
Sanftes Dehnen. Solche und ähnliche Übungen sind ein zentrales Element des Faszientrainings.
Hören und lesen Sie auch ständig etwas über Faszien? Ob Fitnessstudio, Physiotherapie oder Rückenschule – viele schwören neuerdings auf Faszientraining. Die Arbeit am Bindegewebe soll die Beweglichkeit fördern, Schmerzen und Erkrankungen der Muskeln und Gelenke mildern oder vorbeugen. test.de erklärt, was sich hinter dem Trend verbirgt und was an den Gesundheitsversprechen dran ist.
Was sind Faszien?
Lange gab es uneinheitliche Sichtweisen, inzwischen können viele Forscher gut mit der Definition der internationalen Fascia Research Society leben. Grob übersetzt handelt es sich bei Faszien um Bindegewebe, das unseren gesamten Körper durchzieht. Es geht um weitaus mehr als die Bindehaut an Po und Oberschenkeln, die vor allem Frauen wegen möglicher Dellen fürchten. Faszien umhüllen als feine Haut oder Schicht unsere Organe, Muskeln, Gelenke und Nerven, und können straff oder locker gebaut sein. Sie ähneln den milchig-weißen Hautsträngen, die man oft an der Oberfläche eines Stücks Fleisch findet. Da Bindegewebe auch über Nerven und Rezeptoren verfügt, halten manche Wissenschaftler die Faszien sogar für das größte Sinnesorgan unseres Körpers.
Woher kommt der Trend?
Arbeiten zu Faszien gab es schon länger, sie bekamen aber meist wenig Beachtung. Doch seit dem ersten Forschungskongress zu Faszien in Boston im Jahr 2007 hat das Interesse am Thema deutlich zugenommen. Für zahlreiche Berufsgruppen, darunter Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler oder Osteopathen, eröffnete sich ein neuer Markt. In Deutschland geht der Hype um die Faszien im Wesentlichen auf eine Person zurück: Robert Schleip. Der Humanbiologe arbeitet in der Abteilung Neurophysiologie der Universität Ulm und leitet dort die Forschungsgruppe zu Faszien. Schleip hat eine eigene Trainingsform entwickelt und vermarktet diese unter dem Namen „fascial fitness“.
Was soll das Faszien-Training bringen?
Bisher galt das Bindegewebe eher als unscheinbares Geflecht – zu Unrecht, legen die Forschungsergebnisse von Schleip und anderen nahe. Die Faszien sollen für die Kraftübertragung von Muskel zu Muskel sorgen und so unseren Bewegungsapparat geschmeidig halten. Das Training der Faszien soll Rückenschmerzen lösen können, Gelenke biegsam halten und und so der Entstehung von Arthrose vorbeugen.
Tipp: Nehmen Sie nur Kurse oder Behandlungen in Anspruch, die von Fachkräften angeboten werden, etwa einem anerkannten Physiotherapeuten. Wie aussagekräftig einschlägige Weiterbildungen sind, etwa zum Fascial Fitness Trainer, ist schwer zu beurteilen, da noch immer wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen.
Was sind typische Trainingselemente?

Faszienrolle. Sie übt hohen Druck auf das Gewebe aus und soll die Faszien geschmeidiger machen.
Verschiedene Bewegungsabläufe sollen die Faszien stimulieren. Dazu gehört beispielsweise das Ausrollen bestimmter Körperpartien über Schaumstoff-Rollen, insbesondere der Beine, des Gesäßes und des Rückens. Diese Art der Faszien-Massage soll „verklebte Stellen“ zwischen Faszien und Muskel lösen, damit diese wieder besser zusammenspielen. Auch spezielle Bälle oder Massage-Roller kommen zum Einsatz. Weitere Elemente: wippendes, langsames Dehnen, Hüpfen und Springen sowie das verstärkte Hineinfühlen in sich selbst.
Tipp: Hilfsmittel wie Rollen gibt es in verschiedenen Härtegraden. Anfänger sollten mit weicheren Geräten beginnen. Studien deuten darauf hin, dass mit höheren Härtegraden bessere Trainingsergebnisse erzielt werden. Wichtig: Nie über Gelenke rollen und Schmerzen nicht ignorieren.
Welche wissenschaftlichen Belege gibt es?
Wenige bis keine. Das Interesse an den Faszien ist relativ neu und hat sich – wie bei Trends üblich – zunächst unabhängig von wissenschaftlichen Beweisen entwickelt. Es gibt einige wenige Übersichtsarbeiten oder randomisierte kontrollierte Studien – diese reichen nicht aus, um die Effizienz des Faszien-Trainings zu beurteilen. Das gilt insbesondere für physiotherapeutische Behandlungen wie die Myofascial-Release-Technik, die etwa bei Rückenleiden eingesetzt wird. Für Trainingszwecke sieht die Lage etwas besser aus, das zeigt eine Übersichtsarbeit von Forschern um Scott Cheatham der California State University Dominguez Hills (The effects of self-myofascial release using a foam roller or roller massager on joint range of motion, muscle recovery, and performance). Deren Fazit: Das Training mit Schaumrollen oder Massage-Rollen kann zumindest kurzzeitig die Beweglichkeit der Gelenke verbessern, ohne sich negativ auf die Muskelleistung auszuwirken. Nach einem intensiven Sporttraining könnten Faszien-Übungen zudem Muskelkater mildern. Sie vor einem Training einzubauen, bringe hingegen keine Verbesserung der Muskelleistung. Für eindeutige Schlussfolgerungen brauche es weitere Studien, betonen die Forscher.
Tipp: Richtig ausgeübt, schadet das Faszien-Training nach jetzigem Wissensstand nicht. Die Faszien reagieren nachweislich auf Bewegung – also bleiben Sie aktiv. Bei hoher Aktivität werden Faszien gelartiger, bei Bewegungsmangel können sie verdicken und verhärten. Einige Faszienübungen lassen sich prima mit anderen Trainingsformen kombinieren, sei es Pilates, Yoga oder Tai Chi.
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