Anleger haben in der Finanzkrise heftig verloren. Viele geben Anlagefirmen, Banken und Beratern die Schuld an ihren Verlusten. Finanztest sagt, wann sich Klagen auf Schadenersatz lohnen.
Anlegeranwälte haben in diesen Tagen viel zu tun. Seit dem Beginn der Finanzkrise melden sich bei ihnen immer mehr frustrierte Verbraucher. Ihr Berater, ihre Bank, ihre Anlagefirma habe sie betrogen, sagen sie. Deshalb wollen sie Schadenersatz.
Eine Klage hat aber nur Erfolg, wenn Anleger beweisen können, dass eine Beratung falsch, ein Anlageprospekt fehlerhaft war oder eine Provision verheimlicht wurde. Sonst kommen zu den Verlusten auch noch erhebliche Prozesskosten hinzu.
Gute Aussichten, verlorenes Geld zurückzuholen, haben nach Ansicht von Rechtsanwalt Ullrich Husack in Hamburg etwa Petra Berg* und Helmut Wirth*. Sie verloren rund 15 000 Euro mit einem „Dresdner Alpha Express Zeritifikat II“, das sie im Mai 2007 für knapp 35 000 Euro gekauft hatten.
Als attraktiv und sicher hatte die Leiterin der Dresdner-Bank-Filiale in Lokstedt bei Hamburg das Papier geschildert und es dem Paar als Alternative zu ihren bestehenden Geldmarktfonds angeboten.
Dass es bei diesem Alpha-Zertifikat aber um eine Art Wette auf verschiedene Kursverläufe von Börsenindizes geht, erfuhr das Paar nicht. Ebenso wenig erklärte die Beraterin, dass die Anleger selbst bei einer positiven Entwicklung eines Indexes einen Totalverlust erleiden könnten.
Gleich nach dem Erwerb verlor das Papier kontinuierlich an Wert. Verärgert verkaufte das Paar es für 22 000 Euro im Dezember 2007 und forderte von der Bank Schadenersatz. Doch die Dresdner Bank wollte nicht zahlen. Sie habe anleger- und sachgerecht beraten.
Aufklärungspflichten verletzt
Berg und Wirth klagten und bekamen vor dem Landgericht in Hamburg in erster Ins-tanz recht. Die Beraterin habe ihre Aufklärungspflichten verletzt, weil sie weder die Funktionsweise des Zertifikats noch dessen Risiken genau erklärt habe, urteilten die Richter (Az. 318 O 4/08).
Die von der Bank festgestellte „mittlere Risikobereitschaft“ der Kunden, die mit Kenntnissen im Bereich Aktien und Fonds begründet werde, passe nicht zum Erwerb von Zertifikaten, erklärte das Gericht. Hier handele es sich um eine „völlig andere Anlageform“. Zertifikate seien reine Spekulationspapiere mit Wettcharakter, entschied das Gericht und verurteilte die Bank zu Schadenersatz in Höhe von rund 12 000 Euro plus 4 Prozent Zinsen. Die Dresdner Bank sieht das anders. Sie hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Provisionen verheimlicht
Für Finanztest-Leser Hans Simonis hat sich der Weg zum Anwalt gelohnt. Weil ihm im Verkaufsgespräch Provisionen verschwiegen wurden, die die Sparkasse Koblenz für die Vermittlung eines Zertifikats kassierte, verurteilte das Landgericht Koblenz die Sparkasse zu Schadenersatz. Das Urteil ist rechtskräftig (Az. 3 O 457/07). Den Verlust machte Simonis mit einer „Zins-Hamster-Anleihe“ der Landesbank Baden-Württemberg, die ihm seine Beraterin empfahl.
Zunächst schien alles in Ordnung. Doch dann kam 2007 ein Brief der Sparkasse. Trübe seien die Zinsaussichten im Euroraum, schrieb seine Beraterin. Deshalb sei es in seinem Interesse, wenn er die 2005 für 40 000 Euro gekaufte „Zins-Hamster-Anleihe“ in eine andere Anleihe umtausche.
Simonis weigerte sich und beauftragte die Sparkasse mit dem Verkauf der Anleihe. Gerade mal 33 580 Euro erhielt er zurück. Dann erfuhr er, dass die Sparkasse von der Herausgeberin der Anleihe, der Landesbank Baden-Württemberg, 1 600 Euro „Bonifikation“ für den Verkauf kassiert hatte. „Ich hätte die Anleihe nie gekauft, wenn ich das gewusst hätte“, erklärt Simonis.
Über seinen Anwalt Andreas Tilp forderte er die Sparkasse auf, ihm seinen Schaden zu ersetzen. Doch die weigerte sich. Simonis habe die Verluste selbst verschuldet, weil er die Anleihe vor dem Fälligkeitstermin verkauft habe. Das sahen die Richter am Landgericht Koblenz völlig anders. Weil die Beraterin die Provisionen verschwiegen habe, hätte Simonis nicht beurteilen können, ob die Bank das Papier nur empfahl, weil sie selbst daran verdiente.
Haftung für Fehler im Prospekt
Bereits Schadenersatz zugesprochen bekamen Ende Mai sechs Anleger, die Anteile am DG Immobilienfonds Nr. 35 bei der DZ-Bank-Tochter DG-Anlage gezeichnet hatten. Der Emissionsprospekt des Fonds, an dem sich Mitte der 90er Jahre 2 800 Anleger beteiligten, sei in zwei Punkten fehlerhaft, urteilten die Richter am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Az. 23 U 69/07; 23 U 160/07; 23 U 161/07; 23 U 162/07; 23 U 163/07; 23 U 212/07).
Im Prospekt werde nicht deutlich, dass eine Bankbürgschaft die Ansprüche auf eine Mietgarantie für eine Fondsimmobilie in Berlin nicht voll abdecke. Unklar bleibe auch, in welchem Umfang Anlegergeld für Verwaltungskosten eingesetzt wurde, die nicht dem Anlageobjekt zugute kamen, urteilte das OLG.
Andere Anleger der von der DZ-Bank vertriebenen DG-Fonds Nr. 32, 37 und 39 hatten weniger Glück. Ihre Berufungen gegen Urteile des Landgerichts Frankfurt wurden vom OLG aus Mangel an Beweisen zurückgewiesen (Az. 23 U 61/07; 23 U 69/07; 23 U 109/08; 23 U 110/08). Das OLG ließ jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof zu.
Weniger Premiere-Abos als gedacht
Rainer Spiegl aus Mainburg glaubt, dass er genügend Beweise hat, um den Bezahlfernsehsender Premiere auf Schadenersatz verklagen zu können. Er kaufte im Jahr 2007 über 272 Aktien des Senders für 4 346 Euro. Die Papiere sind heute nur noch um die 800 Euro wert.
Gleich in zwei Verkaufsprospekten habe Premiere behauptet, über 3,25 Millionen Abonnenten mit stetig steigender Tendenz zu haben, erklärt Spiegl. „Im Vertrauen auf die Schlagkraft des Unternehmens habe ich dann die Aktien gekauft.“
Erst eine Sofortmitteilung des Unternehmens im Oktober 2008 habe ihm die Augen geöffnet, sagt Spiegl. Dort räumte der Sender plötzlich ein, gerade mal 2,4 Millionen Abonnenten zu haben. Zuvor habe man 940 000 Abonnenten mitgezählt, die ihr Abonnement bereits beendet oder nie aktiviert hatten.
Nachdem Spiegl die Premiere AG in Unterföhring bei München vergeblich aufforderte, seine Aktien zurückzunehmen, hat sein Anwalt, Franz Braun von CLLB Rechtsanwälte in München, jetzt Klage erhoben. Er fordert den für die Aktien bezahlten Betrag plus 5 Prozent Zinsen als Schadenersatz. Ob die Klage Erfolg haben wird, entscheidet sich frühesten im Herbst dieses Jahres. Dann wird der Fall in München verhandelt.
Ohne Kosten klagen
Spiegl kann stressfrei klagen. Er ist rechtsschutzversichert und seine Versicherung übernimmt die Kosten. Das ist bei Tausenden Geschädigten der Finanzkrise anders.
Zwar sind etwa 30 000 Geschädigte der US-Bank Lehman Brothers in Interessenvertretungen organisert. „Klagen tun aber nur einige Hundert, weil ihnen das Geld für eine Klage fehlt“, erklärt Marek Brükner.
Brükner, selbst Opfer, hat die Initiative Lehman-Geschädigte der Citibank (citiprivatbank-opfer@web.de) gegründet, die etwa 15 Stammtische für Betroffene betreibt.
„Vor allem viele Ältere, die mit Lehman-Zertifikaten ihre Ersparnisse verloren haben, lassen sich in der Not auf die schlechten Vergleichsangebote von Sparkassen und Banken ein“, sagt Brükner. „Wir suchen deshalb nach Prozessfinanzierern. Dann können die Leute auch ohne Geld klagen.“
Prozessfinanzierer verpflichten sich vertraglich, sämtliche Kosten eines Verfahrens zu tragen. Nur wenn der Anleger vor Gericht gewinnt, muss er einen Teil des Erlöses an den Finanzierer zahlen.
Lange können Geschädigte nicht mehr warten. Ihre Ansprüche verjähren drei Jahre nach dem Kauf der Papiere.
*Namen von der Redaktion geändert.
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