Dank günstiger Sparpreise gewinnt die Bahn viele neue Kunden. Doch Verspätungen und Servicemängel verleiden oft die Fahrfreude. Mit unseren Tipps kommen Sie besser und preiswert ans Ziel.
Als Alfred J. in Karlsruhe in den ICE steigt, ist der „nur“ 8 Minuten verspätet. In Mannheim hält der Zug am unplanmäßigen Gleis – trotz „Laufschritts“ ist der Anschluss weg. Platzreservierungen sind futsch. Es folgt eine Odyssee mit anderen Bahnen. In einer quetscht sich Alfred J. mangels Sitzplatz auf den Boden eines Kofferstellplatzes. Dresden erreicht er drei Stunden zu spät. Kommentar: „Nun ja, unsere Reise war am Freitag, den 13. April.“
Zitterpartie statt Reisespaß
In test 4/2018 baten wir unsere Leser, ihre Erlebnisse mit der Bahn zu schildern. Etliche erzählten uns, wie Alfred J., von Problemen wegen unpünktlicher Züge. Für viele Fahrgäste sind sie sogar Ärgernis Nummer eins, wie unsere zusätzliche Umfrage auf test.de belegt. Nur etwa 77,7 Prozent der Fernzüge ICE, IC und EC kamen im ersten Halbjahr des aktuellen Fahrplans laut unseren Recherchen einigermaßen pünktlich an. Sogar auf der neuen Schnellfahrstrecke Berlin–München schafften fast zwei von zehn ICE-Spintern die Fahrt nicht in den versprochenen „weniger als 4 Stunden“. Die test-Leser berichten auch von Zügen mit falscher Wagenreihung, defekten Speisewagen und schlechter Information. Andererseits gibts auch Lob – vor allem für Zugpersonal und Sparpreise. Wie Kunden an die günstigen Tickets kommen, haben wir gecheckt. Ebenso, welche Apps Reisenden unterwegs nützlich sein können, wie WLan im ICE und die Fahrradmitnahme in Fernzügen funktionieren.
Pünktlichkeit: DB verfehlt eigene Ziele

Unsere Grafik zeigt die Entwicklung der Pünktlichkeitswerte zwischen Dezember 2017 und Juni 2018. © Stiftung Warentest / Rene Reichelt

test-Leser Gunter K. ist Vielfahrer mit Bahncard 100. Er nimmt derzeit „Verspätungen nicht als Ausnahme, sondern als Regelfall“ wahr und fordert „pünktliche, planbare Reiseverbindungen“.
Im Idealfall erspart eine kurze Umsteigezeit den Passagieren langes Warten. Nachteil: Verspätet sich ein Zug nur um wenige Minuten, beginnt das Zittern um den Anschluss. Fahrgäste sehen genervt auf die Uhr statt entspannt aus dem Fenster.
Siegfried L. reiste von Hamburg nach Passau, wo seine Donaukreuzfahrt startete: „Der Zug war auf die Minute genau am Ziel, nur leider 4 Stunden zu spät. Unser Schiff wäre weg gewesen, hätten wir die Bahnfahrt nicht vorsichtshalber schon einen Tag früher unternommen.“
Jeder zehnte Fernzug erreicht seine Halte mehr als 15 Minuten zu spät, zeigt die Statistik. Mehrstündige Verspätungen sind aber eher selten. Oft lässt die Deutsche Bahn (DB) Anschlusszüge warten. Das hilft zwar den Umsteigern, gefährdet aber womöglich Anschlüsse anderer Fahrgäste.
Tipp: Ist der Zug verspätet, wenden Sie sich an Zugbegleiter und Service-Mitarbeiter an Bahnhöfen. Drohen mehr als 20 Minuten Verspätung am Zielbahnhof, entfällt automatisch die Zugbindung und Sie können alternative Züge nutzen. Bei Verspätungen ab 60 Minuten erstattet die DB einen Teil des Fahrpreises. Beachten Sie beim Ticketbuchen die Umsteigezeit und geben Sie zum Beispiel mindestens 15 Minuten vor. So steigt die Chance, Anschlüsse zu erreichen.
Viele Kunden ärgert, dass sie bei Problemen schlecht informiert und betreut werden, etwa bei einem kurzfristigen Bahnsteigwechsel. Apps für Smartphones und Tablets sollen Fahrgäste mit Informationen und Tipps versorgen.
Unterwegs besser informiert
Annette D. wartete auf dem Erfurter Bahnhof auf einen unpünktlichen ICE und bangte um ihren Anschlusszug in Nürnberg. Die App empfahl, nicht in ihren gerade einfahrenden, verspäteten Zug zu steigen, sondern erst in den kurz darauf nachfolgenden. Der von ihr um Rat befragte Zugbegleiter hielt das für keine gute Idee, sodass Annette D. doch einstieg. Kurz darauf hielt ihre Bahn auf freier Strecke; der folgende ICE donnerte vorbei.
Tipp: Nutzen Sie die Apps. Für deren Pflege hat die DB einen neuen Beruf geschaffen: „Streckenagenten“, die direkten Kontakt zur Leitzentrale haben. Sie sollen die Kunden aktuell informieren. Je größer das Ausmaß der Störungen, desto eher stoßen aber auch Streckenagenten an ihre Grenzen.
Gute Helfer vor Ort erhöhen die Reisequalität. Hildegard M. lobt den DB-Mobilitätsservice. Beim Umsteigen stand „jedes Mal ein freundliches Wesen pünktlich an der Tür des Wagens, nahm mich in Empfang und brachte mich zum folgenden Zug.“
Tipp: Infos für Menschen mit Behinderung gibts auf bahn.de und für 20 Cent je Anruf (Festnetz) unter 0 180/6 51 25 12.
Wenn der Zug verkehrt herum kommt
Für Reisende mit Gehproblemen oder viel Gepäck sind sie ein besonderes Ärgernis: Züge, die mit falscher Wagenreihung in den Bahnhof einlaufen. Auch Kunden, die einen Fahrradstellplatz oder ein 1.-Klasse-Ticket gebucht haben, betrifft das sehr. Sie hetzen häufig bis ans andere Zugende.
Tipp: Auf dem Bahnsteig kann ein Kontrollblick in die App helfen. Erste Wahl ist hier der DB-Navigator.
Zahlreiche test-Leser beschweren sich über Mängel an und in den Zügen. Rita L. aus Köln erlebte „vier Bahnfahrten und drei technische Defekte“. Auch Brigitte G. erwischte es: Nicht nur drei Stunden verspätet unterwegs, sondern obendrein mit defektem Speisewagen; es gab nur kalte Getränke. Im Intercity, der zwischen Westerland und Hamburg unterwegs war, weist Marianne K. den Zugbegleiter auf das viele Wasser auf dem Fußboden der Toilette hin. Er entschuldigt sich: „Wenn ich die auch noch sperre, haben wir in der ersten Klasse gar keine mehr.“
Karin T. ist hingegen „angenehm überrascht“. In ihrem ICE sichtet sie eine Putzkraft, die sich unterwegs um die Sauberkeit an Bord kümmert. Und test-Leser Hans-Georg W. freut sich über neue Bildtapeten an den Toilettenwänden: „Es kann so einfach sein, etwas schöner zu machen.“
Auf dem Schleudersitz
Platzreservierungen in der ersten Klasse sind im Preis inbegriffen. Zweite-Klasse-Kunden zahlen 4,50 Euro. Fällt die elektronische Anzeige aus, haben alle Mühe, ihren Sitz zu finden. Für Reisende ohne Reservierung wird die Platzwahl zum Glücksspiel. Wer Pech hat, erwischt einen „Schleudersitz“, den er allzu schnell verlassen muss, wenn jemand eine Platzkarte präsentiert.
Tipp: Zumindest zu den Hauptreisezeiten am Freitag und Sonntag oder zu Ferienbeginn sollten Sie auf reservierte Sitzplätze nicht verzichten. Die Züge werden immer voller – dank günstiger Sparpreise und neuer schneller Verbindungen.
Die Bundesregierung plant sogar, die Zahl der Bahnreisenden bis 2030 zu verdoppeln – auch wegen des Klimaschutzes. Während Energieeffizienz und Elektromobilität anderswo nicht in Schwung kommen, sind sie für Bahnreisende Stand der Technik. Vorgesehen ist ein „Deutschlandtakt“ mit optimalen Umsteigemöglichkeiten sowie häufiger fahrenden Zügen. Damit das klappt, müssten die Bahn und die Bundesregierung ins teilweise marode Netz mit seinen vielen Engpässen massiv investieren.
Zum Beispiel in die Strecken ans Meer. So brauchen Usedom-Urlauber länger als vor dem 2. Weltkrieg. Danach wurde die Direktverbindung nach Berlin nie reaktiviert.
Licht am Ende des Tunnels
Ein anderes Problem der Deutschen Bahn: Ihr fehlen schnelle Züge. Doch 119 moderne ICE4 sind bestellt. Die ersten rollen bereits, zum Beispiel zwischen München und Hamburg. Viele Fahrgäste kritisieren allerdings unbequeme Sitze. Andere Wünsche gehen in Erfüllung: So bietet ein Wagen am Zugende immerhin acht Fahrradstellplätze.
Ein Pluspunkt sind auch die Gepäckablagen, die anstelle einiger Sitzreihen eingebaut sind. Die sind so angeordnet, dass Fahrgäste einigermaßen bequem aneinander vorbeipassen. Und im überfüllten Zug lässt sich dort vielleicht sogar ein Notsitzplatz finden.
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@RNtest: Der Super Sparpreis zu 19,90 € gilt in Fernverkehrszügen (ICE, IC/EC). Zusätzlich ist die Nutzung des Nahverkehrs MÖGLICH (RE, RB, IRE, S-Bahn), sofern bei Buchung angegeben. Für Züge des Nahverkehrs (RE, RB, IRE, S-Bahn), die für die Anreise zum Bahnhof und Weiterreise zum Zielort genutzt werden, besteht keine Zugbindung, für den genutzten Fernzug schon. (MK)
In dem Absatz über Sparpreise hat sich ein Fehler eingeschlichen.
Sie schreiben dort, die Sparpreise gelten nur für die gebuchten Fernzüge. Das ist nicht richtig. Sie gelten komplett für alle Buchungen, in denen mindestens ein Fernzug enthalten ist.
Wenn ich also, von einer kleinen Stadt mit dem Regionalzug zu einem größeren Bahnhof fahre, dann weiter mit dem IC oder ICE und dann wieder mit einem Regionalzug, kann ich die ganze Fahrt zum Sparpreis (in Ihrem Beispiel 19.90 Euro) bekommen.
Nur wenn alle Züge einer Verbindung dem Regionalverkehr angehören ist keine Sparpreis möglich. Das ist aber bei längeren Verbindungen, für die sich die Sparpreise lohnen sowieso selten der Fall. Fazit: Sparpreise sind viel häufiger möglich wie gedacht.
Ein Problem bei den ICE-Zügen ist, dass die Wagennummern nahe den Türen nur sehr schwer lesbar sind. Man muss direkt davor stehen, um die Nummer entziffern zu können. Ich weiss nicht, ob das beim ICE 4 besser gelöst ist; bei den anderen Zügen ist das eine zwar kleine aber doch sehr ärgerliche Sache. Da könnten sich die Ingenieure von Siemens & Co nun wirklich etwas Besseres einfallen lassen!
Kein Verkehrsträger ist perfekt; auch die Bahn nicht! Dafür ist die Verkehrsdichte zu hoch und die von der Politik bereitgestellten Mittel zu gering.
Trotzdem fahre ich gerne Zug und als sog. BahnComfort Kunde nicht zu knapp (mindestens für 2000€p.a.). Dabei muss ich sagen, dass auf meiner Strecke (Frankfurt/M-Schweiz) die „Katastrophen“, im Vergleich zu den Staus auf der A5 kaum ins Gewicht fallen. Das DB Personal verhält sich mir gegenüber zugewandt und höflich. Vielleicht schallt es bei den Bähnlern auch so aus dem Walde wie hineingerufen wird?
Das Problem mit der Bahn ist, dass ihr die Kunden sch..egal sind – wie sonst ist es zu erklären, dass sie nichts dafür unternimmt, die seit Jahren bestehenden Missstände ab- und ihre Kunden zufriedenzustellen: Auch dieser „Test“-Bericht wird nichts daran ändern. Als Vielfahrer möchte ich einfach nur ein verlässliches Verkehrsmittel als Alternative zum PKW. Die Bahn hätte hier alle Chancen das ganz große Geschäft zu machen, aber sie versagt auf ganzer Linie – eine Besserung ist nicht in Sicht. Jeder andere Dienstleister hätte seinen Laden schon längst schließen müssen, wenn er für eine vereinbarte Leistung den vollen Preis kassiert, aber nur einen Teil der Leistung liefert. Mein Fazit: So wie ich mich seit über 20 Jahren über die Bahn ärgere, aber mangels Alternative doch immer wieder einsteige, muss sich die Bahn um ihre Zukunft nicht sorgen. Wir Vielfahrer ballen die Faust in der Tasche und schlucken den Frust einfach herunter – die Hoffnung stirbt zuletzt!