
Kein Kessel, dafür Rohre. Fernwärme entsteht im Kraftwerk – meist als Nebenprodukt der Stromerzeugung. Über ein Rohrnetz gelangt das warme Wasser in Wohnungen und Häuser. © Picture Alliance / dpa / Marijan Murat
Die hohen Gaspreise bekommen auch Fernwärmekunden zu spüren. Dabei gilt die Heizart als preisstabil und günstig. Warum Eigentümer einen Umstieg gut abwägen sollten.
Fernwärme im Detail
Knapp jede siebte Wohnung wird Deutschland mit Fernwärme versorgt. Der Anschluss ans Netz soll Geld sparen, Platz im Heizungskeller schaffen, eine stabile Wärmeversorgung garantieren und sogar die Umwelt schonen. Für viele Eigentümer war der Umstieg auf Fernwärme durchaus attraktiv, auch weil der Staat den Wechsel fördert. Kunden müssen sich aber in der Regel zehn Jahre binden und wenig transparenten Regelungen akzeptieren. Auch der Klimaschutz ist nicht garantiert.
Heizen mit Fernwärme wird teurer
Hohe Energiepreise verschonen auch die Fernwärme nicht. Denn viele Versorger erzeugen sie vor allem mit Erdgas. Das ist teuer. Dabei galt diese Art zu heizen und Wasser zu erwärmen lange als günstige, preisstabile Lösung. Wie stark Fernwärmepreise steigen, zeigt unser Beispiel aus Dresden: Eine Kilowattstunde Fernwärme kostete bei der Drewag-Stadtwerke Dresden GmbH im August 2021 noch 6,271 Cent. Seither hat sie den Arbeitspreis mehrfach erhöht, bis auf 26,695 Cent im Dezember 2022. Er ist damit um mehr als 300 Prozent gestiegen.
Widerstand. Auch Fernwärmeanbieter E.ON hat seine Preise drastisch angezogen. Hat die Kilowattstunde in Hamburg-Lohbrügge 2020 noch 3,79 Cent gekostet, müssen E.ON-Kunden für das Jahr 2022 bereits 17,20 Cent zahlen — also mehr als das Vierfache. Laut Statistischem Bundesamt lag im Jahr 2020 der durchschnittliche Energieverbrauch pro Haushalt bei 17 644 Kilowattstunden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) befürchtet, dass schon bei einem Jahresverbrauch von 15 000 Kilowattstunden Mehrkosten von über 3 000 Euro entstehen könnten. Ein Preisanstieg, den der vzbv für unwirksam hält. Grund dafür ist, dass die Preisänderungsklauseln nicht den rechtlichen Anforderungen entsprächen.
Tipp: Sollten Sie von E.ONs Preiserhöhung betroffen sein, wenden Sie sich mit Ihren Jahresabrechnungen (ab 2019) an den vzbv. Wie der vzbv ankündigte, plane man mit einer Musterklage gegen die starke Preiserhöhung des Fernwärmeanbieters vorzugehen.
Fernwärmekunden werden entlastet
Ebenso wie Strom- und Gaskunden sollten Nutzerinnen und Nutzer von Fernwärme auf hohe Nachzahlungen gefasst sein – auch wenn sie staatliche Hilfen erhalten.
So profitieren sie: Von Oktober 2022 bis 31. März 2024 beträgt die Umsatzsteuer für Gas und Fernwärme 7 Prozent statt 19 Prozent. Für Dezember 2022 hat der Staat auch die Abschlagszahlung der Fernwärmekunden übernommen. Zudem deckelt die Gaspreisbremse auch den Preis für 80 Prozent des Fernwärmeverbrauchs. Seit Januar 2023 gilt hier ein Preis von 9,5 Cent pro Kilowattstunde.
Unser Rat
Mieter. Sie können als Mieter nicht aus einem Fernwärmevertrag aussteigen. Preisanstiege für die aktuelle Heizperiode treffen Sie verzögert mit der nächsten Nebenkostenabrechnung. Rechnen Sie mit einer Nachzahlung.
Alternativen. Fernwärme können Sie nur für ein ganzes Gebäude abschließen, nicht für einzelne Wohnungen. Klären Sie mit der Energieberatung der Verbraucherzentralen, ob sich Fernwärme für Sie als Heizart eignet. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fördert den Anschluss ans Wärmenetz.
Streitfall. Fernwärmeverträge sind juristisch kompliziert. Nehmen Sie im Streitfall rechtliche Hilfe in Anspruch.
So funktioniert Fernwärme
Der Begriff „Fern“ gibt an, wo die Wärme entsteht — nämlich nicht im eigenen Haus. Stattdessen kommt sie aus einem entfernten Kraftwerk. Ein unterirdisch verlegtes Netz aus isolierten Rohren verbindet Kraftwerk und Häuser miteinander. Zusammen bilden sie einen geschlossenen Kreislauf. Mehr als 80 Prozent der Fernwärme stammt aus Stromkraftwerken. Die gleichzeitige Produktion von Strom und Wärme nennt sich Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Vom Kraftwerk nach Hause © Stiftung Warentest / René Reichelt
Mit dem Netz verbunden
Fernwärmekunden sparen sich den Platz für Heizkessel und Brennstoffe. In ihrem Keller befindet sich dafür ein mit Rohren verbundener Kasten. Diesen bezeichnet man als Fernwärmeübergabestation. Die Station regelt die Durchflussmenge des Wassers und misst, wie viel Wärme verbraucht wird. Da beim Transport von heißem Wasser immer etwas Wärme verloren geht, werden Wärmenetze ab einer gewissen Länge ineffizient. Fernwärmekunden befinden sich deshalb häufig in einem Umkreis von bis zu 20 Kilometern zum Kraftwerk entfernt. Bei kleineren Versorgungsgebieten ist auch von Nahwärme die Rede.
Fernwärme in Deutschland
Wie viele Fernwärmeanbieter es in Deutschland gibt, ist nicht bekannt, da weder die amtliche Statistik noch die Branchenstatistik der Energiewirtschaft die Anzahl und Größe der Wärmenetze erfasst. Das Umweltbundesamt schätzt aber, dass derzeit mehr als 5 000 Wärmenetze betrieben werden. Nach Gas und Öl entspricht Fernwärme der dritthäufigsten Wärmelösung in Deutschland.
Worauf Verbraucher achten sollten
Allein die Eigentümer eines Gebäudes entscheiden, ob sie Fernwärme haben wollen. Mieter haben keine Wahlmöglichkeit. Ist ein Wärmenetz verfügbar, lässt sich der Anschluss beim Versorger beantragen. Für eine Region gibt es jeweils nur einen einzigen Anbieter. Bei Wohnungseigentum kommt es auf die Eigentümergemeinschaft an, da nur komplette Gebäude versorgt werden. Um Umbau und Installation der Hausübergabestation kümmert sich der Fernwärmeanbieter.
Der Staat fördert den Anschluss
Versorger bewerben Fernwärme gern als günstige Lösung. Ihr Hauptargument: Ohne Heizkessel spart man Kosten für Wartung und Brennstoffe. Schornsteinfeger braucht es nicht mehr. Wer nichts verbrennt, produziert auch keinen Ruß. Auch von der CO2-Abgabe sind Mieter und Eigentümer befreit, sofern ihr Fernwärmeanbieter keine fossilen Brennstoffe verwendet.
Tatsächlich ist es nicht teuer, ein Gebäude ans Fernwärmenetz anzuschließen. Eigentümer müssen 5 000 bis 20 000 Euro als eigene Kosten einplanen. Das ist günstiger, als sich eine Wärmepumpe oder Pelletheizung anzuschaffen. Vereinzelt übernehmen Anbieter die Anschlusskosten auch komplett. Verpflichtet sind sie dazu aber nicht. Bis zu 70 Prozent dürfen sie an ihre Kunden weiterreichen. Die Anschlüsse fördert der Bund, 25 Prozent der Kosten steuert er bei.
Tipp: Welche Heizung sich für wen rechnet, klärt unser Heizungssystemvergleich: Wärmepumpe, Pellets, Gas.
Zehn Jahre Laufzeit sind üblich
Versorgungsverträge für Fernwärme werden normalerweise für zehn Jahre geschlossen – eine lange Zeit. Das gibt Sicherheit, kann aber problematisch werden, wenn Kunden mit ihrem Versorger unzufrieden sind. Erhöht er beispielsweise seine Preise, rechtfertigt das keine Kündigung.
Einzige Ausnahme: Die Eigentümer stellen ihre Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien um. Dann dürfen sie den Vertrag mit einer Frist von zwei Monaten auflösen. Den Umstieg müssen sie belegen, sonst gilt die Kündigung nicht.
Wofür Fernwärmekunden zahlen
Fernwärmeanbietern wird häufig vorgeworfen, ihre Preise intransparent zu gestalten. Die Verordnung zur Fernwärmeversorgung (AVBFernwärmeV) verpflichtet sie zwar seit Oktober 2021, ihre Preisregelungen im Internet zu veröffentlichen. Doch verbessert habe sich bislang kaum etwas, beklagt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Er hat untersucht, ob entsprechende Angaben zu finden sind. Das war nur bei zwei Dritteln der Versorger der Fall.
Vorgeschrieben sind außerdem Abrechnungen mit verständlichen und unentgeltlichen Informationen für Fernwärmekunden. Besonders wichtig:
- Der aktuelle und prozentuale Anteil der eingesetzten Energieträger mitsamt der Technologie, mit der die Wärme gewonnen wird. Dazu zählen Angaben zur Emission von Treibhausgasen.
- Die Preise und der tatsächliche Verbrauch, dazu ein Vergleich des aktuellen Wertes mit dem des Vorjahres in grafischer Form.
Fernwärmeanbieter müssen auch Angaben zu Netzverlusten veröffentlichen, also der Differenz zwischen der Wärme, die ein Kraftwerk in sein Netz speist und der, die Kunden entnehmen. So lässt sich beurteilen, ob ein Wärmenetz effizient und damit auch umwelt- und klimafreundlich ist. Auch dazu fand der vzbv nur bei rund einem Drittel der Versorger Angaben.
Preis kann je nach Region variieren
Die Kunden bezahlen jeweils einen festen Grundpreis und einen verbrauchsorientierten Arbeitspreis. Der Grundpreis umfasst die Kosten für Bau und Wartung des Fernwärmenetzes, Reparatur der technischen Anlagen, einen Lohnindex, Verwaltungskosten sowie die maximale Wärmeleistung, die verbraucht werden kann. Variieren kann der Grundpreis zum Beispiel, weil ein Rohrleitsystem in Gebirgsgebieten mühsamer zu errichten ist als im flachen Land. Im Schnitt macht er 30 Prozent vom Gesamtpreis aus.
Im Arbeitspreis sind die Kosten für Brennstoffe enthalten. Sein Anteil hängt vom Wärmeverbrauch der Kunden ab.
Preisformeln unterscheiden sich stark
Wir haben uns Preisformeln für Arbeitspreise angeschaut. Sie enthielten sehr unterschiedliche Bestandteile. Unter anderem wurden Wärmebereitstellungskosten sowie ein Mess-, Service-, Verrechnungs- und Netznutzungspreis sowie eine Zählermiete und Preise für Emissionszertifikate ausgewiesen.
Einige Anbieter ergänzen weitere Positionen. Energieexperte Roland Scharathow vom vzbv erläutert: „Aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage und der Rechtsprechung haben Anbieter relativ große Freiheiten bei der Festsetzung ihrer Preise.“
Umstieg auf Fernwärme gut abwägen
Ist Fernwärme trotzdem zu empfehlen? Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Haupteinfluss auf den Preis hat der Energiemix eines Versorgers. Werden wichtige Brennstoffe teurer, kann er mehr verlangen.
Fernwärme basiert zu 80 Prozent auf fossilen Brennstoffen. Diese haben sich als Folge des russischen Angriffskriegs stark verteuert. Das trifft natürlich Haushalte mit Gas- und Ölheizungen ebenso. Selbst Pellets kosten inzwischen deutlich mehr.
Ob Fernwärme eine effiziente Option ist, hängt auch von der Art und Lage eines Gebäudes ab. Kraftwerke und Rohrnetze sind teuer. Fernwärmeanbieter setzen daher oft eine Mindestabnahmemenge pro Meter Netz an. Ein Anschluss ist so in dicht besiedelten Regionen tendenziell günstiger. Zusätzlich sollte ein Gebäude einen gewissen Mindestverbrauch haben. Bei schlecht isolierten Altbauten ist der Umstieg unterm Strich vorteilhafter als bei gut isolierten Neubauanlagen.
Weniger klimafreundlich als gedacht
Kaum ein Anbieter verzichtet darauf, klima- und umweltfreundliche Aspekte von Fernwärme hervorzuheben. Stets verweisen Versorger auf das energieeffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsverfahren (KWK), bei dem Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt werden. Indem die Kraftwerke die Abwärme nutzen, reduzieren sie schädliche Emissionen.
Fernwärme ist im Erneuerbare-Energien- Wärme‧gesetz (EEWärmeG) sogar erneuerbaren Energien gleichgestellt. Es schreibt vor, dass diese einen Teil des Wärmebedarfs neuer Gebäude decken müssen. Die gesetzliche Pflicht gilt als erfüllt, wenn mindestens 50 Prozent durch Fernwärme erzeugt wird.
Laut Umweltbundesamt ist kohlebasierte Fernwärme allerdings klimaschädlicher einzustufen als eine dezentrale Gasheizung. Knapp ein Drittel stammt aus Stein- und Braunkohle. Die Hälfte wird aus Erdgas erzeugt und der übrige Teil aus der Abfallverbrennung und erneuerbaren Energien. Nur wenn Abwärme aus der Stromproduktion verwendet wird, bleibt Fernwärme vergleichsweise klimafreundlich.

Verwendet Fernwärme Abwärme fossiler Verbrennung, sinkt der Ausstoß an Treibhausgasen bei der Stromproduktion. © Stiftung Warentest
Alternativen für fossile Brennstoffe
Bislang waren fossile KWK-Anlagen für Versorger durch staatliche Förderung wirtschaftlich attraktiv. Das ändert sich jetzt. Im Zuge der Energiewende müssen viele Fernwärmeanbieter ihre Geschäftsmodelle überdenken und klimafreundlichere Herstellungsprozesse finden.
Neben erneuerbaren Energien bilden (Groß-)Wärmepumpen, Solar- und Geothermie oder Power-to-Heat-Anlagen Alternativen für die Fernwärme. Sie erzeugen Wärme mit Strom, wie man es beispielsweise von Wasserkochern kennt. Bis solche Alternativen in großem Stil einsatzbereit sind, wird es noch dauern. Aktuell helfen sie nicht, den Preisschock abzufedern.
Immerhin gibt es dabei einen Hoffnungsschimmer, zumindest für die Kunden der Drewag-Stadtwerke Dresden GmbH: Zum Januar 2023 senkte sie den Preis für eine Kilowattstunde Fernwärme erstmalig wieder um etwas mehr als 10 Prozent.
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