Familienkassen Familien kämpfen ums Kindergeld

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Monatelang mussten viele Eltern in unserem Test der Familienkassen auf das Kindergeld für erwachsene Kinder warten. In einigen Fällen fruchtete gar erst eine Klage.

Über 15 Monate kämpften die Papendorfs um Kindergeld für die 19-jährige Franziska. Jetzt musste die Familienkasse Potsdam 2 310 Euro nachzahlen.

Das ist kein Einzelfall. Unsere bundesweite Stichprobe zeigte: Unabhängig davon, wie dringend sie das Geld brauchen, bekamen Eltern mit erwachsenen Kindern oft erst nach Monaten rückwirkend ihr Kindergeld ausgezahlt (siehe Grafik unten).

Wir haben die Bearbeitung von 121 Anträgen auf Kindergeld bei 37 Familienkassen verfolgt. Nach unserer Vorprüfung hatten alle Eltern Anspruch auf Kindergeld und dennoch mussten die meisten viel zu lange auf ihr Geld warten.

Die Familienkassen brauchten im Schnitt viereinhalb Monate, bis sie den 88 Eltern mit erwachsenen Kindern ihr Kindergeld bewilligten. 20 dieser Antragsteller mussten sogar länger als ein halbes Jahr ausharren, bis sie Kindergeld bekamen.

Dabei sollten Eltern unseres Erachtens nicht länger als einen Monat auf das Kindergeld warten müssen. Schließlich haben sie monatlich Anspruch auf die 154 Euro. Innerhalb eines Monats klappte es aber nur in rund 22 Prozent aller untersuchten Fälle mit erwachsenen Kindern.

Fast alle Eltern fühlten sich außerdem von dem komplizierten Recht überfordert. In 3 Prozent der Fälle lehnte die Kasse ­sogar das Kindergeld endgültig ab, sodass Eltern nur noch der Klageweg blieb.

Kaum Probleme hatten dagegen die 33 Elternpaare mit minderjährigen Kindern in unserem Test.

Es gab nur zwei Verzögerungen: Eine ­Familie zog um und die alte Familienkasse schickte die Unterlagen so spät weiter, dass sich die Bearbeitung fünf Monate hinzog. In einem anderen Fall benötigte die Behörde eine halbes Jahr, um ein Pflegekind ­anzuerkennen. Doch das sind im Vergleich zu den Fällen mit erwachsenen Kindern Ausnahmen.

Viel zu lange Wartezeiten

Recht flott waren in unserer Stichprobe zum Beispiel die Bearbeiter der Familienkassen Altenburg, Bad Hersfeld, Nordhausen und Erfurt. Für mehrere Eltern wurde Kindergeld fortlaufend oder innerhalb eines Monats nach dem Antrag gezahlt.

Warum die meisten Eltern viel länger warten mussten, konnten wir oft nicht nachvollziehen. Erst zwei Monate nachdem ein Elternpaar bei der Kasse Brühl in Nordrhein-Westfalen Kindergeld beantragt hatte, sollten sie weitere Unterlagen schicken. Noch einmal dreieinhalb Monate vergingen, bis die beiden endlich das Kindergeld bekamen. Bei einer anderen Familie dauerte es ohne erkennbaren Grund auch fünf Monate bis zur Zahlung.

Ähnlich war es in Rostock. Die Eltern hatten für ihre Tochter im Mai 2005 Kindergeld rückwirkend für das Jahr 2004 beantragt. Bis die Familienkasse Rostock das Geld genehmigte, vergingen fünf Monate.

Dagegen hatte ein Thüringer Elternpaar extrem schnell eine positive Antwort. Die Kasse Nordhausen gewährte für ihren ­arbeitslosen Sohn in zwei Tagen Kindergeld. Aber schnelle Bearbeitung ist auch für Thüringen nicht die Regel. Eine andere Familie musste fast fünf Monate warten.

Nicht ins Bockshorn jagen lassen

Eltern haben nicht nur Probleme mit ewig langen Wartezeiten. Oft führte sie das komplizierte Recht aufs Glatteis (siehe „Checkliste“). Schon die Formulare sind kompliziert. Viele Eltern füllten die Zeilen zu den Werbungskosten falsch aus.

Die Familienkassen boten ihnen keine Unterstützung, sondern sie schickten den ­Eltern Briefe in einer unverständlichen ­Behördensprache.

Warum sich die Familienkasse in Potsdam quer stellte, war den Eltern von Franziska Papendorf von Anfang an ein Rätsel. Weil die Tochter während eines Praktikums mit 40-Stunden-Woche 358 Euro im Monat erhielt, meinte die Behörde, die junge Frau sei angestellt, und verweigerte das Kindergeld. Dabei überbrückte Franziska nur die Zeit bis zur Ausbildung.

Die Kasse zeigte kein Interesse, sich mit den Eltern zu verständigen. Sie lehnte einfach das Kindergeld endgültig ab.

Nur mit fremder Hilfe gewann die Familie schließlich. Ein Lohnsteuerhilfeverein übernahm den Schriftverkehr und legte Klage vor dem Finanzgericht Cottbus gegen die Ablehnung ein. Franziska sei während des Praktikums wie jemand einzustufen, der einen Ausbildungsplatz suche, begründete der Berater des Lohnsteuerhilfevereins die Klage. Endlich lenkte die Kasse ein und zahlte das Kindergeld.

Ähnlich erging es Eltern in Bayern. Die Kasse Coburg verweigerte das Kindergeld, weil nach ihrer Rechnung die Einkünfte des Sohnes über dem Grenzbetrag von 7 680 Euro im Jahr lagen. Nachdem die ­Familie dagegen Einspruch eingelegt hatte, hörte sie zwölf Monate lang nichts. Erst als sie einen Berater vom Lohnsteuerhilfeverein beauftragte, nachzuhaken, reagierte die Familienkasse sehr schnell. In zwei Tagen lehnte sie den Einspruch ab.

Der Berater erhob dagegen Klage. Zugleich erläuterte er mehrmals der Kasse, dass die Einkünfte des Sohnes wegen seiner Kosten für Fahrten zur Berufsschule und Arbeitsmittel unter dem Grenzbetrag blieben. Nun nahm die Behörde ihre Entscheidung zurück und die Klage war vom Tisch. Ohne die Hilfe des Beraters hätten die ­Eltern wohl genervt klein beigegeben.

Elternfreundliche Gerichtsurteile

Viele Rechtsfragen klären erst die Gerichte. Allein beim Bundesfinanzhof sind derzeit mehr als 170 Verfahren anhängig.

Doch manchmal nützt es Eltern nicht einmal etwas, wenn ein Verfahren entschieden ist. Die Familienkasse Nordhausen kannte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht, obwohl das Gericht bereits darauf öffentlich hingewiesen hatte. Danach hätte die Kasse vom Ausbildungslohn die gesetzlichen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung abziehen müssen (Az. 2 BvR 167/02). Das tat sie aber nicht und verweigerte zu Unrecht Kindergeld.

Eltern, die ewig warten müssen, können nicht mal Verspätungszinsen verlangen. Ein Vater bekam nach dem elternfreundlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sozialversicherungsbeiträgen jetzt erst 2 740 Euro Kindergeld für die Zeit von November 1999 bis Juni 2001. Verspätungszinsen wollte die Familienkasse Siegen nicht zahlen.

Das muss sie laut Abgabenordnung auch nicht – oder besser: noch nicht. Das letzte Wort haben noch die Richter vom Bundesfinanzhof, weil eine andere Familie geklagt hat (Az. III R 64/04).

In den Prozess können sich Eltern per Einspruch einklinken. Dazu beantragen sie zugleich bis zur Entscheidung durch den Bundesfinanzhof Ruhen des Verfahrens.

Bürokratisches Monster

Viel Ärger bereitet der bürokratische Aufwand. Teilweise hatten wir den Eindruck, dass die Bearbeiter Belege nachforderten, ohne nachzusehen, welche längst vorliegen.

Meist sollen Eltern jährlich das Kindergeld auf amtlichem Vordruck beantragen. Dabei ist dieser laut Dienstanweisung des Bundeszentralamtes für Steuern entbehrlich: „... der Antrag ... kann auch mittels Fax gestellt werden. Die Verwendung eines Vordrucks ist nicht erforderlich.“

Die Beamten wollten sogar doppelte ­Belege. Obwohl der Familienkasse Lörrach Studienbescheinigungen vorlagen, sollten die Eltern noch nachweisen, wann das Studium beendet war. Dabei hatten sie auch ohne das Papier Anspruch auf Kindergeld.

Dass es einfacher und schneller gehen kann, beweist das Finanzamt. Auch in der Steuererklärung müssen Eltern nachweisen, dass ihnen Kinderfreibeträge zustehen. Während die Familienkasse noch ­Belege nachforderte, hatte das Finanzamt längst im Steuerbescheid die Kinderfreibeträge berücksichtigt.

So kam es in mehreren Fällen zu der ­paradoxen Situation, dass die Familienkasse das Kindergeld zwar abgelehnt hat, das Finanzamt aber die Kinderfreibeträge für den Nachwuchs anerkannt hat. Dann unterstellt das Finanzamt automatisch, dass die Eltern Kindergeld erhalten haben – egal, ob die Familienkasse es gezahlt hat.

Keine bürgerfreundliche Behörde

Das mühsame Verfahren mit der Familienkasse ließ sich in unserem Test auch nicht abkürzen. Den zuständigen Bearbeiter ans Telefon zu bekommen, war so gut wie ausgeschlossen. Entweder war ständig besetzt, wie bei den Kassen Neubrandenburg und Brühl, oder die Mitarbeiter erteilten Auskünfte, die nicht weiterhalfen.

Meist wurden die Eltern an das Servicecenter verwiesen. Doch auch dort kamen sie nicht weit. Die Mitarbeiter beantworteten nur allgemeine Fragen, weil sie die Unterlagen nicht parat hatten. Wann mit der Zahlung des Kindergeldes zu rechnen ist, konnte niemand sagen.

Eltern, die bei der Familienkasse Schwerin nach wochenlangem Warten fragten, woran es hakt, erhielten zur Antwort: „Sie erkennen am Kontoauszug, ob Kindergeld bewilligt wurde. Wenn noch Unterlagen fehlen, schreiben wir Sie an.“

Und das tun sie gewiss. Während die ­Finanzämter im Zuge der elektronischen Steuererklärung immer mehr auf Einzelbelege verzichten, fordern Bearbeiter der Familienkassen reichlich Papier an.

Dabei könnten sie nach ihren Anweisungen auch einfach „den Angaben des Kindergeld-Berechtigten Glauben schenken“. Das dürfen sie, „wenn nicht ... Umstände ... darauf hindeuten, dass seine ­Angaben falsch und unvollständig sind ...“ Es könnte also recht schnell gehen.

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Sandra068 am 17.12.2019 um 14:57 Uhr
Es ist eine bodenlose Frechheit

Ich habe wie die letztem Jahre auch Kindergeld beantragt, jedes mal musste ich einen Bogen zum Job Center geben, die das ausfüllen mussten.
Nun gut, ich gehe natürlich davon aus, das das Job Center das alles richtig ausfüllt, da ich ja nicht die einzige bin und die tausende davon ausfüllen müssen.
Letztes Jahr 2018 wieder und der Herr beim Job Center schickte wie immer den Beleg zu den ich nun zur Kindergeldkasse senden musste.Nichts neues also für mich.
Kindergeld bewilligte das Kindergeld darauf hin weiter.
So und nun nach 1 Jahr fällt denen auf, das wir das Kindergeld zu unrecht erhalten haben, da das Job Center den Antrag falsch ausgefüllt hat. Klasse
Aufgefallen ist denen das weil im neuen Antrag meine Tochter eine schulische Ausbildung macht.
Nun fordern die von mir über 2 tausend Euro zurück, da der Fehler beim ausfüllen vom Job Center erst nach knapp 1 Jahr entdeckt wurde.
ich legte Einspruch ein und er wurde abgelehnt.
Was läuft hier verkehrt ?

AC1907 am 23.10.2019 um 11:02 Uhr
Familienkasse -das allerletzte

8 Wochen warte ich schon auf Bearbeitung. Letzte Woche wurde mir dreist ins Gesicht gelogen,das es Anfang der Woche bearbeitet würde.Anfang der Woche sollte es Mitte der Woche auf dem Konto sein und heute wurde mir mitgeteilt das es noch gar nicht bearbeitet wurde und sie jetzt NOCHMAL 10 Tage Zeit zum bearbeiten haben,zum 3x.die erste hat sogar einfach aufgelegt.der ganze Verein besteht nur aus lug und trug und der eine weiß nicht was der andere macht.um da zu arbeiten braucht man sicherlich nicht mal einen Schulabschluss

Profilbild Stiftung_Warentest am 17.08.2017 um 15:49 Uhr
Warten auf KG wegen Abzweigungsantrag

@SamiF: Leider sind uns lange Bearbeitungszeiten auch aufgefallen. Wenn Ihnen unsere Tipps nicht helfen, dann schauen Sie mal im Netzt unter Sozialberatung und suchen Sie sich eine Stelle in Ihrer Nähe aus. (AK)

SamiF am 15.08.2017 um 18:01 Uhr
Warten auf KG wegen Abzweigungsantrag

Ich wohnte bis Ende März 2017 bei einer Pflegefamilie, musste mit Beginn des 19. Lebensjahres dort ausziehen und wohne seitdem bei Verwandten. habe alle Unterstützungsanträge gestellt, auch Kindergeld und warte seit 5 Monaten auf die Bewilligung des KG. Ich habe einen Abzweigungsantrag gestellt weil mein Vater unbekannt und meine Mutter ALG II bezieht, drogenabhängig und unbekannt in Köln lebt. Ich habe das Gefühl, das ist reine Schikane von der Familienkasse. Die melden sich weder auf Emails, Post und auch nicht auf Androhung juristischer Schritte. Hat jemand Ahnung, ob das Erfolg hat oder was ich noch machen kann? Ohne KG kann ich keine Wohnung anmieten und auch kein Bundesausbildungsförderung beantragen. Ich befinde mich übrigens in einer Ausbildung. ich freue mich auf jeden Tipp.

ärger am 24.04.2017 um 15:05 Uhr
Kindergeld für ein behindertes , volljähriges Kind

2015 haben wir Kindergeld beantragt und sollten ein amtsärztliches Gutachten beibringen, es dauerte aber ein halbes Jahr, bis wir endlich einen Termin beim Amtsarzt bekamen. Ich habe dann das Gutachten nachgereicht und sollte einen neuen formellen Antrag auf Kindergeld abgeben. Dann wurde eine Feststellung des GdB , ein ärztliches Gutachten usw. verlangt, wir haben alles eingereicht. Trotzdem wurde das Kindergeld abgelehnt. Ich habe Widerspruch eingereicht. Nun bekam ich ein Schreiben mein Widerspruch ist eingegangen und begründet. Mit gleicher Post bekomme ich von der gleichen Sachbearbeiterin ein Schreiben ich solle den GdB nachweisen und der Facharzt solle bestätigen wie lange die Erkrankung dauert. Eine psychische Erkrankung kann man nicht in eine Zeitspanne abgrenzen. In der Tat das Finanzamt hat mir weil ich Anspruch auf Kindergeld habe, das Kindergeld im LST Jahresausgleich angerechnet. Seit einem Jahr und 4 Monaten kämpfe ich nun mit der Familienkasse, es ist eine Schande.