
Eine hochwertige Vollformatsystemkamera für extrem günstige 250 statt für rund 1 500 Euro, der Kaffeevollautomat zum halben Preis: Wer solche Angebote im Amazon Marketplace, dem Händlerportal des Onlinekaufhauses, entdeckt, sieht sehr wahrscheinlich Betrügern bei der Arbeit zu. Sie versuchen, Kunden in die Falle zu locken. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht – und bei verdächtigen Shops bestellt.
Immer bestehen die Händler auf Vorkasse
Die Masche ist immer dieselbe: Die günstigen Preise ziehen Interessenten an. Der Händler verlangt, ihn per E-Mail zu kontaktieren, statt die Kamera oder die Kaffeemaschine über den Amazon-Warenkorb zu bestellen. „Für alle Details und Bestellungen – Schreiben Sie uns“, heißt es auf der Seite zum Beispiel. Per Mail bestätigt der Händler dann die Bestellung und verlangt Zahlung per Vorkasse. Wer sich darauf einlässt, sieht in der Regel weder das Geld wieder noch die vermeintlich bestellte Ware.
Drei Bestellungen, keine Ware
Bis heute haben wir keinen der Artikel erhalten, die wir bei verschiedenen verdächtigen Shops bestellt hatten. Auf unserem Wunschzettel standen die für 250 Euro versprochene Vollformatsystemkamera Nikon D610, die sonst um die 1 500 Euro kostet, die Espressomaschine Classika II von ECM für 254 statt für fast 1 000 Euro und der Kaffeevollautomat Melitta E970-205 für 317 Euro statt für mehr als 600 Euro. Das Geld für den Kaffeevollautomaten und die Kamera ist weg. Die Espressomaschine bestellten wir, anders als vom Händler verlangt, nicht per E-Mail, sondern über den Amazon-Warenkorb. Weil der Händler gegenüber Amazon den Versand der Maschine nicht bestätigte, hat Amazon die von uns angegebene Kreditkarte nicht belastet – immerhin.
Amazon scheint überfordert
Die anderen beiden Fälle meldeten wir dem Amazon-Kundenservice. Dort sagte man unserem Testkäufer, Amazon sei nicht zuständig und schickte uns zur Polizei. Begründung: Es handele sich nicht um einen offiziellen Kauf über Amazon. Wir wollten daraufhin wissen, wie sich Händler bei der Anmeldung im Marketplace identifizieren müssen und welche Kontrollmechanismen Amazon anwendet, um Betrügern keine Plattform zu bieten. Die Antwort fiel oberflächlich aus: „Eine sichere Einkaufsumgebung für Käufer und Verkäufer hat für Amazon oberste Priorität und wir haben diesbezüglich Prozesse zum Schutz unserer Kunden etabliert.“ Welche Prozesse das genau sind, wie häufig betrügerische Shops gelöscht werden und auf welchen Wegen Amazon von ihnen erfährt, teilte uns das Unternehmen trotz mehrfacher Nachfrage nicht mit. Amazon duckt sich weg, scheint das Problem nicht im Griff zu haben.
Keine Auskunft über Löschungen
Im Nutzerforum von Amazon berichten Kunden von unterschiedlichen Erfahrungen, nachdem sie ein unseriöses Angebot gemeldet hatten. Manche schreiben, der Laden sei schnell geschlossen worden. Andere monieren, dass nach fünf Tagen ein unseriöser Shop immer noch existierte. Uns wollte das Portal nicht sagen, wie schnell es unseriöse Angebote löscht.
Schaden in Millionenhöhe
Der Betrug über falsche Onlineshops hat besonders vor Weihnachten Hochkonjunktur. Allein in Rheinland-Pfalz entstand laut Landeskriminalamt 2015 ein Schaden von zirka 1,6 Millionen Euro. Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst 2015 für Deutschland fast 75 000 Fälle von Warenbetrug im Internet, zu denen auch Fakeshops gehören. Die Verbraucherzentralen und Ermittlungsbehörden warnen regelmäßig vor den Betrügern. Das Bundeskriminalamt spricht von einem „Massenphänomen, das die Strafverfolgungsbehörden vor große Herausforderungen stellt“. Die Ermittler können die Verbrecher kaum zurückverfolgen. Manche Shops bestehen nur wenige Stunden, andere mehrere Wochen.
So fallen Sie nicht herein
Eigene Skepsis ist gefragt, besonders wenn Artikel zu extrem günstigen Preisen angeboten werden. Außerdem sollten Kunden niemals per Vorkasse bezahlen. Bietet der Händler keine seriösen Zahlungsmittel wie Lastschrift, Kreditkarte oder Paypal an, heißt es: Finger weg. Verdächtig ist es immer, wenn der Händler verlangt, ihn per E-Mail zu kontaktieren und den Kauf nicht über den Amazon-Warenkorb abwickeln will. Kunden sollten sich also nicht von vermeintlichen Schnäppchen blenden lassen. Auch zur Weihnachtszeit haben die wenigsten Händler etwas zu verschenken.
Tipp 1

Nicht locken lassen. Mit sehr günstigen Preisen verleiten Betrüger Kunden zum Kauf. Eine Kamera, die fast 1 500 Euro kostet, gibt es selten für 250. Skepsis ist angesagt. Mit ziemlicher Sicherheit ist es ein Schwindel-Angebot.
Tipp 2

Nicht auf Bewertungen hereinfallen. Positive Bewertungen sollen Sicherheit vorgaukeln, können aber auch gefälscht sein. Kunden sollten den Shop googeln. Gibt es Warnungen von anderen Nutzern, heißt es: Finger weg.
Tipp 3

Warenkorb nutzen. Kunden sollten immer über den Warenkorb bestellen. Handelt es sich um einen betrügerischen Shop, liefert er zwar keine Ware, Amazon bucht aber auch kein Geld ab.
Tipp 4

Keine Vorkasse. Die Betrüger wollen eine Bestellung per E-Mail und Zahlung per Vorkasse. Nicht darauf einlassen – das Geld ist in aller Regel weg. Ein weiteres Indiz für Schwindel: Wenn der Händlername eine E-Mail-Adresse ist.