Falschberatung bei Immobilien Haltet durch!

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Über 300.000 Menschen kauften völlig überteuerte Immobilien. Sie werfen den Banken Betrug vor.

Der Mann trägt Hut und Sonnenbrille. www.Immobilienbetrug.de steht auf seiner Hutkrempe. Betrogen fühlen sich hier alle. Aber sie wollen sich wehren: Gegen den "organisierten Massenbetrug der deutschen Banken". So steht es auf Schildern, die Ankömmlinge hochhalten. Zu Hunderten sind sie am 24. November aus ganz Deutschland in die Lokhalle am Göttinger Hauptbahnhof gekommen. Hier wollen sie von ihrem Anwalt Reiner Fuellmich erfahren, welche Chancen sie haben, ihre als Kapitalanlage gekauften völlig überteuerten Eigentumswohnungen wieder loszuwerden.

Einige sind ganz still. Dabei hat die Veranstaltung noch gar nicht begonnen. Andere sind aufgeregt. Lassen ihrem Frust freien Lauf. "Der hat mich doch reingelegt", schimpft ein Mittvierziger und meint damit einen Bekannten, der ihm 1992 für satte 165.000 Mark ein 35 Quadratmeter großes Studentenapartment in Oldenburg angedreht hat. "Ach was", meint seine Frau, "die Banken sind schuld. Die hätten uns gar keinen Kredit geben dürfen. Ich verstehe nicht, dass die Hypobank etwas finanziert, das nichts wert ist. Das ist doch kriminell."

Dieser Meinung sind hier viele. Sie alle ­ meist Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ­ haben auf das "bankgeprüft" vertraut, mit dem die Vermittler geworben haben. "Die Bank hat uns nicht nur finanziell ruiniert, auch die Belastung für unsere Familien ist enorm", heißt es auf einem Plakat der Interessengemeinschaft Mülheim. 230 der bundesweit etwa 300.000 Geschädigten kauften allein hier eine "Steuersparimmobilie". "Nun droht die Deutsche Bank uns mit Zwangsvollstreckungen und Auflösung unserer zur Sicherung abgetretenen Lebensversicherungen", erzählt die 37-jährige Sekretärin Barbara Altmann. Sie ist mit einem Hausmeister verheiratet und hat einen fünfjährigen Sohn.

Ein Schaubild, angeheftet an ihrem Anorak, schildert den Ablauf des Geschäfts. Ein "Drücker" ­ gemeint ist ein Vermittler der Spektrum GmbH rund um die Anlagehaie Friedbert und Hans-Jürgen Schaul ­ hatte Frau Altmann den Kauf der "bankgeprüften Immobilie" schmackhaft gemacht. Sie müsse sich um nichts kümmern, ein Treuhänder regele alles. Steuervorteile und Mieteinnahmen deckten die Darlehenskosten bis auf 136 Mark. Dieses Konzept garantiere eine solide Altersvorsorge. Zudem lasse sich die Immobilie mit Gewinn verkaufen.

Die Realität sah anders aus. Noch am Sonntag unterschrieb sie einen Notarvertrag und eine Vollmacht für den Treuhänder für den Kauf und die Verwaltung der Immobilie. Was Barbara Altmann nicht wusste: Diese Vollmacht würde sie teuer zu stehen kommen. Denn zusätzlich zum Kaufpreis kamen noch hohe Nebenkosten, darunter versteckte Provisionen von knapp 18,4 Prozent für den Vertrieb. Heraus kam ein Vertrag für eine 20 Quadratmeter große Wohnung in Mülheim für 128.000 Mark.

Heute spürt Barbara Altmann die Folgen: "Ich muss für mein Darlehen 600 Mark zahlen, kriege aber nur 250 Mark Miete."

"Der Staat läßt uns im Stich"

Fast alle hier haben Ähnliches erlebt. Für viele wurde das finanzielle auch zum menschlichen Desaster. "Darüber ist meine Ehe nach 30 Jahren zerbrochen," sagt ein älterer Herr traurig. Er wohne jetzt bei seiner Tochter in Weimar. "Zu Weihnachten droht mir die Zwangsvollstreckung", berichtet eine Frau, die neben ihm steht, und fügt zynisch hinzu: "Wenn Sie das live miterleben wollen, wie das ist, dann kommen Sie doch vorbei." Sie gibt mir ihre Adresse.

Ohnmacht, aber auch Wut macht sich im Saal breit. "Der Staat lässt uns im Stich", werden sich vier Männer an einem Stehtisch schnell einig. Zu viele Prozesse haben die Geschädigten schon verloren. "Die Richter stehen doch alle aufseiten der Banken", vermutet sein Kumpel. Anders können sich die Männer offenbar nicht erklären, warum vor Gericht meist die Banken gewinnen. Über 200 Siege soll allein die Hypovereinsbank errungen haben. Begründung: Sie sei lediglich Kreditgeberin gewesen, mit dem eigentlichen Immobilienkauf habe sie nichts zu tun. Das nennen die Juristen Trennungstheorie.

Doch jetzt verstummen die Gespräche. Reiner Fuellmich kommt in den Saal und greift zum Mikrofon. Für viele hier ist der Jurist die letzte Hoffnung, um aus dem finanziellen Schlamassel herauszukommen. 3.000 Geschädigte vertritt der Anwalt aus Göttingen. Heute macht er den etwa 1.000 Teilnehmern in der Lokhalle Mut. "Wir stehen heute deutlich besser da als vor einem Jahr. Die Trennungstheorie ­ ohnehin völlig lebensfremd ­, sie kippt! Wir können jetzt anhand bankinterner Unterlagen der Hypobank beweisen, dass die Koppelung von Wohnungsverkauf und Darlehensgeschäft zwischen Bank und Drückern abgesprochen war", sagt Fuellmich. "Aber uns gegenüber streiten die Banken alles ab", sagt der Mann neben mir.

Zum Beweis zeigt der Anwalt Schreiben hoher Banker mit Anweisungen an die Vertriebe. Wie man die Beleihungsgrenzen für Immobilien auf 180 Prozent hochtreibe und wie die Banken bis zu 50 Prozent versteckte Provisionen auf die Kaufpreise aufgeschlagen haben.

Dann erklärt Fuellmich, dass die Hypovereinsbank Kunden, die ihre Kreditraten nicht mehr zahlen können, in die Zwangsversteigerung treibe und dann selbst die Wohnungen ersteigere. "Für einen Apfel und ein Ei, über Strohmanngesellschaften wie zum Beispiel die Merian GmbH, die im Eigentum der Plan Trade steht, einer 98-prozentige Tochter der Hypo."

Empörung im Saal. Immer wieder ungläubiges Kopfschütteln. "Warum verurteilen die Gerichte diese Verbrecher nicht?", ruft ein Zuhörer resigniert.

"Der elfte Senat eiert rum, ein reiner Bankensenat", erklärt Fuellmich. Er spricht vom 11. Senat des Bundesgerichtshof. Der vertrete knallhart die Trennungstheorie. So auch die Gerichte in München, Sitz der Hypovereinsbank. "Wir müssen weg aus München, es versteht ja kein Mensch, warum die bei der Beweislage gegen uns entscheiden", redet sich der Anwalt in Rage. Seine Anwaltskollegen Eberhard Ahr, Peter Ausborn, Volker Gallandi auf dem Podium nicken zustimmend.

Aber wie? Fuellmich hat einen Tipp parat. "Stellen Sie die Zahlungen an die Bank ein, lassen Sie sich verklagen. Dann muss die Bank dort klagen, wo Ihre Immobilie ist oder wo Sie wohnen. Da haben wir bessere Karten."Erste Siege habe man errungen. Beim Landgericht Darmstadt und beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Das OLG verurteilte die Commerzbank, einem Anleger den vollen Schaden zu ersetzen. Genüsslich zitiert Fuellmich aus dem Urteil, das der Commerzbank bescheinigt, die Absahnerei von Anlegern unterstützt zu haben.

Frenetisches Klatschen. Endlich mal eine gute Nachricht. Gut soll auch die anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Haustürwiderrufgesetz (HWiG) werden. Danach könnten Immobiliendarlehen, die Verbrauchern zu Hause aufgeschwatzt wurden, noch Jahre später wiederrufen werden. Das würde vielen hier im Saal helfen. "Halten Sie durch. Wir haben gute Chancen!", gibt Fuellmich den Opfern mit auf den Heimweg. Ob das auch für Barbara Altmann gilt, ist ungewiss.

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