
Flüssiger Kraftspender. Gemüsebrühe soll den Fastenden mit Nährstoffen versorgen. © Knut Koops
Es gibt unzählige Fasten-Konzepte, Belege aber sind rar. test stellt verschiedene Ansätze vor und sagt, welche tatsächlich etwas bewirken können.
Die ersten Tage sind oft hart
Warme Gemüsebrühe, frischer Obstsaft, mit Honig gesüßter Tee – das muss beim klassischen Fasten genügen. Die ersten Tage können hart sein, der Körper reagiert oft mit Unruhe, diffusem Kopfschmerz oder Schwindel. „Ich bin nur am Frieren ... Hab mich erstmal ins Bett verkrochen“, beschreibt es „Wanderer“, ein Nutzer des Onlineforums Heilfastenkur. Dort tauschen sich Leute aus, die zu Hause fasten. „Rotkehlchen“ erzählt: „Habe mich doch noch zu einem Spaziergang aufgerafft im Nieselregen. Hat gut getan.“ Der Durchbruch kommt nach mehreren Tagen Verzicht. Der Hunger geht, viele Fastende erleben ein Hochgefühl. „Snoopa“ schreibt: „Heute an Tag vier ist es so weit: Energie pur und ich könnte Bäume ausreißen.“
Den Gürtel enger schnallen
Ob zu Hause, in einer luxuriösen Klinik oder einem schlichten Kloster – eine wachsende Zahl an Bundesbürgern will selbst erfahren, was es mit der körperlichen und geistigen Reinigung auf sich hat. Abnehmen ist nicht das oberste Ziel, sondern ein Nebeneffekt. Es geht um eine Auszeit vom Alltag, um Selbstfindung und -kontrolle. Im Winter den Gürtel enger schnallen hat jahrhundertelange Tradition. Früher wurden die Vorräte knapp. Auch die christliche Fastenzeit, die Gläubige zur Mäßigung aufruft, beginnt zum Ende des Winters: 2017 am 1. März. Die Industrie befeuert den Trend heute ganzjährig mit Detox-Produkten, die Entgiften anregen sollen. Giftstoffe ausscheiden, Ballast abwerfen? Gibt es Beweise, dass es funktioniert?
Flüssiges und gedünstetes Gemüse
Die Fastenkonzepte unterscheiden sich stark: Manche erlauben nur Flüssiges, andere viel Obst und Gemüse. Ernüchternd: Den meisten Ansätzen fehlt es an Wirksamkeitsbelegen. Ausnahme ist das Heilfasten. Studien geben Hinweise darauf, dass es Rheuma und möglicherweise auch andere chronische Erkrankungen mildern kann. Dabei handelt es sich unter anderem um Beobachtungsstudien mit Patienten.
Kranke sollten nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt fasten
Erkrankte sollten eine Fastenkur nur mit medizinischer Begleitung machen, empfiehlt die Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung. Gesunden Menschen rät sie, zur Prävention von Krankheiten zu fasten. Doch Vorsicht: Es bedeutet auch Stress für den Körper. Fasten birgt Risiken und Nebenwirkungen.
Erfolge im Krankenhaus
Seit mehr als 25 Jahren setzt das Immanuel Krankenhaus Berlin, eine Fachklinik für Rheumatologie, auf das Heilfasten, um chronische Erkrankungen zu behandeln – jährlich bei rund 1 000 Patienten. Ob Rheuma, Bluthochdruck oder Diabetes: „Bei mindestens zwei Drittel dieser Krankheiten ist das Fasten eindeutig nutzbringend“, sagt Andreas Michalsen. Der Internist ist Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde und hat eine Stiftungsprofessur an der Berliner Charité. Bei seinen Patienten nähmen Schwellungen ab, Blutwerte besserten sich. Fasten scheint Entzündungsprozesse zu stoppen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei wohl Ketone – Fettmoleküle, die der Körper nach längerem Nahrungsentzug aktiviert.
Von der Fastenkrise zur Euphorie
Die klassische Fastenkur beginnt mit der Reinigung des Darms durch Glaubersalz. Danach lässt das Hungergefühl nach. Zu Beginn sorgen die Hormone Adrenalin und Kortisol für Anspannung, Experten sprechen von Fastenkrise. Der Nahrungsentzug zwingt den Organismus, eigene Nährstoffreserven anzugreifen. Nach einem Tag ohne festes Essen ist der in der Leber gespeicherte Zucker, das Glykogen, aufgebraucht. Der Körper schaltet den Stoffwechsel um und bezieht die Energie aus Fettreserven.
Serotonin sorgt für Hochstimmung
Nach drei bis vier Tagen fühlen sich viele Fastende ausgeglichen oder auch euphorisch. Sie berichten von geschärften Sinnen. Im Gehirn ist Serotonin länger verfügbar und sorgt für Hochstimmung. Otto Buchinger, der Begründer des Heilfastens, beschrieb das so: „Eine Art Lösung und Lockerung verkrampften seelischen Gefüges ist erkennbar, eine Klärung der Lage und eine höhere Feinfühligkeit.“
Neue Impulse aus der Forschung
Seit zehn Jahren gibt eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten neue Impulse. Dazu zählen Erkenntnisse des kalifornischen Forschers Valter Longo. Er erkannte, dass kurzes Fasten bei Mäusen gesunde Zellen während einer Chemotherapie schützt und zugleich Tumorzellen effektiver angegriffen werden. Derzeit erforschen Wissenschaftler, ob solche Effekte auch bei Menschen auftreten.
16 Stunden täglich fasten
Großes Interesse gilt dem Intervallfasten, das auf regelmäßige Essenspausen setzt. Vor allem in Tierversuchen zeigten sich zahlreiche positive Effekte. Aus der Krankenhauspraxis berichtet Andreas Michalsen: Bereits eine Woche Fasten am Stück wirke sich bei Bluthochdruckpatienten positiv aus – nach drei Monaten aber sei der Effekt verpufft. Mögliche Lösung sei regelmäßiges fasten, etwa 16 Stunden täglich oder zwei Tage pro Woche.
Intervallfasten verlängert möglicherweise das Leben
Laut einer Studienauswertung von John Trepanowski von der University of Illinois verlängert Intervallfasten bei verschiedenen Tierarten das Leben. Bei Menschen besserten sich Messwerte, die mit der Herz-Kreislauf-Funktion und Blutzuckerwerten zusammenhingen.
Von Übersäuerung und Schlacken
Fasten kann einen Anstoß geben, Ernährungsgewohnheiten zu verbessern. Zum langfristigen Abnehmen ist es nicht geeignet, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Es muss auch keiner fasten, um einer „Übersäuerung“ des Körpers entgegenzuwirken. „Gesunde Erwachsene können auch bei einseitiger Ernährung Säure- und Basenüberschüsse kompensieren und ausscheiden“, sagt DGE-Sprecherin Antje Gahl. Nur bei ernsten Erkrankungen könne das Gleichgewicht kippen.
Körpereigenes Recycling
Im Körper sammeln sich auch keine Schlacken an, sprich größere sichtbare Ablagerungen. Fasten regt aber möglicherweise die Fähigkeit der Zellen an, winzige geschädigte Zellorgane zu entsorgen. Das körpereigene Recycling nennen Wissenschaftler Autophagie. Für die Erforschung dieses einzigartigen Vorgangs erhielt der Japaner Yoshinori Ohsumi 2016 den Nobelpreis für Medizin.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
@testuser254jkl: Einzelne Produkte, die bei einer Diät zur Unterstützung der Gewichtsreduktion dienen sollen, haben wir nicht getestet. Unser Anliegen ist es, einige wichtige Konzepte zum Fasten gegenüber zu stellen. (PF)
... und auch sehr gute Einordnung der Wirksamkeit der verschiedenen Fastenmethoden.
Das sagt eine Ärztin, die jahrelang Fastenkurse begleitet hat.
Auch dass mal mit dem Unsinn von säuernden Lebensmitteln aufgeräumt wird, hat mich sehr gefreut.
Wie ist aus Ihrer Sicht ALMASED zu beobachten, oder der um einiges günstigere VITALIS DIÄT SHAKE, den es bei Aldi gibt?
Ich meine, im Vitalis ist mehr Zucker. Kann das sein?
@Empty: Eine gute kritische Zusammenfassung des aktuellen Erkenntnisstands zum Intervallfasten inklusive relevanter Studienverweise bietet zum Beispiel der Artikel von Lioba Hofmann, erschienen in der Zeitschrift Ernährung im Fokus (16-11-12/2016). Zum Thema Autophagie lassen sich online zahlreiche gute Hintergrundartikel finden. Das offizielle Webseite des Nobelpreises führt auf www.nobelprize.org auf Englisch gut in die Thematik ein und gibt erweiterte Informationen, siehe hier: http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/2016/advanced-medicineprize2016.pdf (Mer/PF)