Fahrradschaltungen: So kommen Sie am besten voran

Bequem: Diese elektronische Schaltung von Sram funktioniert per Tastenberührung.
Kurbel, Kette, Kettenrad und Ritzel übersetzen die Beinkraft des Fahrers in Vortrieb. Am besten kommen Radler bei 70 bis 90 Pedalumdrehungen pro Minute voran. Je nach Steigung, Fahrbahn und Windrichtung sind deshalb unterschiedliche Übersetzungen sinnvoll. Gangschaltungen ermöglichen es, die Übersetzung während der Fahrt zu wechseln. Hier stellen wir die verschiedenen Schaltungstypen vor. In unserem Handbuch Fahrrad und E-Bike werden alle Komponenten eingehend erklärt.
Ketten- oder Nabenschaltung?
Im Fahrradbau haben sich zwei Schaltungstypen durchgesetzt: Kettenschaltungen und Nabenschaltungen. Das Piniongetriebe im Tretlager stellt eine Sonderform der Nabenschaltung dar. Für welche Schaltung man sich entscheidet, ist eine Frage des Einsatzzwecks des Fahrrads. Nabenschaltungen sind etwas für Fahrer, die Bequemlichkeit lieben und denen es nicht so sehr auf das Gewicht ankommt. Kettenschaltungen sind leichter, sportlicher und preiswerter.
Fahrradschaltung: Eine Frage der Übersetzung
Schaltungen ermöglichen dem Fahrer, die Kraft seiner Beine den Umgebungsverhältnissen anzupassen. Dazu hat fast jedes Fahrrad ein vorderes Kettenblatt mit mehr Zähnen als der Zahnkranz oder die Nabenschaltung am Hinterrad. Bei gängigen Alltagsrädern mit drei Kettenblättern werden vorne in der Regel 48/36/26 Zähne verbaut, hinten findet man meist Kassetten mit 11 bis 32 oder gar 34 Zähnen.
Die Übersetzung errechnen
Aus dem Verhältnis der Zähnezahl vorne und der Zähnezahl hinten ergibt sich die jeweilige Übersetzung. Wenn die Kette vorne auf dem großen Kettenblatt mit 48 Zähnen liegt und hinten auf einem Zahnkranz mit 11 Zähnen, so wäre die Übersetzung 48:11 = 4,36. Das heißt, bei einer Umdrehung des Kettenblatts dreht sich das hintere Laufrad 4,36 mal. Wenn man vorne das kleinste Kettenblatt und hinten die größte Kassette mit 34 Zähnen verwendet, so wäre die Übersetzung in unserem Beispiel 26:34 = 0,76.
Die Entfaltung berechnen
Aus den beiden Quotienten kann man auch errechnen, wie weit man jeweils mit einer Kurbelumdrehung kommt. Man multipliziert die Zahl mit dem Radumfang. Bei einem 28-Zoll-Rad beträgt er je nach Reifenprofil etwa 210 Zentimeter. Mit der großen Übersetzung würde man folglich bei einer Umdrehung 4,36 x 210 = 9,15 Meter zurücklegen. Mit der kleinsten Übersetzung wären es nur 1,52 Meter.
Kettenschaltung: Preiswert und wirkungsvoll

Die „Force eTap AXS“ von Sram ist eine kabellose Schalt-Brems-Gruppe, deren Schaltbefehle per Funk übertragen werden.
Sie ist die am weitesten verbreitete Schaltung und hat den besten Wirkungsgrad von 95–97% – das heißt, so viel der aufgebrachten Muskelkraft kommt am Hinterrad an. Eine Kettenschaltung besteht aus der Tretkurbel mit einem, zwei oder drei Kettenblättern, einem Umwerfer vorne, der Kette und einer Kassette mit mehreren Zahnrädern am Hinterrad.
Kettenblätter
Ältere Fahrräder haben noch Dreifachkurbeln mit 50/39/30 Zähnen, bei Cityrädern sind es heute meist 48/36/26 Zähne. An Rennrädern findet man oft Kompaktkurbeln mit 50/34 Zähnen. Mountainbikes haben spezielle Kettenblätter mit noch geringerer Zähnezahl. Hier findet man auch oft die relativ neue Übersetzung mit einem Kettenblatt und 12 Gängen.
Schaltwerk
Am Hinterrad sorgt das Schaltwerk dafür, dass die Kette immer gut gespannt ist und auf die Zahnkränze umgelegt wird. Die Kassette kann zwischen 7 und 12 Zahnkränze mit 11 bis 34 Zähnen umfassen. An Mountainbikes setzt sich immer mehr ein Kettenblatt vorne und ein Ritzelpaket mit 12 Zahnkränzen und bis zu 50 Zähnen am Hinterrad durch. Campagnolo hat jüngst eine Rennradschaltung mit 13 Zahnkränzen herausgebracht. An normalen Alltagsrädern sind heute 10 bis 11 Zahnkränze üblich. Bei einer Dreifachkurbel hätte man damit theoretisch 30 bzw. 33 Gänge. In der Praxis stimmt das aber nicht ganz, weil sich manche Gänge überschneiden beziehungsweise wegen des zu großen Schräglaufs der Kette nicht nutzbar sind.
Vorteile | Nachteile |
Vorteile | Nachteile |
hoher Wirkungsgrad | Wartungsaufwand höher als bei Nabenschaltung |
preiswert | Verschleiß: Je nach Witterung hält eine Kette nur maximal 5000 km (dann sollte auch die Kassette gewechselt werden) |
feine Abstufungen | Schalten nur bei Tritt in die Pedale möglich, nicht im Stand |
die Zahnkränze lassen sich leicht auswechseln | das hintere Schaltwerk ist bei Stürzen oder Fahrten im Gelände gefährdet, etwa durch Äste und Steine |
Hinterradausbau einfach |
Nabenschaltung: Wartungsarm und wetterfest

Eine Nabenschaltung im Hinterrad ist wartungsarm und geschützt gegen Witterungseinflüsse
Eine Nabenschaltung ist gekapselt in der Hinterradnabe untergebracht und vor Witterungseinflüssen geschützt. Zahnräder werden gegeneinander verschoben, sodass unterschiedliche Übersetzungsverhältnisse entstehen. Die Bandbreite reicht von 3 Gängen bei der klassischen „Torpedo-Nabe“ von Fichtel & Sachs über die 14 Gänge in der Rohloff-Nabe bis hin zur stufenlosen Nabenschaltung der Marke Enviolo. Gerne werden Nabenschaltungen mit wartungsarmen Zahnriemen gekoppelt.
Vorteile | Nachteile |
Vorteile | Nachteile |
kaum Verschleiß, Zahnräder laufen gekapselt im Ölbad | wiegt etwas mehr als eine Kettenschaltung – und ist auch etwas teurer |
kann im Stand geschaltet werden (praktisch an der Ampel) | Ausbau des Hinterrads aufwendiger |
wartungsarm | höhere Reibungsverluste |
Kette kann in Schutzhülle laufen | |
kann mit wartungsarmen Riemen betrieben werden |
Nabenschaltungen an E-Bikes
Das hohe Drehmoment von leistungsstarken Motoren können Nabenschaltungen nur schwer verkraften. Wenn an E-Bikes Nabenschaltungen verwendet werden, ist die Motorkraft deshalb meist auf etwa 50 Newtonmeter gedrosselt. Ausnahmen sind die Rohloff-Nabe und das Enviolo-Getriebe. Für Motoren mit 80, 90 Newtonmetern sind Mittelmotoren und eine Kettenschaltung besser geeignet. Sie kann das hohe Drehmoment besser verkraften.
Nabenschaltung und Zahnriemen
Wartungsarme Zahnriemen sind bei E-Bikes mit Nabenschaltung auch im Einsatz. Wegen des starken Drehmoments ist das nur bei dem Pinion-Getriebe, der Rohloff-Nabe und der Enviolon-Nabe möglich. Der Fahrradrahmen muss zudem ein Schloss haben, damit der Riemen angebracht werden kann. Erst seit kurzem ist ein offenes Riemenmodell der US-Firma Veer auf dem Markt, das mit drei Pins geschlossen wird. Zahnriemen müssen gelegentlich nachgespannt werden. Das funktioniert mit einem verstellbaren Ausfallende oder einer exzentrischen Lagerung der Tretkurbel.
Vorteile | Nachteile |
Vorteile | Nachteile |
geräuscharm und fast wartungsfrei | mit rund 80 Euro teurer als eine Kette (25 Euro) |
halten bis zu 30 000 Kilometer | nicht nachrüstbar, da der Rahmen ein Rahmenschloss erfordert. Ein Fahrrad mit Riemenantrieb ist rund 200 Euro teurer als eins mit Kettenschaltung |
gerissene Riemen müssen getauscht werden – bei der Kette lassen sich einzelne Glieder austauschen |
Automatische Nabenschaltung
Eine spezielle Form der Nabenschaltung stellt das Enviolo-Getriebe dar. Es ist ein stufenloses Getriebe im Hinterrad. Bei den einfacheren Varianten verstellt der Fahrer die Übersetzung stufenlos von Hand, beim Topmodell geschieht das automatisch: Der Fahrer stellt nur seine bevorzugte Trittfrequenz ein, das Getriebe stellt dazu je nach Gelände die passende Übersetzung bereit. Gerade die automatische Enviolo-Nabe sorgt für ein sehr angenehmes Fahrverhalten.
Tretlagerschaltung – der Übersetzungsweltmeister
Ein Schaltgetriebe im Tretlager sitzt an der tiefstmöglichen Stelle in der Fahrradmitte und sorgt so für eine Verbesserung von Schwerpunkt und Gewichtsverteilung. Es ersetzt eine wartungsintensive Kettenschaltung und ist auch mit einem Zahnriemen kombinierbar.
Pinion-Getriebe

Gute Kombi für den Radalltag: Pinion-Schaltgetriebe und Gates-Carbonriemen sorgen für wartungsfreies Schalten.
Seit 2018 ist das Pinion-Getriebe auf dem Markt und hat sich in dieser Zeit eine Ausnahmestellung erobert. Es bietet mit bis zu 18 Gängen ein Übersetzungsverhältnis von 636 Prozent und übertrifft damit auch Kettenschaltungen, die auf 540 Prozent kommen.
Es gilt in der Fachwelt als Krönung des filigranen Getriebebaus an Fahrrädern. Die Topversion kostet rund 1 400 Euro – gute Trekkingräder knacken damit leicht die 3 000-Euro-Marke. Die etwas preiswerteren Modelle werden an Mittelklasse-Fahrrädern um die 2 000 Euro verbaut. Der Nachteil ist: Für das Pinion-Getriebe braucht man einen passenden Rahmen. Es kann daher nicht nachgerüstet werden.
Schlumpf-Getriebe
Das schweizerische Schlumpf-Getriebe ist ein Planetengetriebe, das rechts zwischen Tretlager und Kettenblatt angebracht werden kann. Es wird per Kick mit der Ferse geschaltet und erweitert die Übersetzungsbandbreite je nach Variante enorm ins Langsamere oder Schnellere – fristet allerdings im Massenmarkt ein Nischendasein.
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