Das Interesse an der asiatischen Heilkunst steigt. Was hilft wirklich und was nicht? Die Stiftung Warentest hat verschiedene Methoden bewertet.

Akupunktur – hier ein Ausschnitt aus einer chinesischen Akupunkturtafel – ist auch in Deutschland weit verbreitet.

„Medizin nach dem Ausbruch einer Krankheit anzuwenden ..., das ist, als grabe man einen Brunnen erst, nachdem man durstig geworden ist.“ Das ist ein legendärer Satz aus dem chinesischen „Klassiker des gelben Ahnherrschers“ – einer mythologischen Figur der chinesischen Antike. Die über 2000 Jahre alte Schrift zeugt von einem grundlegenden Wandel der damaligen Medizin, die sich nun zunehmend auf die Beobachtung von Naturgesetzen stützte und bösen Geistern und Dämonen immer weniger Bedeutung bei der Krankheitsentstehung einräumte. In dieser Zeit wurde auch die Akupunktur als neue Methode der Vorbeugung und Behandlung eingeführt.

Viele Menschen suchen bei Alternativmedizinern ein ausführliches Gespräch und menschliche Zuwendung.
Das Motto der asiatischen Heilkunst lautet: Vorbeugen ist besser als Heilen. Krankheiten beruhen nach ihrem Verständnis auf dem Zusammenspiel vieler verschiedener körperlicher und seelischer, innerer und äußerer Faktoren. Da Körper und Seele in asiatischen Traditionen nicht so scharf wie im westlichen Denken getrennt werden, empfinden Patienten diese Sichtweise eher als ganzheitlich. Sie fühlen sich häufig wohler bei Therapeuten, die sich oft mehr Zeit nehmen als der durchschnittliche Arzt. Das trifft meist auf Behandler zu, die im Westen asiatische Methoden anbieten.
Westliche Patienten nutzen asiatische Heilmethoden zu unterschiedlichen Zwecken. Den einen geht es darum, Krankheiten vorzubeugen, sie zu behandeln oder die Rehabilitation zu befördern. Andere Menschen suchen auf diese Weise Wellness oder auch Spiritualität.
Asiatische neben westlicher Medizin
Wer sich für alternative Verfahren interessiert, sollte aber wissen: Bei Unfällen und Akuterkrankungen, Krebs, Bluthochdruck, Diabetes – um nur einige Beispiele zu nennen – führt kein Weg vorbei an der naturwissenschaftlichen Medizin. In der Erkennung und Behandlung vieler Organerkrankungen ist die moderne westliche Medizin den asiatischen Methoden überlegen.
Diese Erkenntnis setzte sich auch in asiatischen Ländern bereits im 19. Jahrhundert durch. So erließ zum Beispiel die japanische Regierung 1876 ein Gesetz, nach dem als Arzt nur praktizieren durfte, wer vorher westliche Medizin studiert hatte. Die Komplementärmedizin – wie alternative Verfahren auch genannt werden – eignet sich vor allem zur Ergänzung.
Die Grenzen sind fließend
Dennoch gibt es „die“ asiatische Heilkunde nicht. Weder aus geografischer, historischer noch kultureller Sicht kann eine klare Grenze gezogen werden. Vieles, das als europäisch wahrgenommen wird, hat asiatische Wurzeln, aber auch umgekehrt. Auch die asiatischen Hochkulturen haben sich untereinander schon immer ausgetauscht, wie etwa die chinesisch-japanische Tradition und das altindische Ayurveda.
Arzneimittel aus China

Moxatherapie, eine Variante der klassischen Akupunktur, bei der die Akupunkturpunkte oder Nadeln durch Abbrennen gepresster Kräuter erhitzt werden.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin spielt zum Beispiel die Akupunktur eine wichtige Rolle. In Deutschland ist sie sogar die am weitesten verbreitete asiatische Heilmethode (siehe „Akupunktur“). Ganz anders dagegen in China selbst. Die mit Abstand wichtigste Heilmethode in China ist die Behandlung mit Arzneimitteln. Schon ein Text aus dem 2. Jahrhundert vor Christus belegt, dass die Ostasiaten sehr früh Arzneimittel verwendeten. Mit 282 Vorschriften gegen 52 Krankheiten bezog er sich überwiegend auf Arzneirohstoffe aus pflanzlichen Substanzen. Er erwähnte aber auch Urin neugeborener Knaben, menschlichen Schweiß oder Sperma.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Medikamente zuzubereiten. Unter „chao“ verstehen Chinesen beispielsweise das Rösten. Wenn die Arznei kurz an der Sonne getrocknet werden muss, bezeichnen sie das als „pu“. Die Pharmaindustrie der Traditionellen Chinesischen Medizin produziert jährlich Arzneimittel im Wert von über 8 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Auch die Ausfuhr dieser Medikamente aus China in die USA und nach Europa wächst. Deutschland jedoch stellt strenge Anforderungen an die Einfuhr von Arzneimitteln. Dennoch taucht hierzulande vieles unter dem Begriff „Nahrungsergänzungmittel“ im Internet, aber auch in Geschäften auf (siehe „Kräuterarznei“).
Tibetische Arznei erobert den Westen

Arzneipflanzen sind die wichtigste Heilmethode der chinesischen Heilkunde.

Ganz offiziell und legal fand dagegen eine tibetische Arznei ihren Weg in den Westen: das Padma 28. Die Mischung aus 28 Heilkräutern ist seit 1977 in der Schweiz als Arzneimittel gegen die „periphere arterielle Verschlusskrankheit“ zugelassen. Das ist eine Durchblutungsstörung der Beinarterien. Beim Gehen treten starke Schmerzen auf, sodass die betroffenen Personen immer wieder stehen bleiben müssen. In Deutschland können Betroffene die tibetische Arznei nur auf Rezept über Apotheken beim Hersteller bestellen.
Qi und Gong helfen zu entspannen

Auch beliebt im Westen: Qigong.
Neben Arzneien und Akupunktur gibt es in der asiatischen Medizin viele andere Heilkünste, wie zum Beispiel Yoga (siehe „Yoga“) und Qigong. Qigong soll die Gesundheit auf spirituellem Weg fördern. „Gong“ heißt so viel wie „Arbeit, Leistung, Wirkung“, während das Schriftzeichen „Qi“ den „nährenden Lebensatem“ darstellt. Das Qi durchzieht den gesamten Kosmos. Jedes Wesen und jedes Ding, ja sogar jedes einzelne Organ birgt ein lebenswichtiges Qi in sich. Um das ganze System im Gleichgewicht zu halten, verbinden die Anhänger dieser Lehre Meditation mit Dehnübungen.
Es gibt weltweit viele unterschiedliche Übungsformen und -stile, schätzungsweise bis zu 3 600. Mal überwiegen eher buddhistische, konfuzianische, daoistische oder kampfkunstbezogene Formen. Bei den heute gängigen Qigong-Übungen werden meist zeitlupenartig langsame, fließende Bewegungen im Schweigen praktiziert, mit Dehnungen und Drehungen des Kopfes und des Rumpfes.
Qigong auf Kassenkosten?
Auch die deutschen Krankenkassen wissen Qigong durchaus als Vorsorgemaßnahme zu schätzen. Viele Kassen bieten eigene Qigong-Kurse an und tragen manchmal auch die Kosten von Fremdanbietern.
Unter bestimmten Voraussetzungen zahlen Krankenkassen auch für andere Methoden der alternativen Medizin, zum Beispiel für Akupunktur, für Massagen oder medizinische Bäder. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist allerdings eine ärztliche Verordnung. Und das Rezept kann nicht überall, sondern nur bei einem staatlich geprüften Masseur oder Physiotherapeuten eingelöst werden.
Was die Methoden taugen

Tai Chi wurzelt in der chinesischen Kampfkunst, wird heutzutage aber fast nur noch in Form langsam fließender Bewegungsübungen praktiziert. Sie sollen zur Entspannung beitragen.
Krankenkassen und Ärzte wollen aber auch wissen, wie nützlich eine Heilmethode ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit medizinischer Behandlungsmethoden können dabei aus verschiedenen Quellen stammen. Am wichtigsten sind jedoch die Ergebnisse klinischer Studien. Das sind Untersuchungen, bei denen Patienten nach einem genau vorgeschriebenen Schema behandelt werden.
Von einer Patientengruppe erhält zum Beispiel die eine Hälfte Therapie A, die andere Hälfte Therapie B. Bei einer „placebokontrollierten“ Studie wird beispielsweise die Wirkung von Migränemedikamenten mit der von Traubenzucker (Placebo) verglichen, der aber genauso aussieht wie das echte Medikament. Mit dieser Methode kann man unter anderem auch einschätzen, wie sehr der eigentliche Wirkstoff und wie sehr Begleitfaktoren, wie beispielsweise die positive Erwartung der Patienten, zur Gesamtwirkung beitragen.
Auf diese Weise lassen sich auch asiatische Medikamente auf ihre Wirksamkeit testen, wie Padma 28 gezeigt hat. Bei Yoga oder Qigong sind solche Vergleiche schwieriger, da sich kaum eine praktikable Scheinbehandlung finden wird. Man kann aber durchaus empfehlen, einfach auszuprobieren, was gut tut – unter der Voraussetzung, dass das Nebenwirkungsrisiko gering ist und keine akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen bestehen.
-
- Die Pein im Kreuz plagt viele. Wir beantworten Fragen, was bei akutem und chronischem Schmerz hilft, wann Röntgen wirklich Sinn macht und wann es ärztlichen Rat braucht.
-
- 28 Millionen Menschen gehen laut einer Allensbach-Umfrage in Deutschland ab und zu in eine Therme. Doch wie sieht es mit den gesundheitlichen Wirkungen aus? Was müssen...
-
- Bestimmte Medikamente sind vor allem bei Hitze von Nachteil: Sie schränken das Schwitzen ein oder schwemmen viel Wasser aus – mit riskanten Folgen. Wir klären auf.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Ein wirklich gutes Buch zu diesem Thema ist "Gesund ohne Pillen - was kann die Alternativmedizin?" von Simon Singh und Edzard Ernst aus dem Carl Hanser Verlag.