Fahr­rad

Fahr­radschaltungen: So kommen Sie am besten voran

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Fahr­rad - Das große Technik-Special

Bequem: Diese elektronische Schaltung von Sram funk­tioniert per Tastenberührung. © www.sram.com | pd-f

Gang­schaltungen ermöglichen es, die Über­setzung während der Fahrt zu wechseln. Hier stellen wir die verschiedenen Schaltungs­typen vor.

Ketten- oder Naben­schaltung?

Im Fahr­radbau haben sich zwei Schaltungs­typen durch­gesetzt: Ketten­schaltungen und Naben­schaltungen. Das Pinion­getriebe im Tret­lager stellt eine Sonderform der Naben­schaltung dar. Für welche Schaltung man sich entscheidet, ist eine Frage des Einsatz­zwecks des Fahr­rads. Naben­schaltungen sind etwas für Fahrer, die Bequemlich­keit lieben und denen es nicht so sehr auf das Gewicht ankommt. Ketten­schaltungen sind leichter, sport­licher und preis­werter.

Fahr­radschaltung: Eine Frage der Über­setzung

Schaltungen ermöglichen dem Fahrer, die Kraft seiner Beine den Umge­bungs­verhält­nissen anzu­passen. Dazu hat fast jedes Fahr­rad ein vorderes Kettenblatt mit mehr Zähnen als der Zahn­kranz oder die Naben­schaltung am Hinterrad. Bei gängigen Alltags­rädern mit drei Kettenblättern werden vorne in der Regel 48/36/26 Zähne verbaut, hinten findet man meist Kassetten mit 11 bis 32 oder gar 34 Zähnen.

Die Über­setzung errechnen

Aus dem Verhältnis der Zähnezahl vorne und der Zähnezahl hinten ergibt sich die jeweilige Über­setzung. Wenn die Kette vorne auf dem großen Kettenblatt mit 48 Zähnen liegt und hinten auf einem Zahn­kranz mit 11 Zähnen, so wäre die Über­setzung 48:11 = 4,36. Das heißt, bei einer Umdrehung des Ketten­blatts dreht sich das hintere Laufrad 4,36 mal. Wenn man vorne das kleinste Kettenblatt und hinten die größte Kassette mit 34 Zähnen verwendet, so wäre die Über­setzung in unserem Beispiel 26:34 = 0,76.

Die Entfaltung berechnen

Aus den beiden Quotienten kann man auch errechnen, wie weit man jeweils mit einer Kurbel­umdrehung kommt. Man multipliziert die Zahl mit dem Radumfang. Bei einem 28-Zoll-Rad beträgt er je nach Reifen­profil etwa 210 Zenti­meter. Mit der großen Über­setzung würde man folg­lich bei einer Umdrehung 4,36 x 210 = 9,15 Meter zurück­legen. Mit der kleinsten Über­setzung wären es nur 1,52 Meter.

Ketten­schaltung: Preis­wert und wirkungs­voll

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Die „Force eTap AXS“ von Sram ist eine kabellose Schalt-Brems-Gruppe, deren Schalt­befehle per Funk über­tragen werden. © www.pd-f.de / Kay Tkatzik

Sie ist die am weitesten verbreitete Schaltung und hat den besten Wirkungs­grad von 95–97% – das heißt, so viel der aufgebrachten Muskel­kraft kommt am Hinterrad an. Eine Ketten­schaltung besteht aus der Tretkurbel mit einem, zwei oder drei Kettenblättern, einem Umwerfer vorne, der Kette und einer Kassette mit mehreren Zahnrädern am Hinterrad.

Kettenblätter

Ältere Fahr­räder haben noch Dreifachkurbeln mit 50/39/30 Zähnen, bei Cityrädern sind es heute meist 48/36/26 Zähne. An Renn­rädern findet man oft Kompakt­kurbeln mit 50/34 Zähnen. Mountain­bikes haben spezielle Kettenblätter mit noch geringerer Zähnezahl. Hier findet man auch oft die relativ neue Über­setzung mit einem Kettenblatt und 12 Gängen.

Schalt­werk

Am Hinterrad sorgt das Schalt­werk dafür, dass die Kette immer gut gespannt ist und auf die Zahn­kränze umge­legt wird. Die Kassette kann zwischen 7 und 12 Zahn­kränze mit 11 bis 34 Zähnen umfassen. An Mountain­bikes setzt sich immer mehr ein Kettenblatt vorne und ein Ritzelpaket mit 12 Zahn­kränzen und bis zu 50 Zähnen am Hinterrad durch. Campagnolo hat jüngst eine Renn­radschaltung mit 13 Zahn­kränzen heraus­gebracht. An normalen Alltags­rädern sind heute 10 bis 11 Zahn­kränze üblich. Bei einer Dreifachkurbel hätte man damit theoretisch 30 bzw. 33 Gänge. In der Praxis stimmt das aber nicht ganz, weil sich manche Gänge über­schneiden beziehungs­weise wegen des zu großen Schräg­laufs der Kette nicht nutz­bar sind.

Vorteile

Nachteile

  • hoher Wirkungs­grad
  • preis­wert
  • feine Abstufungen
  • die Zahn­kränze lassen sich leicht auswechseln
  • Hinterrad­ausbau einfach
  • Wartungs­aufwand höher als bei Naben­schaltung
  • Verschleiß: Je nach Witterung hält eine Kette nur maximal 5000 km (dann sollte auch die Kassette gewechselt werden)
  • Schalten nur bei Tritt in die Pedale möglich, nicht im Stand
  • das hintere Schalt­werk ist bei Stürzen oder Fahrten im Gelände gefährdet, etwa durch Äste und Steine

Naben­schaltung: Wartungs­arm und wetter­fest

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Eine Naben­schaltung im Hinterrad ist wartungs­arm und geschützt gegen Witterungs­einflüsse © www.pd-f.de / Thomas Geisler

Eine Naben­schaltung ist gekapselt in der Hinterradnabe unterge­bracht und vor Witterungs­einflüssen geschützt. Zahnräder werden gegen­einander verschoben, sodass unterschiedliche Über­setzungs­verhält­nisse entstehen. Die Band­breite reicht von 3 Gängen bei der klassischen „Torpedo-Nabe“ von Fichtel & Sachs über die 14 Gänge in der Rohloff-Nabe bis hin zur stufenlosen Naben­schaltung der Marke Enviolo. Gerne werden Naben­schaltungen mit wartungs­armen Zahn­riemen gekoppelt.

Vorteile

Nachteile

  • kaum Verschleiß, Zahnräder laufen gekapselt im Ölbad
  • kann im Stand geschaltet werden (praktisch an der Ampel)
  • wartungs­arm
  • Kette kann in Schutz­hülle laufen
  • kann mit wartungs­armen Riemen betrieben werden
  • wiegt etwas mehr als eine Ketten­schaltung – und ist auch etwas teurer
  • Ausbau des Hinterrads aufwendiger
  • höhere Reibungs­verluste

Naben­schaltungen an E-Bikes

Das hohe Drehmoment von leistungs­starken Motoren können Naben­schaltungen nur schwer verkraften. Wenn an E-Bikes Naben­schaltungen verwendet werden, ist die Motor­kraft deshalb meist auf etwa 50 Newton­meter gedrosselt. Ausnahmen sind die Rohloff-Nabe und das Enviolo-Getriebe. Für Motoren mit 80, 90 Newton­metern sind Mittel­motoren und eine Ketten­schaltung besser geeignet. Sie kann das hohe Drehmoment besser verkraften.

Naben­schaltung und Zahn­riemen

Wartungs­arme Zahn­riemen sind bei E-Bikes mit Naben­schaltung auch im Einsatz. Wegen des starken Drehmoments ist das nur bei dem Pinion-Getriebe, der Rohloff-Nabe und der Enviolon-Nabe möglich. Der Fahr­radrahmen muss zudem ein Schloss haben, damit der Riemen angebracht werden kann. Erst seit kurzem ist ein offenes Riemenmodell der US-Firma Veer auf dem Markt, das mit drei Pins geschlossen wird. Zahn­riemen müssen gelegentlich nachgespannt werden. Das funk­tioniert mit einem verstell­baren Ausfallende oder einer exzen­trischen Lagerung der Tretkurbel.

Vorteile

Nachteile

  • geräusch­arm und fast wartungs­frei
  • halten bis zu 30 000 Kilo­meter
  • mit rund 80 Euro teurer als eine Kette (25 Euro)
  • nicht nach­rüst­bar, da der Rahmen ein Rahmenschloss erfordert. Ein Fahr­rad mit Riemen­antrieb ist rund 200 Euro teurer als eins mit Ketten­schaltung
  • gerissene Riemen müssen getauscht werden – bei der Kette lassen sich einzelne Glieder austauschen

Auto­matische Naben­schaltung

Eine spezielle Form der Naben­schaltung stellt das Enviolo-Getriebe dar. Es ist ein stufenloses Getriebe im Hinterrad. Bei den einfacheren Varianten verstellt der Fahrer die Über­setzung stufenlos von Hand, beim Topmodell geschieht das auto­matisch: Der Fahrer stellt nur seine bevor­zugte Tritt­frequenz ein, das Getriebe stellt dazu je nach Gelände die passende Über­setzung bereit. Gerade die auto­matische Enviolo-Nabe sorgt für ein sehr angenehmes Fahr­verhalten.

Tret­lager­schaltung – der Über­setzungs­welt­meister

Ein Schalt­getriebe im Tret­lager sitzt an der tiefst­möglichen Stelle in der Fahr­radmitte und sorgt so für eine Verbesserung von Schwer­punkt und Gewichts­verteilung. Es ersetzt eine wartungs­intensive Ketten­schaltung und ist auch mit einem Zahn­riemen kombinier­bar.

Pinion-Getriebe

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Gute Kombi für den Radall­tag: Pinion-Schalt­getriebe und Gates-Carbon­riemen sorgen für wartungs­freies Schalten. © www.mtbcycletech.com | pd-

Seit 2018 ist das Pinion-Getriebe auf dem Markt und hat sich in dieser Zeit eine Ausnahme­stellung erobert. Es bietet mit bis zu 18 Gängen ein Über­setzungs­verhältnis von 636 Prozent und über­trifft damit auch Ketten­schaltungen, die auf 540 Prozent kommen.

Es gilt in der Fach­welt als Krönung des filigranen Getriebebaus an Fahr­rädern. Die Topversion kostet rund 1 400 Euro – gute Trekkingräder knacken damit leicht die 3 000-Euro-Marke. Die etwas preis­werteren Modelle werden an Mittel­klasse-Fahr­rädern um die 2 000 Euro verbaut. Der Nachteil ist: Für das Pinion-Getriebe braucht man einen passenden Rahmen. Es kann daher nicht nachgerüstet werden.

Schlumpf-Getriebe

Das schweizerische Schlumpf-Getriebe ist ein Planetengetriebe, das rechts zwischen Tret­lager und Kettenblatt angebracht werden kann. Es wird per Kick mit der Ferse geschaltet und erweitert die Über­setzungs­band­breite je nach Variante enorm ins Lang­samere oder Schnel­lere – fristet allerdings im Massenmarkt ein Nischendasein.

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Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

thomas.engelhardt am 19.06.2022 um 21:06 Uhr
Nabenmotor kann rekuperieren

Beim Vergleich der Motortypen fehlt beim Nabenmotor als Vorteil die Möglichkeit, bei Bergabfahrten Energie in den Akku zurück zu speisen. Hier wäre insgesamt mal eine genauerer Vergleich zwischen der Effizienz eines Mittelmotors und eines Hinterrad Nabenmotors interessant gewesen. So fehlt meines Wissens bei den Hinterradnaben Motoren (Gudereit e-13) die Möglichkeit, dass beim Bremsen zunächst automatisch rekuperiert wird, bis die gewünschte Verzögerung nicht mehr allein durch das rückspeisen des Motors geleistet werden kann. Andererseits entfallen beim Nabenmotor die Verluste über den Antriebsstrang, hier wäre die Frage wie vor diesem Hintergrund das geringere Drehmoment des Nabenmotors zu bewerten ist.

Profilbild Stiftung_Warentest am 30.05.2022 um 13:20 Uhr
Über­setzungs­verhältnis

@Danke_für_den_Fisch: „Übersetzungsverhältnis“ ist umgangssprachlich nicht falsch und wird daher häufig verwendet, um den Unterschied zwischen kleinstem und größtem Gang anzugeben.

Danke_für_den_Fisch am 26.05.2022 um 21:52 Uhr
Rechtschreibung

Sollte es nicht "Übersetzungsbandbreite" anstelle von "Über­setzungs­verhältnis" heissen?

minellikari am 09.05.2021 um 13:21 Uhr
Es ist Geschmacksache. Mein Geschmack: Nabenmotor

Persönlich würde ich meinen Nabenmotor nicht gegen einen Mittelmotor eintauschen. Auch nicht bergauf (ich wohne in einer Stadt in den Voralpen, es ist nirgends flach).
Namentlich die Aussage im Beitrag: "das Fahr­gefühl ähnelt sehr stark dem bei einem konventionellen Fahr­rad" kenne ich selbst nur vom Nabenmotor, und nicht von den Mittelmotoren, die ich bis jetzt getestet habe. Ich kenne natürlich nicht alle. Jene Vielfahrer e-Biker, die ich kenne, die täglich bis zu 60km fahren, sind alle auf Nabenmotoren umgestiegen und wollen nicht mehr zurück.
Was ich übrigens nicht zu vernachlässigen finde, ist die Energierückgewinnung. Ich habe oft gelesen, sie nütze wenig.Mir hilft sie zu geschätzt 20-30% mehr Reichweite, natürlich nur im unebenen Gelände. Und gezielt eingesetzt. Es geht dann halt weniger flott bergab...
PS: Bitte keine überbordenden Emotionen in den Antworten. Es geht ja auch freundlich, sachlich und unpersönlich 👍 🤗

B.Klaas am 16.03.2021 um 09:53 Uhr

Kommentar vom Autor gelöscht.