon eine Selbstverständlichkeit: Kommt ein Bekannter zu Besuch, überlässt ein guter Gastgeber ihm das WLan-Passwort. Doch was passiert eigentlich, wenn der Bekannte dann illegal Film- oder Musik-Dateien aus dem Internet lädt? Haftet dafür der Anschlussinhaber, der sein Passwort so vertrauensvoll anderen überlassen hat? Mit dieser Frage hat sich nun erneut der Bundesgerichtshof (BGH) befasst, denn bisher war unklar, ob der Anschlussinhaber auch Volljährige darüber belehren muss, dass bestimmte Downloads nicht erlaubt sind. Für erwachsene Familienmitglieder gilt, dass diese nicht anlasslos über die Illegalität von „Filesharing“ zu belehren sind. Wie weit der Begriff „Familie“ reicht, ist jedoch nicht geklärt. Nur Eltern von Minderjährigen fanden bislang eine eindeutige Rechtslage vor: Sie müssen ihre Kinder belehren. Haben sie dies getan, sind sie auch nicht haftbar. Gleichwohl müssen Eltern als Anschlussinhaber nachweisen, dass nicht sie, sondern ihre Kinder illegal im Netz unterwegs waren.
Besuch aus Australien lädt illegal Film hoch
Im konkreten Fall sollte eine Frau etwa 755 Euro zahlen. Über ihren Anschluss hatte jemand den Film „Silver Linings Playbook“ hochgeladen. Es stellte sich heraus, dass zu dieser Zeit ihre Nichte aus Australien nebst Partner zu Besuch war. Der BGH entschied nun, dass die Tante nicht haften muss, auch wenn sie ihre Gäste nicht vorab über den illegalen Charakter bestimmter Handlungen im Netz belehrt hat (Az. I ZR 86/15). Das Gericht hielt es nicht für für zumutbar, volljährige Gäste ohne einen konkreten Anlass über Internet-Tauschbörsen zu belehren. Mit diesem Urteil hat der BGH die sogenannte Störerhaftung für eine illegale Nutzung eingeschränkt. Das Prinzip der Störerhaftung: Wer anderen Zugang zum Internet verschafft, kann für deren Handlungen im Netz haftbar gemacht werden.
Nicht leichtfertig Zugang erlauben
Nach dem BGH-Urteil können Anschlussinhaber, die ihre Zugangsdaten Dritten überlassen, also nicht mehr so leicht in Haftung genommen werden. Dennoch sollten sie nicht leichtfertig mit den Passwörtern umgehen, da eine Haftung für die Taten anderer weiterhin möglich bleibt. Über die rechtlichen Fallstricke informiert unser Interview mit dem Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke.
Tipp: Gibt es begründeten Anlass zur Sorge, dass jemand über Ihren Internetzugang Filesharing betreibt, sollten Sie ihn auf jeden Fall belehren. Personen, denen Sie nicht vertrauen, sollten Sie das Passwort erst gar nicht verraten.
Verboten: Nutzung von Tauschbörsen
Wie dargestellt, müssen Eltern ihre minderjährigen Kinder über die Konsequenzen von Filesharing aufklären. Doch warum sind diese Tauschbörsen eigentlich verboten? Und wem schadet so ein Download eigentlich? Es ist illegal, Filme, Musik oder Computerspiele durch sogenanntes „Filesharing“ in Internet-Tauschbörsen an andere weiterzugeben, wenn die entsprechenden Werke urheberrechtlich geschützt sind. Was viele nicht bedenken: Wer auf einer Tauschbörse eine Datei herunterlädt, lädt sie gleichzeitig hoch. In diesem Moment steht sie anderen Nutzern zur Verfügung. Das bedeutet, dass der Nutzer die Datei anderen öffentlich zugänglich macht. Dies darf aber nur der Rechteinhaber.
Wenn die Abmahnung kommt
Verletzt jemand das Urheberrecht eines anderen, indem er zum Beispiel einen Film über eine Tauschbörse herunterlädt, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Schließlich entstehen dem Inhaber des Urheberrechts durch den illegalen Download finanzielle Schäden. Er kann dann einen Rechtsanwalt beauftragen, der entsprechende Abmahnungen verschickt und seine Ansprüche – Schadenersatz und Unterlassung – durchsetzt. Wie Sie am Besten handeln, wenn eine solche Abmahnung ins Haus kommt, lesen Sie in unserem großen Special zum Abmahn-Ärger.
Mehr Rechtssicherheit für Betreiber offener WLans
Das Urteil des BGH weist in eine Richtung, in die sich auch die aktuelle politische Debatte bewegt. So hat der Bundestag inzwischen ein Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes beschlossen, das Rechtssicherheit in die Frage „offene WLans“ bringen soll. Bisher gibt es in Deutschland nur wenige frei zugängliche WLan-Hotspots, ganz im Gegensatz zu anderen Ländern. Grund hierfür ist das Haftungsrisiko, dem etwa Cafes, Restaurants, Hotels, Einzelhändler, aber auch öffentliche Einrichtungen ausgesetzt sind. Denn Kunden könnten über das frei zugänglich WLan Dateien illegal herunterladen und damit Urheberrechtsverletzungen begehen. Dem Hot-Spot-Betreiber würden dann insbesondere Abmahnungen von Urheberrechteinhabern drohen. Dies soll nun ein Ende haben. Mit dem vom Bundestag am 2. Juni 2016 beschlossenen Gesetz soll die Störerhaftung für WLan-Betreiber endgültig abgeschafft werden und die Verbreitung von Hotspots angeschoben werden. Das neue Gesetz ist am 27. Juli 2016 in Kraft getreten
* Dieser Artikel ist erstmals am 13. Mai 2016 auf test.de erschienen und wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 29. Juli 2016.
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